vonErnst Volland 11.11.2008

Vollands Blog

Normalerweise zeichnet, schneidet, klebt Ernst Volland, oder macht Bücher. Hier erzählt er Geschichten.

Mehr über diesen Blog

Shawarma, eine „Original Berliner Delikatesse“.

Der Berliner Winterfeldplatz ist über die Stadtgrenze hinaus bekannt für seinen vielfältigen Markt, der besonders am Samstag auch zum Flanieren einlädt. Direkt am Platz befindet sich das Habibi, ein arabisches Stehrestaurant, mit zwei Sitzreihen vor der Tür aus rohen Holzbalken, die im Sommer immer besetzt sind. Das meist verkaufte Essen ist das Shawarma, für das man oft anstehen muss. Man kann eine beliebige Tageszeit wählen, ab 10 Uhr, ist das Habibi voll. Ein gutes Zeichen, und auch hier bestätigt sich der Chinese: Wenn viele drin sitzen, sollte man reingehen. Jedoch nicht nur Chinesen sind hier schon um 10 Uhr früh anzutreffen, auch einige der Berliner Spitzenköche sitzen vor dem Habibi und lassen sich ein Shawarma schmecken, starke Kost für den langen Tag und die lange Nacht.

Mehrere dunkelhäutige Männer (ausschließlich Männer) mit Dreitagebärten, bedienen mit flinken Greifgabeln die hungrigen Esser. Die hell erleuchtete Vitrine zeigt alle frischen Köstlichkeiten, die rasch wieder aufgefüllt werden. Gebackene Fladenauberginen, Tomaten, Oliven, Süßes.

„Mit allem?“ oder „Mit Soße?“ sind die häufigsten Fragen. „Mit allem“ ist:

Ein warmes helles Fladenbrot, auch Pitabrot genannt, das handtellergroß und flach eine Öffnung hat, in die das Hühnerfleisch geschoben wird. Das Fleisch wird wie bei einem Döner von einem großen Spieß in kleinen Stücken abgeschnitten. Es ist speziell mariniert. Auf das Fleisch im Pitabrot werden Zwiebeln, frische Gurkenscheiben, Tomatenstücke und 1 Peperoni gestopft. Ganz oben auf das Gemüse kommt, je nach Wunsch, eine kleine Kelle Soße. Die Soße besteht aus Jogurt, Sesam und einem Spritzer Zitrone. Alle Elemente bekommen ihre klar umrissenen Räume und bleiben im Akkord immer auch individuelle Potenz. Das zarte Hühnerfleischaroma und die wohl komponierten, gemüsigen und präzise dimensionierten Beigaben erzeugen eine ungewöhnliche Balance zwischen Fleisch und Frische

Der gefüllte Fladen wird in derbes graues Papier gewickelt und für 2,50 Euro in die Hand gedrückt. Die lange Schlange verschwindet rasch, aus einem Lautsprecher tönen Schlangen beschwörende Melodien, man fühlt sich wie auf einem Basar im Vorderen Orient. Diese griffige und herzhafte komplette Mahlzeit, die jedem Doppelwopper vorzuziehen ist, kommt jedoch nicht vom Euphrat und Tigris, sondern aus der Türkei, aus Anatolien. „Cevirme“ heißt in Anatolien drehen. Daher auch die Ähnlichkeit mit dem Döner, dessen Fleisch anders gewürzt ist und auch die Gemüsebeilage differiert.

Der schwarze Tee im Glas ist gratis und er schmeckt. Frisch gepresster Orangensaft, noch mit der Hebelpresse mittelalterlich gepresst, 1,50 Euro das Glas. Noch einmal zum Mitschreiben: 1 Shawarma, 1 Glas Tee und ein frisch gepresster Orangensaft für 4 Euro. Da staunen selbst die anwesenden mampfenden Sterneköche über das Preis-Leistungs-Verhältnis.

„Ei verbübsch“, „das gibbsdochgarnisch“ und „e bees Ding, sauaguat“, sind nur einige der spontan geäußerten Kommentare von Seiten der Spitzenköche.

Tee, Shawarma und ein Glas frisch gepresster Orangensaft, besonders zu empfehlen nach einer Darmspiegelung. Herrlich.

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/vollandsblog/2008/11/11/original_berliner_delikatessen/

aktuell auf taz.de

kommentare

  • Carramba! Döner, Shawarma, Winterfeldtmarkt – das ist so heimatlich wie Zwiebelrostbraten mit Spätzle, Maultaschen und Wurstsalat.
    Zum taz-Fest komm’ ich und fress’ mich durch alles durch, Currywurst inklusive. Dann heißt es adiós Dieta mediterránea!

    P.S. : Por favor, nun sag uns doch endlich, wer der Mann ist!
    Saludos

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert