„Angeblich besitzt jeder westliche Mensch 10.000 Dinge“, schreibt Meike Winnemuth. „Auf ein paar davon zu verzichten sollte also kein Problem sein. Dieses Jahr wird jeden Tag ein Ding mein Leben verlassen, es wird verschenkt, verscherbelt oder weggeworfen.“
Und sie tut es. Seit dem 11. November trennt sich die Demnächst-Cosmopolitan-Vizechefin täglich von einem Gegenstand aus Kleiderschrank, Küchenregal oder Kruschtelkiste. Unter anderem von
Pferdesalbe, “auch für Menschen verwendbar”, circa 2006 auf dem Isemarkt gekauft. (Nie benutzt. Was ja irgendwie auch schön ist, dass ich sie nie gebraucht habe)
oder von
Erbeer-Teekannenwärmer, gekauft im Knysna Township Women’s Project 2009. (Im Moment des Kaufs gewusst, dass ich es nur kaufe, um irgendwas zu kaufen. Aber dass ich es trotzdem kaufen musste. Aus moralischer Verpflichtung, weil man in einem Women’s Project nun mal was kauft)
Ich finde das klasse. Das ist eine geradezu metaphorische Verkörperung (oder doch eher Entkörperung) des „Age of Less“, in das sich unser Abendland gerade hineinbegibt. Eine therapeutische Antithese zur Konsumkultur, die dem shopping das unshopping entgegensetzt – jeden Tag eine gute Tat, Entschlackung des Besitzes.
Und weil Frauen ja immer mehrere Sachen auf einmal machen können, betreibt die ehemalige Amica-Reporterin nicht nur unshopping, sondern auch unconsumption: Ebenfalls seit dem 11. November zieht sie nämlich täglich das gleiche (aus hygienischen Gründen in dreifacher Ausführung vorhandene) blaue Kleid an.
Jeden Tag. Im Sommer und im Winter. Am Schreibtisch und zu offiziellen Anlässen. Auf Safari in Südafrika und beim Renovieren ihrer neuen Wohnung. Am Ende des Jahres gibt es 365 Fotos und wahrscheinlich einen Haufen Erkenntnisse. Über die Frage nämlich, was man wirklich braucht im Leben. Ob es eher erlösend oder belastend ist, nie darüber nachdenken zu müssen, was man anzieht. Wie die Umwelt reagiert, wenn man immer das gleiche trägt. Wann man zum ersten Mal diesen verdammten Lappen verflucht. Wie man den verdammten Lappen doch immer wieder aufmotzen kann. Und schließlich: Was man dabei erfährt über Verzicht und Bereicherung, Reduktion und Kreativität.
Die Zwischenbilanz nach dem ersten Monat sieht allerdings noch eher undramatisch aus:
Das kleine Blaue ist wie Zähneputzen und Haarekämmen. Muss ja, und gut ist. Kein weiteres Nachdenken darüber. Angezogen wird, was auf dem Bügel hängt. Ich gebe allerdings zu, ein bedenkliches Interesse an Strumpfhosen zu entwickeln, die ich sonst nicht mit der Kneifzange angefasst hätte – gestreifte, geblümte (geblümte!).
Aber noch liegen ja auch elf Zwölftel vor ihr…
Disclaimer: Ich bin u.a. Chefredaktor der Zeitschrift GDI Impuls, deren gerade erschienene Ausgabe sich in der Cover-Strecke mit Un-Wörtern beschäftigt: “Unfriend, unstore, unbranding – Der Boom der englischen Vorsilbe «un» kündigt einen Paradigmenwechsel in Wirtschaft und Gesellschaft an.” Mein Versuch, hier neue Un-Wörter zu prägen, könnte damit zusammenhängen.