Möglicherweise hat Louis van Gaal, der strenge Übungsleiter des FC Bayern München, seinen Kopf noch einmal aus der Schlinge gezogen. Immerhin wurden in wenigen Tagen Maccabi Haifa und Hannover 96 heldenhaft niedergerungen. Seine Landsleute, so lese ich amüsiert in einem Artikel in der Wochenausgabe von „De Volkskrant“, machen sich über Louis van Gaal jedoch Sorgen. Der, so der Artikel, sei „Deutscher als die Deutschen“ – zu Deutsch wohlgemerkt.
Interessanter Artikel für mich, auch weil ich rund um meine Zeit (1990 – 1992) bei der Deutschen Journalistenschule in München für diverse Zeitungs-Redaktionen über den FC Bayern schrieb und dann Mitte der 90er das Vergnügen hatte, den Aufstieg von Louis van Gaal als Trainer von Ajax Amsterdam mitzumachen. Inkl. solcher Interview-Geschichten, bei denen wir (damaliger Ajax-Pressechef D.E. und ich) an den tagsüber getätigten Aussagen von Louis van Gaal herumfeilen mussten. Anstrengender Mann, der van Gaal, einmal machte ich mit, wie er in einer Pressekonferenz einen Kollegen anschrie, ob er (van Gaal) nun so klug war oder der Journalist so dumm. Ehm, da kannte ich die Niederlande noch nicht so lang und machte mit mal wieder Gedanken über die Unterschiede zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande. Jupp Heynckes bsw., den ich beim FC Bayern ab und zu ein paar Fragen stellte, bekam bei nervigen Fragen höchstens mal einen roten Kopf (darum sein Spitzname Osram) – Louis van Gaal bekam aber bei kritischen Bemerkungen in der Regel einen dicken Hals. Einen ganz dicken Hals!
Louis van Gaal, so beginnt dere Artikel in „De Volkskrant“, soll die ganzen Jahren gedacht haben, dass er „eine Art Deutscher“ war. Er soll vermutet haben, dass er mit Deutschen „gewaltig zusammen arbeiten“ könnte. „Er träumte von einem deutschen Topklub voller disziplinierter folgsamer Fussballer. Bayern München war sein Heilstaat.“ Die Ironie der Geschichte ist allerdings, dass nun ausgrechnet Jupp Heynckes bei einem solchen Klub arbeitet, nämlich Bayer Leverkusen, und Louis van Gaal ganz offensichtlich einigen Fehleinschätzungen erlegen ist.
Zum Beispiel, Zitat aus „De Volkskrant“: „Dass er manchmal deutscher als die Deutschen ist und dass Bayern mit all seinen Nationalitäten eher kosmopolitisch ist als deutsch.“ Und dann zitiert der Autor Willem Visser den Sozial-Psychologen Heiner Kreupp. „Van Gaal verhält sich wie ein Deutscher Alten Stils. Mit Altem Stil meine bsw. Konrad Adenauer.“ Also wie ein „altmodischer, patriachaler Übungsleiter, der alles weiss“. Das passe nicht mehr in so „eine große, mitteleuropäische Stadt wie München“.
Ja, der van Gaal. Seine Vorbereitungszeit auf Deutschland war möglicherweise zu kurz, denke ich. „De Volkskrant“ kommt mit hübschen Anekdoten. Demnach soll van Gaal nach der Niederlage in Mainz im Flieger Karl-Heinz Rummenigge „mit erhobener Stimme“ aufgefordert haben, den ihm seiner Meinung nach zustehenden Platz zu verlassen. „Uli Köhler, der Kult-Reporter mit den farbigen Sonnenbrillen“ (tz) wird von Visser mit der Bemerkung zitiert, dass einige Regeln „kindisch“ seien. So dürfen Spieler an einem Tisch erst dann aufstehen und am Buffet ihre Teller füllen, wenn die Kollegen von einem anderen Tisch das bereits getan haben. Professor Keupp pflichtet bei: „Es ist beim FC Bayern ein bisschen wie in einem Kindergarten.“ Allerdings kennt Keupp den FC Bayern auch nur aus den Medien. So betrachtet findet Keupp, dass van Gaal bsw. einen Weltmeister wie Lucas Toni nicht so behandeln dürfe.
Kurz gesagt scheint Louis van Gaal vielleicht an zwei Dingen zu scheitern. Einerseits hat er Deutschland, die deutsche Mentalität und die Umstände beim FC Bayern völlig unterschätzt (besser gesagt sich selbst überschätzt), andererseits würde er wohl wie einst bei Ajax Amsterdam und zuletzt bei AZ Alkmaar wohl lieber mit jungen, knetbaren und folgsamen Kickern arbeiten als mit arrivierten Stars.
Der Volkskrant-Artikel nennt auch noch andere Gründe, warum Van Gaal in Schwierigkeiten sei: „Seine Transferpolitik, seine augenscheinliche Arroganz, sein Nachdruck auf Ballbesitz der nichts einbringt, seine vielen Wechsel.“ Wie auch immer, es gibt in den Niederlanden so einige Landsleute von Gaal, die ihm sein Scheitern auch irgendwie gönnen. Und die werden sich in dem Volkskrant-Artikel bestätigt fühlen… Übrigens wird als niederländische Alternative nachdrücklich Guus Hiddink genannt. Keupp: „Hiddink hat mehr Gefühl für die die Charakter einzelner Spieler und Verständnis für andere Mentalitäten.“