vonImma Luise Harms 23.10.2009

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Ein blog über das Schlachten unserer Wollschweine vor zwei Jahren hat eine sich über Monate hinziehende Ejakulation der Abscheu von Tierrechtlern über dieser Seite niedergehen lassen.
Jetzt zum Rind.

M. aus der Märkischen Schweiz hat eine kleine Highlander-Herde. Die zotteligen Tiere grasen zwischen den Streuobstwiesen und auf kleinen Auenstücken. Das reicht gerade für die acht Tieren. Aber es dürfen nicht mehr werden. Ein Jungbulle muss geschlachtet werden, bevor er weitere Highlander-Kälbchen produziert. M. fragt an, ob wir ein ganzes Tier nehmen würden. Seine Preisvorstellung ist hoch, aber angemessen. Rindfleisch von einem Tier, das ein glückliches Leben auf der Wiese verbracht hat, das auch dort sterben wird (“mit Heu im Maul”, wie M. sagt), das sollte auch anderen den Preis wert sein. Wir denken, das wird sich unter denen verteilen lassen, die gutes Fleisch bevorzugen.

Das Fleisch wird beim Schlachter “vom Haken” verkauft. D.h. es ist abgezogen und ausgenommen und eine Woche abgehangen. Der Schlachter viertelt es noch; der Rest ist unsere Sache. Aber wo ist was beim Rind? Bratenfleisch, Schmorfleisch, Kochfleisch?
Ich berate mit mit Frau L. Sie haben auch eine Highlander-Herde, schlachten ab und zu ein Tier und zerlegen es. Frau L. rät dringend ab, sich Viertel-Rinder in die Wohnung zu holen. Alleine die Knochen zu zerlegen, wäre eine unglaubliche Arbeit. Wie wollen wir die kleinkriegen? Man braucht dazu eine Bandkreissäge. Außerdem: Rouladen schneiden, die sehnigen und fettigen Teile zu Hackfleisch verarbeiten, alle Fleischroten richtig zuordnen. Sie würde uns ja ihre Geräte dazu leihen.
Wir fragen beim Schlachter nach: Er würde das Fleisch auch kleingemacht weitergeben, kostet natürlich extra. Vor allem: die Knochen zersägen.

Was tun mit dem Fell? Die Highlander haben ein wunderbares langes Fell, das im Wind weht wenn sie über die Weide traben. Sie haben auch wunderschöne lange Hörner, die ihnen – anders als bei den meisten Rindern hier – gelassen werden.
Die nur gesalzenen und getrockneten Felle werden hart wie Bretter. Das Zottelig-Weiche geht dabei verloren. M. macht aus den Häuten Wandteile für seine Tipis; er ist in einer seine vielen Identitäten Indianer. L.’s verwerten die Felle ihrer Tiere überhaupt nicht. Die bleiben beim Schlachter, der sie wegwirft oder auch irgendwohin weitergibt. Könnte man die nicht gerben? Gerben ist teuer. Frau L. winkt ab. Sie hat eine persönliche Beziehung zu ihren Tieren. Essen geht, aber das Fell unter den Füßen ist ein bißchen viel: “Ich will Cora eigentlich nicht vorm Kamin liegen haben”.
Wir kennen den Jungbullen von M. ja nicht persönlich und ziehen Erkundigungen über die Gerber-Preise in Polen ein. Tatsächlich sind sie etwa ein Drittel so hoch wie hier. Man könnte den Versuch wagen.

Alle mit der Highlander-Verwertung zusammenhängenden Fragen werden in verschiedenen Freundes- und möglicherweise Abnehmer-Kreisen ausgiebig besprochen. S., ein kluger Junge aus der Nachbarschaft, gibt zu bedenken, dass das Gerben in Polen vielleicht deswegen billig ist, weil die es mit dem Umweltschutz nicht so genau nehmen. Er kennt einen Tierpräparator, der nebenbei auch Felle gerbt. Den könnte man auch fragen. Wir müssen also weitere Informationen einholen, um in der Verwertung alles zu bedenken. Mal wieder steht Gebrauchswert gegen Tauschwert. Das schöne Fell der Highlander kann man doch nicht wegwerfen. Aber polnische Bäche damit verschmutzen oder viel Euros auf deutsche, artgerechte Gerbertische legen, das ist es auch wieder nicht wert.
Die Fellfrage bleibt unentschieden. Der Termin für die Fleischvergabe steht. Hoffentlich gibt es genug Interessenten. Oder genug Platz in der Truhe.

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