vonClaudia Mussotter 29.06.2007

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„Die Küche eines Landes ist seine Landschaft, in einen Kochtopf gesteckt“, schrieb Josep Pla (1897–1981), einer der größten katalanischen Schriftsteller, Gourmet und Reisender, der sich in seinen Berichten folgerichtig auch immer mit der Gastronomie der besuchten Regionen befasste. Im Vergleich mit anderen Küchen Europas schnitt die spanische bei ihm nicht sonderlich gut ab – was sicher auch mit den Bürgerkriegsjahren zusammenhing –, trotzdem lag ihm die Gastronomie seines Landes am Herzen, besonders die seiner Heimat Katalonien und dort speziell der Empordà an der Costa Brava, wo er seine Kindheit verbrachte. Einer einzigartigen Landschaft mit einer ebenso einzigartigen Esskultur, die „mar y montaña“, Meer und Berge, umfasst. Pla kam es auf den einfachen, reinen, auf der Qualität der Zutaten beruhenden natürlichen Geschmack an, auf die traditionellen Zubereitungsarten, auf die Muße beim Essen – womit er ganz auf der Linie der „Dieta mediterránia“ lag und sich heute vermutlich Slow Food angeschlossen hätte.
Die katalanische Küche ist derzeit wohl die avantgardistischste der Welt und lebt doch von ihrer Vergangenheit. Noch immer reflektiert sie das Mittelalter, die Einflüsse fremder Herrscher, denen das Land jahrhundertelang unterworfen war. Brachten die Römer Wein, Oliven und Brot, ist den maurischen Besatzern eher Exotisches wie Safran, Orangen, Datteln, Trauben, Mandeln und vor allem die Kombination mit Süßem, Lieblichem zu verdanken.
Vom kulinarischen Reichtum Kataloniens im späten Mittelalter zeugt das 1324 erschienene Kochbuch „Sent Soví“ mit 220 Rezepten, das, in Catalán geschrieben, nicht nur von der katalanischen, sondern auch den Küchen des gesamten Mittelmeerraums berichtet. Das Original wird in der Historischen Bibliothek der Universität von Valencia aufbewahrt.
Eine spätere Publikation: das „Llibre del Coch“ des Mestre Robert, der Koch von Ferdinand I. von Aragón, König von Neapel, war, geriet gar zum Beststeller. Das Werk hatte solchen Erfolg, dass es, ursprünglich 1520 in Barcelona auf Katalanisch herausgegeben, schon bald ins Castellano übersetzt wurde und damit das erste Kochbuch Spaniens darstellte.
Das „Llibre del Coch“ zählte zu den repräsentativsten Rezeptsammlungen Europas der damaligen Zeit. Neben aufgearbeiteten Auszügen des Sent Soví enthielt es auch schon etwas typisch Katalanisches: den Gebrauch der picada. Diese traditionelle, noch heute populäre, im Mörser hergestellte Mischung aus  Knoblauch, Kräutern, Gewürzen wie Safran oder Paprika, Nüssen, Brot und mehr dient nicht nur zum Binden von allerlei Schmorgerichten, ob Fisch oder Fleisch, sondern auch als Sauce schlechthin und gibt den Gerichten zusätzlich Pfiff.

Die Küche Kataloniens ist vielschichtig. In ländlichen Gebieten wird noch mit Schweineschmalz gekocht, an der Küste herrscht die charakteristische Mittelmeerernährung mit Olivenöl vor. Dazu kommt der Einfluss der leichten Küche der Provence ebenso wie die barocken, oft überraschenden Gerichte des Landes Valencia und die handfesten aus dem Landesinneren an der Grenze zu Aragón. Und all dies zusammen macht in etwa den täglichen Speisezettel in Barcelona aus.
Populär ist die Cocina de mercado, bestehend aus Gerichten, die sich nach den Angeboten auf dem Markt richten – natürlich entsprechend der Jahreszeit.
Die Markthalle von Barcelona, die Boquería, an der Rambla gelegen, bietet dafür eine Fülle an frischem Obst, Gemüse und fangfrischem Fisch und macht die Wahl zur Qual. In Barcelona ist alles zu finden, die Stadt berühmt für ihre zahlreichen Bars und Restaurants: Das Spektrum reicht von mit Sternen hoch dekorierter über traditionelle bis zu maritimer und internationaler Küche.

Lleida oder in Castellano Lérida ist die einzige der vier Provinzen Kataloniens, die nicht ans Meer grenzt, sondern zum großen Teil an Aragón und die Pyrenäen.  Die Region steht für Olivenöl mit D.O. aus Les Garrigues, hergestellt aus der besonders geschätzten Sorte Arbequina. Die Küche ist natürlich und verwendet beste Zutaten: von den Würsten aus den Berggebieten bis zum Obst aus dem südlichen Teil der Provinz – aber vor allem beliebt sind Schnecken. Auf den Tisch kommen außerdem deftige Eintöpfe, Wildschwein, Hase und Kaninchen, und das in allen möglichen Zubereitungsarten.

