vonClaudia Mussotter 02.02.2009

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70 der besten Köche aus aller Welt – darunter fünf aus dem Land Valencia – und 130 Aussteller fanden sich zwischen dem 19. und 22. Januar zur siebten Ausgabe des Gastronomiegipfels Madrid Fusión im Kongresspalast der Hauptstadt zusammen. Umwelt, Krise und Wissenschaft – diese Themen standen auch beim diesjährigen Gastronomiegipfel im Vordergrund.
Runde Tische, Wettbewerbe, Weinverkostung, Präsentation neuer Techniken und die Vergabe der Goldenen Kochschürze bildeten nur einige der Programmpunkte. Demonstrationen und Degustationen hatten allerdings auf der diesjährigen Fusión nicht den Stellenwert früherer Gipfel.

Als Special Guest war dieses Mal Mexiko eingeladen, vertreten durch fünf außergewöhnliche Chefs, die die Gelegenheit wahrnehmen wollten, das falsche Bild von ihrer Gastronomie zurechtzurücken. Schließlich sei man kein Land ausschließlich der Chilis und Schokoladensaucen, sondern verfüge über eine stattliche Anzahl von Suppen – mehr als 500 insgesamt, die man außerhalb Mexikos praktisch nicht kenne: kalte, heiße, trockene oder von religiösem Charakter, serviert nur an speziellen Festtagen.
Mónica Patiño und Patricia Quintana unterstrichen denn auch die wichtige Rolle, die den mexikanischen Frauen in der Bewahrung der traditionellen einheimischen Gerichte zukomme. Aber auch Enrique Olvera besann sich mit seinen avantgardistischen Kreationen auf die aztekischen Wurzeln.
Unbekannt waren ebenfalls die 400 verschiedenen Früchte, die Pedro Miguel Schiaffino aus Peru mitgebracht hatte. So die Camu Camu von der Größe einer Traube, die den höchsten Vitamingehalt weltweit besitzt, oder die Macambo aus der Familie des Kakaos mit einem sehr aromatischen, süßen Fruchtfleisch.

Für „Gastrobotanik“ – der Küchenchef besitzt seinen eigenen Garten mit so genanntem „Farm Food“ – wurde vehement von Fernando del Cerro aus Aranjuez plädiert und die Vielseitigkeit der breiten Palette von Wintergemüse aufgezeigt. Man müsse sowohl die einheimischen Produzenten bei ihrem ökologischen Anbau unterstützen wie auch autochthone Gemüsesorten wiederbeleben. Cerro kreierte eine Vorspeise aus Blumenkohl, begleitet von einer Kakifrucht und Chilisauce.
Der junge Rodrigo de la Calle vereinigte den Garten seines Großvaters mit der Levantiner Huerta del Cura: beispielsweise Artischocken aus Aranjuez mit frischen Datteln aus Elche. Und Paco Morales aus Madrid wartete mit Wurzelgemüse zum Nachtisch auf, einem Schnee aus weißen Rüben.
Und wieder neue Begriffe tauchten auf wie die „Small Plates“, die derzeit in den USA für Furore sorgen – große Gerichte in kleinem Format, ein Konzept, das an die spanischen Tapas erinnert, vorgestellt von David Chang und Sotohiro Kosugi. Ähnliches wird in Spanien mit „Gastrobars“ und „Bistronomía“ angestrebt, die sich mit der Küche der kleinen Häppchen aus der Hand von großen Köchen beschäftigen.

Das passt zum Hauptthema „Ausweg aus der Krise“, die mittlerweile auch die Gastronomie erfasst habe. Unter dem Titel „Alta cocina pobre“ (Arme gehobene Küche) wurden neue Wege beleuchtet, der Rezession zu begegnen. Allen voran der Schwede Petter Nilsson und Paco Ron aus Asturien bestanden auf Kreativität statt hoher Preise. Mit Fantasie und dem Einsatz avantgardistischer Techniken lasse sich auch aus gewöhnlichen Produkten viel machen, ein Alltagsgericht zum kulinarisches Erlebnis werden. Demonstriert wurde dies an den bescheidenen „Patatas a la importancia“ – im Original mit Ei panierte, frittierte Kartoffeln in einer Mehlschwitze mit Zwiebeln, Safran, Petersilie und Salz –, die mit frischen Berberechos (Herzmuscheln) aufgepeppt wurden.

Technisch war ebenfalls einiges geboten. Eneko Atxa etwa fing mit einem Ultraschallgerät die Gerüche von Felsen, Muscheln und Algen ein. Resultat: ein Aroma wie das einer Welle des Kantabrischen Meers. Und Ángel León experimentierte mit Plankton zum Essen. Das soll nach reinem Meer schmecken und noch dazu die Finger grün färben. Wenn das zum Nahrungsmittel verwandelte Plankton in den Handel kommen sollte, könnte es zum Renner des Jahres werden. Denn anscheinend ist es ganz leicht zu Hause herzustellen. Doch noch bedarf es der Genehmigung der Behörden.
Derweil debattierten Andoni Luis Adúriz, Ferran Adrià und Heston Blumenthal, begleitet von dem Wissenschaftler und Autor Harold McGee, über Wissenschaft & Gastronomie – und: Existiert die Molekulare Küche? Am Rande bemerkt: Wie eine brandneue Umfrage der Fachzeitschrift „Küche“ des Verbands der Köche Deutschlands unter 200 Kolleginnen und Kollegen ergab, ist das Interesse an diesem Trend leicht gesunken.

Verblüfft hat der Malagueño Dani García mit seinem „Play Food“, Gerichten zwischen Humor und Imagination. Etwa mit einer nur auf den ersten Blick wie eine Tomate aussehenden Kreation – im Innern lockte eine Mousse aus Pipirrana; eigentlich ein Salat auf der Basis von Zwiebeln, Gurke und Tomate. Hergestellt wurde das Ganze mit flüssigem Stickstoff. Oder mit einer Kartoffel, gefüllt mit Tunfisch aus Barbate, die man komplett mit Alufolie essen konnte.

Ferran Adrià vom El Bulli kam ohne eine neue Idee: „Bitten Sie mich nicht, etwas vorzuführen“, soll er angeblich gesagt haben, „Fernando Alonso fragt man ja auch nicht, ob er mal eine Runde dreht.“ Ob dies mit Santi Santamaría vom El Racó de Can Fabes zu tun hatte, dem Mann mit mehr Michelinsternen als jeder andere im Land? Schließlich hat der sich vergangenes Jahr mit seinem Buch „La Cocina al Desnudo“, das sich gegen all die Spektakel in der Gastronomie richtet und die Experimentierküche Adriàs mit ihren Zusatzstoffen angreift, bei fast allen Kollegen unbeliebt gemacht. Santamaría war jedenfalls nicht geladen.

Bon profit!

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