vonErnst Volland 18.05.2023

Vollands Blog

Normalerweise zeichnet, schneidet, klebt Ernst Volland, oder macht Bücher. Hier erzählt er Geschichten.

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Kapitel 8

Charlotte scheint die perfekte Partnerin zu sein. Als sie in der Galerie zu arbeiten begann, schlich sie ein wenig um mich herum, zog sich dann aber schnell zurück, weil sie feststellte, dass ich eine feste Beziehung hatte. Unsere Beziehung pendelte sich auf der Kumpelebene ein. Eigentlich kann ich nicht verstehen, dass sie schon fünf Jahre Single ist. Sie hat durch den frühen Tod ihres Vaters drei Mietshäuser geerbt, ist finanziell unabhängig und arbeitet nur aus Spaß. Die letzte, schwierige Beziehung hatte sie mit einem Schriftsteller, der vor ihrer ersten Begegnung ein erfolgreiches Popbuch veröffentlichte. Das zweite Buch kaufte jedoch niemand. Da zeigte sich eine lang anhaltende Schaffenskrise und Charlotte zögerte, ob sie sich von dem Schriftsteller trennen sollte, da dieser mit seinem jahrelangen Ausbleiben der erfolgreichen Fortsetzung seiner Karriere nicht zu recht kam und sich immer öfter betrank. Als sie sah, wie ihr Partner jeden Morgen eine Flasche Wodka wie Apollinaris schluckte, gab sie mit der Hilfestellung von zwei Freundinnen die Beziehung auf.

Ich schaue auf den üppigen Körper von Charlotte. Vielleicht ist sie ab heute doch eine Alternative, denke ich, und schütte den Zucker auf die Crema. Der Zucker bleibt tatsächlich einen Augenblick liegen und verschwindet dann von der Oberfläche, ein schöner Anblick. Ja, Charlotte hat ihre positiven Seiten, sie ist eigentlich eine gute Partie, sehr wohlhabend, und falls wir uns zusammen tun, könnte ich vielleicht mehr Energie in meine künstlerische Arbeit investieren und müsste nicht jeden Tag in diese alberne Galerie gehen und andere Künstler vertreten. Aber bevor es zu solchen Annäherungen kommen konnte, fühle ich mich mental wie angekettet an Carol. Ich befinde mich in einer tiefen Mulde, aus der ich vorerst nicht so leicht heraus komme. Der Aufenthalt in dieser Mulde entfernt mich automatisch von Charlotte, so anziehend ich ihre körperlichen Rundungen auch empfinde. Charlotte ist gerade jetzt keine Alternative, sie ist eher ein Rettungsanker ohne Schiff. Ich darf jetzt keine Fehler machen und nicht versuchen, irgendwie unter ihr Dach zu kriechen, weil sie aktuell keine Beziehung hat.

Außerdem mag ich ihr Parfum nicht, ich mochte es noch nie, und als ich sie einmal fragte, ob es Chanel Nr. 5 sei, musterte sie mich erstaunt von unten nach oben. Dabei näselte sie einen Satz, ähnlich Comedy-Schauspielern bei SAT1 und RTL, wenn sie meinen, komisch zu sein, und mit gewinkeltem Arm und wackelndem Arsch zwei drei Schritte gehen.

Aber duä, Süßär, wohär weißt du das dänn?“

Kurze Zeit verdächtigte sie mich, schwul zu sein, oder zumindest “bi“, „wenn nicht hundert Prozent schwul“, wie sie meinte. Worauf ich ihr mein frühes Erlebnis verriet, auf das ich mich eingelassen hatte, um heraus zu finden, ob ich homosexuell veranlagt bin, bisexuell oder heterosexuell.

Wir sprachen offen über Liebe oder Sex beim Thai, nur fünfzig Meter entfernt von der Galerie. Als wir die Getränke bestellt hatten, begann ich von meinen ersten schwulen Erfahrungen zu erzählen, um ihr meine Einstellung dazu ein für alle Mal klar zu stellen.

