Unsere Straße
Die Rheingaustraße macht ihrem Namen alle Ehre. Links und rechts reihen sich an der gesamten Straße entlang hohe Kastanien. Im Frühjahr, wenn die ersten Knospen herauskommen, benutze ich diese Straße mit meinem Fahrrad, obwohl die Fahrt durch diese Allee meist ein Umweg ist. Der Bezirk, in dem sich diese Straße befindet, liegt mitten in Berlin und es ist eine Lust unter dem grünen Dach der Kastanien diese meist nicht befahrene Straße zu benutzen. An ihr liegen nur zwei Kneipen, aber auch zwei Schulen, eine mit einem großen Spielplatz. Es ist wieder Frühling und diesmal führt mich mein Weg erneut durch die Rheingaustraße. Heute liegt mein Ziel in der Nähe der Straße und die Strecke ist für mich kein Umweg. Die Blätter der Kastanien sind noch zartgrün, die Sonne schimmert durch die Baumkronen, nur eine Frau mit einem Kleinkind auf dem Fahrradsitz fährt mit mir die leicht abschüssige Straße entlang. Das sanfte und ruhige Gleiten der Räder wird durch ein nervöses Hupen eines Autos im Rücken durchbrochen. Ich halte an, da ich im Auto einen Bekannten vermute. Ich beuge mich zum Fenster des kompakten, aber sportlichen roten Wagen herunter und sehe zwei mir unbekannte Männer mittleren Alters, die Trainer in einem Fitness Studio sein können, braungebrannt, schwarzes T- Shirt und muskulös. Der Fahrer spricht mich an.
„Ei du Penner, weißt du nicht das das unsere Straße ist?“
Ich spiele den Hörgeschädigten und frage
„Wie bitte?“
„Du Arschloch solltest wissen, dass diese Straße für uns da ist und nicht für Fahrradfahrer.“
Wieder reagiere ich, als ob ich nichts verstehen kann. Ich beuge den Kopf näher zum Beifahrer, der durch mich durchblickt und nichts sagt.
„Blödmann. Verpiss dich du Penner.“
Der Motor heult auf und schon biegt der rote Wagen um die Ecke. Die Kastanienallee ist zu Ende und ich fädele mich ein in die große Verbindungsstraße, auf der eine Markierung für Fahrradfahrer eingezeichnet ist. Im Fahren fallen mir etliche Antworten ein, die ich dem Fahrer des roten Wagens gern gesagt hätte.
„Aber die Hörgeschädigtennummer war auch nicht zu verachten,“ murmelte ich im Fahren. Niemand hörte mir zu.
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