vonFalk Madeja 18.02.2009

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De Telegraaf will öffentlich-rechtlicher Sender werdenWäre das vorstellbar? Die Bild-Zeitung erhebt den Anspruch, genau wie NDR oder WDR einen Sender – sagen wir als „Drittes Programm“ plus Zulieferung für die ARD – sein zu können? Mit Anspruch auf Gebührengeld? Wohl nicht.

Genau das aber plant jetzt die Telegraaf Media Group, Herausgeber der landesweit größten Zeitung „De Telegraaf“, in den Niederlanden. Das geht natürlich nur, weil das öffentlich-rechtliche System dortzulande etwas anders eingerichtet ist, als in Deutschland. Zunächst einmal bekommen die 22 öffentlich-rechtlichen Sender ihr Geld nicht mehr aus Gebühren sondern aus dem Steuersäckel. Wer bis zu einem bestimmten Stichtag, in diesem Jahr ist es der 1. April, 50.000 sogenannte Mitglieder hat, die auch noch 5,72 Euro überwiesen haben, dann bekommt man eben steuerfinanzierte Sendezeit zugeteilt. 100 Stunden Fernsehen, 450 Stunden Radio im Jahr.

Genau das, so hat der Telegraaf-Konzern jetzt überraschend mitgeteilt, wolle man jetzt tun. Der Sender solle aus gewissen Gründen dann auch nicht Telegraaf heissen sondern „Wakker Nederland“. Wobei „De krant van wakker Nederland“ seit vielen Jahren der Werbespruch der Zeitung ist.

Kurioserweise hat De Telegraaf zwei heisse Eisen im Feuer. Die freche Website „Geenstijl“, der populärste Blog der Niederlande und nach einer Übernahme Teil des Telegraaf-Konzerns, will nämlich in der gleichen Zeit auch einen öffentlich-rechtlichen Sender starten. Name: Powned. Die haben von den benötigten 50.000 Mitgliedern bereits 31.025 zusammen, werden es also wahrscheinlich schaffen.

De Telegraaf wohl auch. Die versuchen es mit einem Trick. Alle Abonnenten, De Telegraaf verkauft um die 700.000 Zeitungen (ein Großteil an Abonnenten, obwohl die Zeitung wie ein Boulevardblatt aussieht) können kostenlos Mitglied werden – die 5,72 Euro werden ihnen nämlich über die Abo-Rechnung gut geschrieben.

Bei den bestehenden öffentlich-rechtlichen Sendern dürfte sowohl der Telegraaf- als auch der Geenstijl-Sender aus zwei Gründen unwillkommen sein. Zum einen ist wohl klar, dass beide Titel im Gegensatz zu den öffentlich-rechtlichen Nachrichten-Sendungen und -Magazinen einen anderen politischen Grundton haben. In Hilversum, wo die heutigen öffentlich-rechtlichen Sender (genau wie RTL) ihren Sitz haben, herrscht eine „linke Denke“ vor. De Telegraaf und Geenstijl sind eher rechts gestrickt. Zum anderen ist es eine finanzielle Frage. Henk Hagoort sagte im Namen der NPO (Nederlandse Publieke Omroep), dass das Budget für alle öffentlich-rechtlichen Sender zusammen nun einmal insgesamt 600 Millionen Euro sei. Wenn also neue Spieler dazu kommen, dann bleibe eben für alle weniger Geld übrig.

Und dann sollten wir noch erwähnen, dass die Telegraaf-Gruppe 6 Prozent an ProSiebenSat1 hält, dass in den Niederlanden Eigentümer der Senders SBS 6, Net 5 und Veronica ist.

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