Stell dir vor Charlotte, sagte ich zu ihr und stieß mein Glas mit ihrem zusammen,

Es ist schon ein paar Jährchen her – man sollte früh wissen, wo’s langgeht. Ich stehe an einer Auffahrt Richtung Hannover, um nach Berlin zu kommen. Ein großer Wagen hält abrupt am Straßenrand. Am Steuer des Viertürers sitzt ein Mann in einem braunen Ledermantel.

Steigen Sie ein,“ sagt er, nachdem ich meine Richtung genannt habe. „Ein Stück kann ich Sie mitnehmen.“

Ich werfe meinen Rucksack auf den hinteren Sitz und nehme vorn Platz. Es ist ein ungeschriebenes Gesetz beim Autostopp, sich so zu platzieren, da man sich mit dem Fahrer unterhalten kann. Der schneeweiße Wagen gleitet über die Fahrbahn. Der Motor ist kaum zu hören.

Etwas Musik vielleicht? Wählen Sie doch bitte den Sender.“

Ich drücke auf die Senderknöpfe, bis ich eine mir vertraute Melodie höre. „Hit the Road Jack” von Ray Charles.

Toller Sänger.”

Der Fahrer klopft mit den behandschuhten Fingern auf das Lenkrad. „Richtig toller Sänger.“

Er erzählt mir, dass er in der Schuhbranche arbeitet, Besitzer mehrerer Schuhläden ist und nach Hannover auf die Messe fährt, um sich neue Modelle anzuschauen. Als er erfährt, dass ich im künstlerischen Bereich arbeite, etwas mit Grafik zu tun habe, bietet er mir eine Arbeitsmöglichkeit auf einer Messe an.

Sie könnten doch gut meinen Stand auf der Messe dekorieren, ich meine entwerfen und so etwas. Ich zahle gut.“

Ich lasse ihn im Unverbindlichen, und er wechselt das Thema.

In Berlin, da geht es ja sicherlich drunter und drüber, ich meine mit den Bekanntschaften und, man hört da ja so einiges. Wilde Geschichten.“

Ich zünde mir eine angebotene Zigarette mit dem Feueranzünder an, der am Armaturenbrett steckt. Der Fahrer zieht meine Hand mit dem Anzünder zu sich herüber und drückt die Spitze der Zigarette in das kreisrunde glühende Loch des Anzünders. Dabei schaut er abwechselnd auf die Fahrbahn und auf mich.

Schon mal etwas von homoerotischer Liebe gehört?“

Ich warte einen Augenblick und denke nach.

Meinen Sie schwule Männer?“

Ja, so könnte man das sagen, haben Sie etwas dagegen?“

Nein, überhaupt nicht, jeder soll nach seiner Facon glücklich werden.“

Der Fahrer zieht an seiner Zigarette und schweigt.

Darf ich Sie einmal etwas fragen? Sie müssen die Frage nicht beantworten.“

Sie waren so nett, mich in Ihrem Wagen mitzunehmen, also dürfen Sie auch alles fragen.“

Es handelt sich aber um eine sehr direkte und persönliche Frage.“

Warum nicht!“

Wenn ich jetzt auf den nächsten Parkplatz fahren würde, wären Sie dabei, ich meine, also ein bisschen Liebe.“

Ja, warum nicht, aber umsonst mache ich das nicht.“

Sind Sie mit 50 Euro einverstanden?“

Nein! Das ist zu wenig.“

Hundert Euro.“

Nein.“

Ich kann Ihnen auch 150 Euro anbieten.“

Ich mache es auch nicht für 200, hier am Straßenrand. Das ist nicht mein Niveau. Mein Vorschlag ist, Sie laden mich ein Wochenende in Ihr Haus ein und dann machen wir es uns gemütlich.“

Abgemacht, ich schicke Ihnen ein Ticket und Sie kommen, versprochen?“

Ehrenwort, versprochen, ich komme.“

Nach kurzer Zeit erreichen wir die Abfahrt Hannover, ich steige aus und bin mit einem weiteren Auto bald in Berlin.

