Dana Schutz hat dieses Bild gemalt. Titel Open Casket (offener Sarg).
Es hängt zur Zeit im Whitney Museum New York.
Das Bild löste eine Kontroverse aus. Die in Berlin lebende britische Künstlerin Hannah Black verlangt in einem offenen Brief an das Museum die Abhängung und Zerstörung des Bildes.
„It is not acceptable for a white person to transmute Black suffering into profit and fun, though the practice has been normalized for a long time. Although Schutz’s intention may be to present white shame, this shame is not correctly represented as a painting of a dead Black boy by a white artist—those non-Black artists who sincerely wish to highlight the shameful nature of white violence should first of all stop treating Black pain as raw material. The subject matter is not Schutz’s; white free speech and white creative freedom have been founded on the constraint of others, and are not natural rights. The painting must go.“
Das ist der Künstler Parker Bright. Er stellt sich demonstrativ täglich vor das Bild. Hannah Black und Parker Bright, so wie andere, werfen der weißen Künstlerin Dana Schutz vor, sich am das Schicksal des ermordeten 14 jährigen Emmett Till bereichert zu haben. Black Death Spectacle steht auf dem Rücken von Parker Bright.
Das ist Emmett Till. Er starb am 28. August 1955.
Emmett Tills Sarg war auf Wunsch der Mutter öffentlich zugänglich.
Das sind die Täter. Roy Bryant und John William Milam. Die Täter hatten versucht, den Leichnam mittels eines 30kg schweren Ventilators einer Baumwollmaschine, den sie mit Stacheldraht am Hals des Opfers befestigt hatten, im Fluss zu versenken. Dem Toten fehlte ein Auge, die Nase war gebrochen, und er wies mehrere Wunden am Körper sowie ein Einschussloch an der rechten Seite des Schädels auf. Bei der Obduktion stellte der Gerichtsmediziner Chester Miller aufgrund des in der Lunge gefundenen Wassers fest, dass Till nach dem Kopfschuss offenbar noch gelebt hatte.
Die Täter wurden von einem rein mit Weißen besetzten 12 köpfigen Jury freigesprochen. Ausgangspunkt dieses rassistischen Mordes war eine angebliche intime Annäherung von Emmett Till, als er sich im Laden von Carolyn Bryant befand, der Frau von Roy Bryant. Diese Intimität fand nie statt, wie sich Jahrzehnte später herausstellte. Emmett Till hatte der Ladenbesitzern lediglich ein Kompliment gemacht, genug Grund für die Täter Lynchjustiz auszuüben. Das Foto des Ermordeten wurde zur Ikone innerhalb der schwarzen Commmunity. Bob Dylan komponierte einen Song, andere Künstler folgten.
Das Bild Open Casket wird weiterhin im Museum gezeigt.
Die Malerin verteidigt ihr Motiv mit dem Argument, sie habe es für die Mutter von Emmett Till gemalt, da sie selbst eine Mutter sei und sie durch dieses Bild ihren Schmerz teile. Sie lehnt das Argument von Hannah Black ab, sich am Leiden anderer bereichert zu haben. Im Gegenteil, sie sieht ihren Beitrag eher als Solidarisierung mit der Mutter.
Man könnte fragen, warum sie nicht ein Portrait der Mutter gemalt habe, anstatt ein Bild, das an den toten Sohn erinnert.
Jeder Künstler sollte die Freiheit der Motivwahl haben, jenseits von Hautfarbe, Religion und Nationalität. Das Bild von Dana Schutz hängt in einem Museum. Es kann von Besuchern angesehen und begutachtet werden, wie alle anderen Bilder. Das Bild von Dana Schutz ist kein gutes, kein bedeutendes, weil es durch die Art der Ausführung weit hinter das Originalfoto des toten Emmmett Till im Sarg zurück fällt. Kolja Reichert fragt in der FAZ vom 8. Mai 2017, warum Schutz nicht das Originalfoto in die Ausstellung gehängt habe, „warum sie sich mit ihrer Malerei davorgestellt“ habe. Die Frage bleibt eine Frage, unbeantwortet.