Die Provinz zwischen Mittelmeer und Costa Brava ist ein wahres Juwel auf von Griechen und Römern geprägtem Boden. Hier geht es um mar y montaña, Schätze aus Meer und Bergen, die eine der reichsten und vielseitigsten Küchen der Comunitat Catalunya ergeben.
Huhn mit Cigalas (Scampi); Suquet de peix, der populäre Fischeintopf mit Kartoffeln; Languste mit Schnecken; gefüllte Calamares; Ente mit Birnen; der schwarze Reis mit Meeresfrüchten oder die ausgezeichneten Gambas von Palamós sind nur ein paar Beispiele für die reiche Küche Gironas, die man als natürlich, traditionell, kreativ, schlicht einfach genial bezeichnen kann.

Das mediterrane Tarragona grenzt an Valencia und hat kulinarisch gesehen viel gemeinsam mit der Nachbarregion. Schließlich liegt dort das fruchtbare Ebro-Delta – ein wahres Paradies, wo ebenfalls Reis angebaut wird wie im valencianischen Feuchtgebiet Albufera.  
Doch beileibe nicht mit seinen Bräuchen. Oder hat man an der Costa Blanca schon mal eine dieser verrückten, aus bis zu neun Etagen bestehenden Menschenburgen gesehen? Oder Männer mit umgebundenen Lätzchen, die sich im Januar zu einer Calçotada zusammenfinden?
Calçots sind eine spezielle Zwiebelart, die aber keine Knolle bildet, sondern so kultiviert wird, dass sie schlank wie eine Lauchstange bleibt. In Bündeln röstet man die Zwiebeln über Holzfeuer, bis sie richtig schwarz sind. Die verbrannte äußere Haut wird abgezogen, das zarte weiße Innere in die typisch katalanische Romescu-Sauce getunkt. Anschließend schiebt man sich die Stange von oben wie einen Spargel in den Mund.

Suquet de peix mit Seeteufel
Für eine kleinere Menge, Picada: 4 Mandeln, 1 EL Olivenöl virgen extra, 1 Scheibe Brot ohne Rinde, 1 geschälte Knoblauchzehe, etwas Salz
Suquet: 2 reife Tomaten, 1/4 Tasse Olivenöl virgen extra, 2 geschälte und gehackte Knoblauchzehen, 250 g geschälte Kartoffeln, in Würfel von drei Zentimetern geschnitten, 1/2 Kaffeelöffelchen Paprika, 1 EL gehackte Petersilie, 2 Tassen Mineralwasser, 250 g Seeteufel, in vier gleich große Stücke geschnitten), 1 1/2 kleine Mokkalöffel Salz
Für die Picada Mandeln in einer kleinen Pfanne bei niedriger bis mittlerer Hitze drei oder vier Minuten rösten, ab und zu wenden, damit sie nicht anbrennen. Olivenöl in die Pfanne geben, wenn es heiß ist, die Brotscheibe von jeder Seite eine Minute darin rösten. In einem Mörser die Knoblauchzehe mit etwas Salz zur homogenen Paste verarbeiten. Die Mandeln zufügen und mit dem Knoblauch zerstoßen. Zum Schluss das geröstete Brot mit verarbeiten.
Für den Suquet die Tomaten der Länge nach halbieren und mit der offenen Seite in eine Schüssel reiben. Durch ein Sieb geben, es sollte sich etwa eine dreiviertel Tasse geriebene Tomate ergeben.
Knoblauch in Öl in einer großen, tiefen Pfanne auf kleinem bis mittlerem Feuer 20 Sekunden anschwitzen, der Knoblauch sollte im Öl „tanzen“. Geriebene Tomate zufügen und alles fünf bis zehn Minuten braten, bis sich die Mischung in eine dicke Sauce verwandelt. Kartoffeln dazugeben und vier bis fünf Minuten mitschmoren, mit einem Holzlöffel umrühren.
Mit Paprika und Petersilie bestreuen. 30 Sekunden unter Rühren anschwitzen. Das Wasser zufügen, alles gut vermischen. Die Kartoffeln sollten bedeckt sein. Zehn Minuten leise köcheln lassen, bis die Flüssigkeit auf die Hälfte eingekocht ist.
Fischstücke und Salz zugeben sowie die Picada. Sachte umrühren, die Pfanne ein wenig bewegen, damit sich alles gut vermischt. Suquet auf kleinem Feuer drei bis fünf Minuten köcheln, bis der Fisch gar ist.
Unverzüglich mit viel Brot servieren, um in den ganzen Genuss der Sauce zu kommen.

Bon profit!

 

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