vonDominic Johnson 30.11.2010

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Kongos Politik gerät in Bewegung. Der wohl bekannteste historische Oppositionsführer des Landes, Veteran des Kampfes für Demokratie, bereitet sich nach Jahren des Exils auf die Rückkehr in die Heimat vor: Etienne Tshisekedi, Präsident von Kongos ältester Oppositionspartei UDPS (Union für Demokratie und Sozialen Fortschritt) will am 1. Dezember oder kurz darauf in Kinshasa landen.

Aus Belgien anreisend, soll Tshisekedi zunächst in Südafrika Halt machen und von dort nach Kinshasa fliegen, damit er anders als bei den Flügen Brüssel-Kinshasa (die spätabends ankommen) vormittags landet und dann standesgemäß von einer gigantischen Menschenmenge empfangen werden kann. Ganz Kinshasa, so hofft die UDPS, will der Rückkehr des historischen Freiheitskämpfers zujubeln. Der Boulevard Lumumba vom Flughafen Njili ins Stadtzentrum soll mindestens so voll sein wie an jenem 27. Juli 2006, als der damals wichtigste Oppositionsführer Jean-Pierre Bemba in der Schlußphase des Wahlkampfs zu Kongos ersten freien Wahlen aus dem Binnenland nach Kinshasa zurückkehrte und sich von Zehntausenden feiern ließ.

Nimmt man diesen Vergleich, ist es ein riskantes Unterfangen. Bembas Jubelfeier artete in Gewalt aus, Bemba selbst sitzt heute in Den Haag beim Internationalen Strafgerichtshof in Haft. Das Regime Kabila im Kongo kennt wenig Skrupel und keine Gnade, wenn es darum geht, Herausforderer kleinzuhalten.

Die Zeiten für Herausforderer sind im Kongo dennoch heute günstig wie nie. Die parlamentarische Opposition ist seit der Verhaftung Bembas 2008 führungslos. Die militärische Opposition ist seit der Verhaftung des Rebellenführers Laurent Nkunda 2009 machtlos. In ziemlich genau einem Jahr steht die nächste Präsidentschaftswahl an. Weit und breit ist kein ernstzunehmender Gegenkandidat zu Kabila in Sicht. Diverse Politiker positionieren sich bereits und hoffen, eine zersplitterte und schwache Opposition um sich selbst herum zu einen, um die Wahl vielleicht doch noch spannend zu machen. Sie hoffen dabei auch auf Zuwendung der internationalen Gemeinschaft, die 2006 massiv auf Joseph Kabila gesetzt hatte und jetzt von Kabila schwer enttäuscht ist, weil er viel weniger für das Land erreicht hat als erhofft. In westlichen Hauptstädten werden Kabilas Gegner derzeit sehr wohlwollend empfangen und man hört ihnen aufmerksam zu wie noch nie seit 2006.  Bisher war es vor allem der 2009 zurückgetretene Parlamentspräsident Vital Kamerhe, der als möglicher „challenger“ Kabilas aufgebaut wurde; Tshisekedi will ihm nun die Show stehlen.

Die UDPS, stark vor allem in den Kasai-Provinzen sowie Teilen Kinshasas, sieht sich als die große demokratische Kraft des Landes und als großen Verlierer der Kriege seit 1996. In den 1990er Jahren war sie Speerspitze der Demokratiebewegung gegen Diktator Mobutu. Ihr Führer Tshisekedi wurde mehrmals Premierminister und konnte sein Amt nie richtig ausüben, weil Mobutu seinen parallelen Gewalt- und Finanzapparat anwarf, um die Macht zu bewahren. Wochenlang saß Tshisekedi sogar auf der Straße in seinem Wohnviertel Limete und sagte, er sei die Regierung. Bis heute ist Limete die Hochburg der kompromißlosesten UDPS-Anhänger, und ihr „Straßenparlament“ (parlement debout) ist eine Graswurzel-Institution geworden. Als Mobutu 1996-97 von der Rebellenarmee Kabilas gestürzt wurde, waren es UDPS-Basisaktivisten, die die friedliche Übergabe zahlreicher Städte an die Rebellen organisierten, in der Hoffnung, diese würden Freiheit und Demokratie bringen. Die Hoffnung wurde zerschlagen, Kongo versank im Krieg, die zivile demokratische Opposition wurde unsichtbar.

Aber als der Krieg endete und unter internationaler Aufsicht 2006 freie Wahlen organisiert wurden, machte die UDPS einen historischen Fehler: Sie boykottierte zunächst die Wählerregistrierung und dann die Wahlen, und als sie ihre Meinung änderte, war es zu spät. Nicht nur kam die größte zivile Oppositionskraft nicht auf den Wahlzetteln vor. Ihre Sympathisaten, die dumm genug gewesen waren, sich nicht als Wähler zu registrieren, konnten gar nicht mitwählen. Hätten sie wählen können und hätten sie ihre Stimme gegen Joseph Kabila abgegeben, hätte dieser die Präsidentschaftswahl nicht gewinnen können. An diesem historischen Fehler ist die UDPS fast zerbrochen. Es hat unzählige Spaltungen und Machtkämpfe gegeben, Tshisekedi selbst war jahrelang kaum noch sichtbar.

Jetzt will es die „Sphinx von Limete“, wie Tshisekedi gern genannt wird, noch einmal wissen. Auf die erhoffte triumphale Rückkehr in die Heimat soll ein UDPS-Parteitag in Kinshasa folgen, auf dem die alte Partei sich als neue demokratische Kraft und als natürlichen Führer der Opposition gegen Kabila positionieren will. Sollte dies gelingen, werden die diversen anderen Oppositionellen unter Druck geraten, ein Wahlbündnis einzugehen.

Bleibt abzuwarten, ob Kongos Staat dem allem tatenlos zusieht. Werden wirklich die Massen zu Tshisekedi strömen, wenn er kongolesischen Boden betritt? Wird seine Partei sich wirklich frei betätigen können? Wie so oft in der Geschichte stellt sich die UDPS einerseits als natürliches Zentrum des Widerstandes hin und geht andererseits davon aus, daß die böse Staatsmacht sie selbstverständlich gewähren lassen muß. Wenn sie das dann nicht tut, und so war es früher immer, ist man halt Märtyrer der Demokratie. Aber Kongo hat in den letzten Jahren zuviele Märtyrer produziert und zuwenig Veränderer. Heute eine demokratische Alternative im Kongo aufzubauen kann sich nicht darin erschöpfen, einen bekannten Namen als historische Figur durch die Straßen zu kutschieren. Das weiß die UDPS sicher auch. Sie muß sich aber erst noch beweisen, zumal die jüngere Generation der Kongolesen sie nur noch vom Hörensagen kennt. Sie reklamiert ein quasi historisches Recht auf Meinungsführerschaft, aber das genügt nicht.

Was auch immer ab dem 1. Dezember geschieht: Es brechen spannende Zeiten an. Die Friedhofsruhe, die sich über Kongos offizielle Politik gelegt hatte, geht allmählich zu Ende. Es wird ja auch Zeit.

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