Antwort: Mit der Auswahl eines Originalfotos kommt man nicht an die Wände eines Kunstmuseums. Es fehlt die künstlerische Leistung. Diese Leistung hat die am Kunstmarkt sehr hoch dotierte Künstlerin durch malerische Bacon-Zitate, cartooneskes Verzerren und bunter Malerei erbracht. Doch, es ist zu wenig.
Ich beschäftige mich künstlerisch mit Originalfotos. Es sind Fotos des kollektiven Gedächtnisses mit politischen und gesellschaftlichen Themen, die ich durch Unschärfe verfremde und so zu visuellen Rätseln mache. Die über Jahre hinweg entstandene Serie nenne ich „Eingebrannte Bilder“.
Auch das Foto von Emmett Till wäre ein Motiv für meine Serie. Es war mir nicht bekannt. Allein aus diesem Grund ist für mich die Diskussion um das Bild fruchtbar. Das Foto ist eine Ikone der amerikanischen Geschichte, der schwarzen Community und darüber hinaus. Ich weiß nicht, ob Dana Schutz die Diskussion über ihr Bild Open Casket und damit über Foto und Schicksal von Emmett Till intendiert hat oder naiv in diese hineingeschlittert ist.
Ernst Volland, 2001, LUM 100x, 140 cm
Das Bild hat etwa das gleiche Format wie Schutz’s Open Casket. Man sieht eine von weiß über grau ins schwarz changierende Fläche. Sie ist nicht gemalt, sondern fototechnisch generiert. Jeder Betrachter stellt mit diesem Motiv einen eigenen Dialog her. Die ästhetische Verfremdung zieht ihn in das Bild hinein, es arbeitet in seinem Kopf und korrespondiert dort mit dem Originalfoto, das sich ebenfalls, jedoch unsichtbar auf der Fläche befindet. Je nach Herkunft und kultureller Erfahrung löst sich das visuelle Rätsel, oder auch nicht.
Durch die Interaktion tritt im Gedächtnis das Originalfoto deutlich hervor und überlagert dann die changierende Fläche. Einmal erkannt immer erkannt.
Das eigentliche Kunstwerk befindet sich im Kopf.
Ich kann mir nicht vorstellen, jemals einen Brief in der Art von Hannah Black zu bekommen und auch nicht, dass sich jemand demonstrativ vor das Bild stellt, um dagegen zu opponieren.
Originalfoto. Ich überlasse es dem Betrachter, ob er sich mit dem Thema des Originalfotos näher vertraut macht. In diesem Fall ist es die Ermordung von Patrice Lumumba, dem ersten freigewählten Präsidenten des Kongos, 1961.
In den Ausstellungen werden die Originalquellen nie gezeigt. Im Gegenteil, ich verbiete das Zeigen. Hier eine Ausnahme.
„Lumumba und seine Gefolgsleute Okito und Mpolo wurden gefoltert. Danach erschienen seine politischen Gegner Tschombé, Kimba und belgische Politiker, beschimpften die Gefangenen und spuckten sie an. Am 17. Januar 1961 wurden Patrice Lumumba und seine zwei Getreuen von katangischen Soldaten unter belgischem Kommando erschossen und zunächst an Ort und Stelle vergraben. Um die Tat zu vertuschen, wurden die Leichen wenige Tage später exhumiert. Lumumbas Leichnam wurde zerteilt, mit Batteriesäure aufgelöst, die von einer belgischen Minengesellschaft bereitgestellt worden war, und schließlich verbrannt. Die Tötung wurde Dorfbewohnern angelastet (Lumumba assassiné par des villageois). Die meisten Medien aber gaben Tschombé die Schuld.
Die belgische Regierung unterstützte Lumumbas Gegner im Kongo logistisch, finanziell und militärisch. Ein Teil der Schuld wird König Baudouin zugeschrieben, der unter Umgehung der politischen Instanzen seine eigene postkoloniale Politik betrieben haben soll.
Ältere Untersuchungen waren zu dem Ergebnis gekommen, dass die Tötung Lumumbas direkt von den Regierungen Belgiens und den USA angeordnet und vom amerikanischen Geheimdienst CIA und örtlichen, von Brüssel finanzierten Helfern ausgeführt wurde“. (Wikipedia)
Ein weiteres Beispiel. Ernst Volland, 1998, MEX68, 140 x 100 cm
Originalfoto