vonDominic Johnson 24.04.2011

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Der 24. April ist im Kongo ein besonderer Tag: Am 24. April 1990 verkündete der damalige zairische Diktator Mobutu Sese Seko das Ende des Einparteiensystems und setzte damit die Kette der Ereignisse in Gang, die schließlich zur fehlgeschlagenen Demokratisierung und zu Staatszerfall und Krieg führen sollte. Der Aufbau einer wahren Demokratie im Kongo geht für viele Kongolesen über eine Rückbesinnung auf den 24. April 1990 im Bestreben, es jetzt besser zu machen. Kein Wunder, daß die damals wichtigste Oppositionspartei UDPS (Union für Demokratie und Sozialen Fortschritt), 1990 noch im Untergrund, jetzt den 24. April als Termin für ihren Wahlkampfauftakt 2011 nutzt – passenderweise ist es Ostersonntag, der christliche Tag der Auferstehung.

50.000 bis 80.000 Menschen folgten dem UDPS-Aufruf zur Massenkundgebung im Stadion Tata Raphael in Kinshasa, zweitgrößtes Stadion der kongolesischen Hauptstadt, um dem mittlerweile sehr alten UDPS-Führer und Präsidentschaftskandidaten Etienne Tshisekedi zu lauschen. Er rief die Bürger dazu auf, sich gut zu überlegen, wen sie diesmal wählen. Tshisekedi, der die Wahlen 2006 boykottiert hatte, macht sich große Hoffnungen, die Opposition gegen Präsident Joseph Kabila diesmal hinter sich zu scharen. Nur als Kandidat einer geeinten Opposition hätte er eine Siegeschance, weil es bei der Wahl 2011 anders als 2006 nur einen Wahlgang gibt.

Provisorisch ist die Wahl auf den 27. November festgesetzt, aber einen endgültigen Wahlkalender gibt es noch genausowenig wie ein neues Wahlregister und ein neues Wahlgesetz. Deswegen und auch wegen ungeklärter Finanzierung droht eine Wahlverzögerung auf 2012, warnte kürzlich in Berlin der Interimschef der Wahlabteilung der UN-Mission im Kongo (Monusco), Daniel Stroux: Vor allem wenn, wie geplant, Präsidentschafts- und Parlamentswahlen zusammengelegt werden sollten, sei eine Wahl 2011 unwahrscheinlich. Dies könne zu neuen Konflikten führen, wenn die als pro-Kabila geltende Wahlkommission CENI nicht die anderen Parteien in die Planung miteinbeziehe.

Für Tshisekedi ist die Sache klar: Das Mandat Kabilas läuft am 6. Dezember ab, fünf Jahre nach seinem Beginn, und wenn er dann noch ohne Wahl im Amt ist, ist er ein illegitimer Präsident und gehört gestürzt so wie in Tunesien. Dies jedenfalls erklärte der UDPS-Chef seinen jubelnden Anhängern im Stadion. Frühere Versuche, Regime in Kinshasa durch Massenproteste ins Wanken zu bringen, sind allerdings immer gescheitert. Es ist auch unklar, wie stark die UDPS-Basis in Kinshasa noch ist: Als die Partei 2006 den Wahlboykott predigte, wandten sich viele ihrer Anhänger enttäuscht ab und gingen zu den Lumumbisten der PALU von Antoine Gizenga oder zur MLC von Jean-Pierre Bemba. Tshisekedi muß diese Wähler zurückgewinnen.

Die Versuche der UDPS, eine Oppositionskoalition um sich herum zu scharen, tragen bislang eher mäßigen Erfolg. Mit auf der Tribüne heute waren Diomi Ndongala, der im westkongolesischen Bas-Congo starke Führer der Christdemokraten; der MLC-Dissident Delly Sessanga; und der ehemalige Rebellenchef Roger Lumbala, inzwischen einer der Wortführer der parlamentarischen Opposition. Lumbala ist inzwischen auch Präsident des Fußballvereins „AS Bantous“ in Mbuji-Mayi, Haupstadt der Provinz Ost-Kasai, Zentrum der kongolesischen Diamantenförderung und unangefochtene Hochburg der UDPS.

Die ganz großen Herausforderer der UDPS innerhalb der Opposition – die eigentliche MLC des in Den Haag inhaftierten Jean-Pierre Bemba, derzeit in einer bitteren inneren Krise, und die neue ostkongolesische Oppositionskraft UNC um den ehemaligen Parlamentspräsidenten Vital Kamerhe – zählen lieber auf ihre eigene Kraft. Für das Kabila-Lager scheint derzeit nicht die UDPS die größte Gefahr darzustellen, sondern Kamerhes UNC: Sie wird regelmäßig massiv behindert, wenn sie versucht, im Ostkongo Wahlkampf zu machen, und mehrfach sind in den letzten Wochen UNC-Parteigänger oder auch nur Journalisten, die darüber berichten wurden, massiv bedroht oder angegriffen worden, vor allem in der Provinz Maniema.

Dennoch: Es gibt wieder legale Oppositionskundgebungen in Kinshasa. Das ist schon einmal ein Fortschritt. Wenn es so weitergeht, erlebt der Kongo tatsächlich noch einen Wahlkampf. Wenn es denn einmal einen endgültigen Wahltermin gibt.

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