vonErnst Volland 30.04.2021

Vollands Blog

Normalerweise zeichnet, schneidet, klebt Ernst Volland, oder macht Bücher. Hier erzählt er Geschichten.

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Peter von der Silie

An einem lauen Frühlingsabend radelte ich ein paar Straßen in meinem Viertel zu Freunden, die ein Händchen besitzen für eine feine Küche. Eine kühle Weissweinflasche aus meinem Bestand hatte ich in meine Fahrradtasche gelegt, einen Riesling von der Mosel, denn ich wußte, heute werden Muscheln serviert. Das ältere Pärchen, ein halbes Jahrhundert schon liiert und verheiratet, lebt in einem bürgerlichen Ambiente. Alles ist an seinem Platz, nie ist eine Staubflocke zu sehen, immer jedoch frische Blumen. Das Paar kocht arbeitsteilig, je nach Veranlagung. Sie isst nicht gern Fleisch, er hält sich zurück beim Kuchen backen. Die Miesmucheln werden in einem hellen, wohlriechenden Sud gekocht, insgesamt eine einfache Sache, wie sie mir sagen, aber ich weiß, dass das Einfache gerade das Schwierige sein kann.

Den Einkauf bewältigen sie gemeinsam, beide achten penibel auf die Qualität der Produkte. Man kann sie durchaus als Feinschmecker bezeichnen. Selten gehen sie in ein Restaurant, gekocht wird nahezu immer zu Hause. Ich gehe gern zu den beiden Kochexperten, lerne neues und viel über Zutaten und Produkte, auch über Wein. Der Tisch ist bereits gedeckt, feine weiße Teller, Tafelsilberbesteck, Stoffservierten. Der Duft der Muscheln verbreitet eine angenehme Atmospähre. Sie kommen in einer großen Schüssel auf den Tisch. Er setzt den heißen Topf in einem heftigen Schwung auf die gusseiserne Unterlage. So heftig, dass beinahe die Soße über den Rand des Topfes geschwappt wäre. Sie sitzt mir gegenüber und schaut ihn an.

Sie will die Petersilie separat, das geht garnicht!“

Er blickt mich mit zugekniffenen Augen an.

Die Petersilie muss kurz vor dem servieren in die Muscheln untergemengt werden, das ist doch klar.“

Sie hatte sich vorab Petersilie kleingeschnitten und in einer Glasschale neben ihren Teller gestellt.

Jedes Mal, wenn wir Muscheln machen, will sie die Petersilie separat und selbst nur ihrer Portion untermengen. So ein Blödsinn.“

Ich schaute in den Muscheltopf. War die Petersilie schon untergemengt oder war sie es noch nicht?

Was meinst du?“ Er schaute mich fragend an. „Das ist doch klar und, das sagen auch die Experten. Die Petersilie muss, ja muss, kurz nach dem Kochgang untergemengt werden und nicht separat auf den Tisch kommen.“

Ich blickte sie an. Mit zwei Fingern drehte sich die kleine Glasschale hin und her.

Ich kann ja zum Beweis ins Internet schauen und es ausdrucken.“

Er legte die Schöpfkelle auf seinen Teller und verschwand in seinem Zimmer.

Warum benutzt er denn nicht sein Handy?“

Vom Handy kann er es nicht ausdrucken.“

Den Riesling habe ich erst kürzlich entdeckt, von einem Winzer aus Winningen, nicht weit von Koblenz entfernt. Heymann Löwenstein.“

Wir stoßen an.

Auf einen wunderbaren Abend,“ sagt sie. „Schön, dass du gekommen bist.“

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