vonElisabeth Wirth 04.06.2009

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Seit 2 1/2 Monaten wohne ich nun Neukölln, unweit entfernt von meiner alten Wohnung, auf der anderen Seite des Kanals.

Ich war immer schon ein Stadtkind. In Berlin geboren, aufgewachsen und am stetigen erwachsen werden. In Berlin liebe ich es, alle Möglichkeiten zu haben, das permanente Vorhandensein eines pulsierenden Kultur- und Nachtlebens, die stetige Veränderung, das Wachsen und Werden der Stadt.

Es sind die 1000 Möglichkeiten die Berlin bietet und die in der Luft immer mitschwingen. Doch sind wir mal ehrlich. Man bewegt sich doch am meisten in seinem Kiez. Vor allem tagsüber springt der Freiberufler, der von zu Hause aus arbeitet, mal eben aus seiner Wohnung um wenigstens ein bisschen Bewegung zu bekommen, ein bisschen frische Luft oder Sonne.

Früher, ja damals, als ich noch in Kreuzberg wohnte, waren meine Wege andere und ich betrat Neukölln eher des Nachtens, um Freunde zu treffen oder die eine oder andere Kneipe zu testen. Nun wohne ich in Neukölln und mir fällt etwas auf. Nicht nur, dass ständig neue Läden, Cafés oder Kneipen entstehen. Dieser Trend hält bzw. wächst sich ja nun seit gut 2 Jahren.

Nein, es sind die vielen Männer mit Anhang, die vielen Männer mit Kind(ern). Die vielen schwangeren Frauen lassen wir heute mal außen vor. Es sind die Männer, die mich und den geneigten Leser (oder die Leserin) heute interessieren sollen. Ich möchte es mal ein Trauerspiel nennen. Auch wenn sich die Bundesregierung anders dazu äußern würde. Für Singlefrauen, bietet die Masse an Männern mit Kind und Kegel trübe Aussichten. Denn wenn alle Männer mit Kindern unterwegs sind, lässt sich folgern, dass die bindungsfähigen und paarungsbereiten Männer vergeben sind. Aufgrund meiner Beobachtung der letzten Monate scheint es, dass es dann keine bindungsfähigen und paarungsbereiten Singlemänner mehr gibt. Es mutet an, als hätten sich alle Männer auf leisen Sohlen vom „Markt“ wegbewegt.

Geht nun also die Singlefrau abends aus um zu speisen, sitzt sie garantiert zwischen verliebten Pärchen, die ihrem Nachwuchs vom „Holzmichel“ vorsingen oder das Lied aus der Paulanerwerbung, bis sich ein weiteres Paar mit Kind dazu gesellt. Die Kinder quaken und um sie herum eine Burg an Barbiespielzeug. Man unterhält sich über Schrebergärten und ob es nicht schön wäre, jedes Wochenende am Stadtrand im Grünen zu verbringen. In Grünau wäre eine Pazelle zu haben. Und die Singlefrau liest zum dritten Mal denselben Absatz, weil der „Holzmichel“ in einer Lautstärke geträllert wird, die einem jede Konzentration raubt. Sitzt man vor einem Café, guckt sich so um und sieht einen Mann, bei dem man denkt „Joaaa“, tapst garantiert ein 3jähriger hinterher. Und bei manchen Männern, stellt sich die lässig auf dem Bauch getragene Tasche beim dritten Blick als neumodisches Babytragetuch heraus.

In der letzten Woche litt ich an Weisheitszahn bedingten Schmerzen. Nach drei Tagen auf Ibuprofen suchte ich den Zahnarzt auf. Mir wurde das Zahnfleisch aufgeschnitten, damit der Zahn besser durchbrechen kann. In meinem Mund befand sich ein Stück Stoff, auf das ich in der nächsten 1/2 Stunde rauf beißen sollte. Ich war merklich mitgenommen von der kleinen Spontan-OP, meine rechte Wangen-, Zahn- und Zungenhälfte war betäubt. Ich setzte mich gegenüber der Zahnarztpraxis ins „Fräulein Frost“, einer Eisdiele in der Friedelstraße. Das Stoffstück im Mund, saß ich da, las und wartete, bis die 30 Minuten vorbei waren und ich endlich wenigstens was trinken durfte. Ich war mit dem Fahrrad unterwegs und mutete mir nicht, samt Betäubung und Stoffteil, den Weg nach Hause zu. Irgendwann hing mir in dem noch beweglichen Mundwinkel ein Strohhalm, der mir die Flüssigkeitszunahme erlaubte. Wie ich nun also dasaß, regelmäßig von meinem Buch aufblickte, saßen da fast ausschließlich nur Männer um mich rum, was an sich nichts schlechtes ist, nur leider waren alle in Begleitung von Kindern.

Mir stellt sich unweigerlich die Frage, wann das passiert ist? Wann sind die Männer zu Vätern mutiert? Es ist, als wäre in den letzten Jahren ein Befruchtungsvirus durch den XY-Anteil der Neuköllner, Kreuzberger und Kreuzköllner gegangen. Als hätte ich in den letzten zwei Jahren kurz mal nicht aufgepasst. Schwupp di Wupp hat sich das „starke“ Geschlecht unbemerkt gepaart und vermehrt. Nicht mit mir, mit den vielen anderen Frauen.

Es heißt, Großstädte wären voll mit jungen Singlemenschen, die sich nach Liebe und einer Beziehung förmlich verzehren. Ich sehe keine Singlemänner mehr, ich sehe Männer mit Kindern und Kleinfamilien. Und ich frage mich, wo die tollen, ungebundenen Männer stecken? Wo seit ihr, kommt raus!

Tatsächlich wollen die Männer, die ich kenne oder über die Jahre kennen gelernt habe, über feste Beziehungen und Kinder erst ab frühestens Mitte dreißig nachdenken. Es ist bemerkenswert, wie der scheinbare Rest der Männer Anfang dreißig, beim Anblick des Babybauches einer Freundin ins staunen gerät. So, als würde ihnen gerade aufgehen, dass Menschen Kinder bekommen, dass Babys neun Monate im Bauch einer Frau wachsen. „Verrückt“, sagen sie dann entzückt, „was für ein Wunder“.

Auch ich habe mit dem Thema Kinder noch eine Menge Zeit, aber ich hätte gerne mal Frühlingsgefühle, passend zu Saison. Doch es wird schwer, aus bisher angeführten Beobachtungen und Gründen, sich in Neukölln zu verlieben. Ein Gedanke kommt mir da noch. Vielleicht hocken die Singlemänner in Neukölln in ihren Wohnungen, weil sie ständig nur schwangere Frauen oder welche mit Kleinkindern sehen. All jenen, die wirklich in ihrer Junggesellenbude hocken und überlegen, ob ParShip eine Alternative zum Frauen kennen lernen ist, sei gesagt, es gibt noch ein paar Singlefrauen in Neukölln. Ich für meinen Teil hege eine stetige Hoffnung, dass beim nächsten Mal im Café oder beim Thai, keine Kleinfamilie am Nebentisch sitzt, sondern ein Prachtexemplar von Mann. Oder mir ein eben Solcher, beim nächsten Edekaeinkauf den Weg versperrt, an Stelle eines schreienden Kleinkinds.

 

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