Mit dem Fahrrad über den Alexanderplatz auf den Prenzlauer Berg.
Das Barometer zeigt ein Grad unter Null. Die breite Straße, die dreispurig angelegt wurde, überläßt Bussen und Fahrradfahrern rechts einen breiten großzügigen Streifen. Es ist etwa 11 Uhr vormittag, diesig und kalt.
Nur selten passiert ein Auto. Die sonst sehr belebte Straße ist nahezu menschenleer. Es ist Corona Zeit, wir befinden uns in der Mitte des ersten Jahres der Pandemie. Noch halten sich alle an die unsicheren
Vorschriften, viele bleiben zu Hause. Vor mir tauchen von rechts kommend zwei Radfahrer auf, in hellgrünen Overalls, schwarzen engen Hosen, behelmt. Beide halten kurz vor der Fußgängerampel, die über den breiten Damm führt, es wird grün, sie überqueren die Fahrbahn und ich denke, so müßte man als Fahrradfahrer eigentlich ausgerüstet sein. Die Ampel vor mir schaltet auf Rot, ich radle weiter, als sich einer der Radfahrer umdreht und ruft: Halt, halten Sie, Sie sind bei Rot über die Ampel gefahren. Jetzt erst bemerke ich, dass es sich bei den beiden Radfahrern um eine neue, mir nicht bekannte Spezies handelt. Vor mir stehen zwei Fahrradpolizisten, gerade auf der Pirsch.
Und richtig, ich hattes es nicht bemerkt. Auf ihrem grünen Rücken prankt in schwarzer Schrift: Polizei. Ich halte an. Es ist nicht das erste Mal, dass mich eine Streife kontrolliert oder mir ein Vergehen vorwirft, jedoch noch nie in solch schickem Aufzug.
„Absteigen, Personalausweis. Das wird teuer.“ Der Polizist parkt sein Fahrrad direkt neben mir und zückt einen Bleistift und Schreiblock.
Die Kollegin, identisch gekleidet, steht neben ihm und sagt bis zum Schluss der Begegnung keinen Ton.
„Bei Rot über die Ampel, das kostet Sie sogar einen Punkt in Flensburg.“
„Ich fahre seit 16 Jahren kein Auto mehr, das juckt mich nicht.“
„Aber die 120 Euro sicherlich.“
„Es ist sehr kalt, hier fährt so gut wie kein Auto. Ich fahre seit 50 Jahren Fahrrad und habe niemanden gefährdet.“
„Das ist richtig, denn dann hätte es das Doppelte gekostet, 240!“
„Das ist ja ein Spaß, muss das wirklich sein?“
Da sehe ich, wie eine Radfahrerin auf dem Bürgesteig neben uns vorbei fährt.
„Und was ist mit der Radfahrerin? Warum schreiben Sie die nicht auf?“
„Wir beschäftigen uns gerade mit Ihnen, eins nach dem anderen.“
„Und was hätte ich zahlen müssen, wenn ich auf dem Bürgersteig gefahren wäre.“
„20 Euro kostet das.“
„Darf ich ein Foto von Ihnen machen?
„Aber gern.“
Die beiden Polizisten drehen sich um und zeigen mir ihren Rücken.
Dann wünschen sie mir einen guten Tag und gehen wieder auf die Pirsch.
Ein paar Wochen später liegt ein Brief in meinem Briefkasten mit einer Zahlungsaufforderung von 128 Euro.
Absurdistan.