vonBenjamin Kiersch 23.01.2010

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Die Regierung hatte vorgesorgt, dass die Feierlichkeiten zur zweiten Amtseinführung von Evo Morales ein Volksfest werden würde: Zwei Tage vor dem Staatsakt wurde der 22. Januar als „Geburtstag des plurinationalen Staats“ per Dekret zum nationalen Feiertag erklärt, und allen Arbeitern und Angestellten wurde freigestellt, am 21. Januar zum Festakt nach Tihuanaco zu fahren, wo Evo Morales nach Tradition der Aymara zum Apu Mallku, dem „geistlichen Oberhaupt“ des sekulären Bolivien gekürt wurde.

Gestern legte Morales, der im Dezember mit 64 Prozent wiedergewählt worden war,  in einer zweistündigen Rede vor dem Parlament Rechenschaft über seine erste Amtszeit ab. Dabei stellte er die Erfolge seiner Regierung heraus, die er als „das beste Kabinett aller Zeiten“ bezeichnete: die Demokratisierung des Landes, die Integration der ländlichen Bevölkerung und Indígenas in politische Entscheidungsprozesse, den Ausbau des Gesundheitssystems, vor allem in ländlichen Gebieten, die Konsolidierung der Staatsfinanzen durch Verstaatlichung wichtiger Wirtschaftszweige wie der Öl- und Gasindustrie. Aber er benannte auch auf Probleme, mit der seine Regierung zu kämpfen hatte, insbesondere die Korruption, die er als Relikt der kolonialistischen Herrschaft bezeichnete. Es sei ihm nicht gelungen, den alten Grundsatz der Inkas „Ama Sua“ – „Du sollst nicht stehlen“ – zu verwirklichen.

In einer beeindruckenden Rede legte Vizepräsident Alvaro García Linera die Grundsätze des neuen, „integralen“ Staats dar, den die Regierung von Evo Morales zu konstruieren sucht. Insbesondere hob er die Integration zwischen den Völkern Boliviens, sowie zwischen Mestizen und Indígenas hervor. 180 Jahre lang sei Bolivien nur ein „virtueller“ Staat gewesen, in dem die Interessen der indigenen Mehrheit nicht vertreten gewesen seien. Als weiteren Grundsatz benannte García Linera die Umverteilung des Reichtums Boliviens, der öffentlichen Güter. Es sei Ziel der Regierung, dass alle Bürger ein „gutes Leben“ haben sollen. „Unsere Idee eines modernen Staats, die wir unter der Führung des Volkes entwickeln, unterscheidet sich sehr von der kapitalistischen Modernität, und wir müssen sie benennen. Der Horizont unseres Staates ist ein sozialistischer Horizont“.

Die Herausforderungen auf dem Weg zu diesen Zielen sind enorm. Bolivien ist nach jahrzehntelanger Klientelwirtschaft eines der ärmsten Länder Lateinamerikas. Zwei Beispiele von vielen: In Bezug auf die Umverteilung wird die Regierung zeigen müssen, dass die Staatseinnahmen aus dem Öl- und Gasgeschäft in den Ausbau von Infrastruktur fließen, die den Menschen langfristig ein „gutes Leben“ ermöglichen. Viele Bolivianer haben auch nach den ersten fünf Jahren unter Evo Morales keinen Zugang zur sauberem Trinkwasser. Was die Integration angeht, wird ein wichtiges Thema in den nächsten fünf Jahren der Zugang zu Bildung sein, besonders für die Bevölkerung im ländlichen Raum: der Qualitätsunterschied zwischen den Schulen in der Stadt und auf dem Land ist nach wie vor riesengroß. Auch hier sind millionenschwere Investitionen nötig, sowohl in die Infrastruktur, als auch zur Erhöhung der äußerst bescheidenen Lehrergehälter.

Die beindruckenden Wahlergebnisse vom Dezember 2009 zeigen, dass die große Mehrheit der BolivianerInnen Evo Morales vertraut, in zentralen Politikbereichen wie den genannten messbare Fortschritte zu erzielen, und so den hoch gesteckten Zielen der Regierung näher zu kommen.

In diesem Sinne: Viel Erfolg, Evo!

Alle Fotos: Agencia Boliviana de Información

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