Eine Woche später liegt ein Ticket Berlin/Bremen in meinem Briefkasten. Ich bin zu einer Party im Haus des Schuhverkäufers eingeladen. Nach einem Tag sage ich zu. Er holt mich vom Hauptbahnhof ab und parkt direkt vor seinem Haus, einer Villa aus der Gründerzeit, die abgesetzt von anderen Häusern steht. Mit Überraschung sehe ich, wie eine Frau die Tür öffnet und der Schuhverkäufer diese als seine Frau vorstellt. Es ist noch früh am Abend. Ein Zimmer ist mit Girlanden dekoriert.

In ein, zwei Stunden werden drei, vier Gäste kommen. Dann steigt die Party.“

Ich entschuldige mich und gehe aus dem Haus in den Garten. An einem Apfelbaum denke ich nach. Sollte ich lieber gleich wieder abreisen. Die Neugierde überwiegt und ich gehe in das Haus zurück. Die Frau des Schuhverkäufers ist nicht zu sehen. Ich stoße mit einem Glas Champagner mit dem Hausherrn an. Allmählich wird es dunkel und kein Gast kommt.

Dann feiern wir halt alleine, Prost.“

Er schenkt mir ein weiteres Glas Champagner ein.

Meine Frau macht jetzt die Betten und dann dürfen wir.“

Ich dachte Ihre Frau ist dabei, ich meine zu dritt kann auch schön sein.“

In diesem Augenblick wusste ich, es gibt kein Weg mehr zurück, was auch Überraschendes kommen sollte. Ich befinde mich mitten in einem Tunnel, und der Way Out führt nur nach vorn.

Die ist heute unpässlich, wenn Sie verstehen, was ich meine. Frauen haben so ihre Tage. Da haben wir Männer es ja besser. Noch etwas Schampus?“

Ich halte ihm mein Glas hin, er zieht meinen ganzen Arm zu sich herüber und schenkt mir mit einem Lächeln ein.

Morgen zeige ich dir dann die Stadt. Wir bummeln ein bisschen, kaufen etwas Schönes. Du wirst sehen, das wird ganz nett. Und jetzt ins Schlafzimmer, komm.“

Er versucht mich an die Hand zu nehmen, ich wende mich ab, folge ihm jedoch bereitwillig.

Im Schlafzimmer steht ein ganz einfaches Doppelbett, rechts ein großer Schrank. Der Schuhverkäufer knipst die Nachttischlampe an. Der Raum füllt sich mit rotem Licht. Ich kichere. Sieben Gläser Champagner und das rote Licht im Schlafzimmer reizen mich zu dieser Reaktion.

Das ist ja wie im Puff.“

Magst du das Licht nicht? Das ist doch Romantik pur. Kannst du mir einen Gefallen tun? Ziehst du bitte dieses schwarze Neglige an. Du würdest mir eine unglaubliche Freude machen.“

Der Schuhverkäufer holt das schwarze Leibchen vom Bügel herunter und wedelt damit vor meinem Gesicht.

Bitte, zieh das an.“

Ich streife meine Hose und das Hemd herunter, bin nackt und schlüpfe in das Neglige. Es ist kurz wie ein T-Shirt und reicht mir bis zur Hüfte. Mit einem Sprung bin ich im Bett und warte. Ich hätte nie gedacht, dass die Haut eines Mannes so rau ist.

Küssen ist nicht drin. Tut mir Leid, aber das geht nicht.“

Ich schaue auf das Glied des Schuhverkäufers. Es befindet sich in eregiertem Zustand. Ich habe die Erektion erst nicht bemerkt, da sein Penis die Größe meines Mittelfingers besitzt und steif ist.

Ist das alles?“ fragte ich ihn.

Ja. Leider, da ist nicht viel, aber in der letzten Woche war ein ganz bekannter Schauspieler hier. Bei dem ist alles noch kleiner.“

Er rutscht mit diesen Worten ganz nahe an mich heran, ich weiche aus und falle aus dem Bett.

Mir ist übel, ich möchte gehen.“

In diesem Augenblick öffnet sich die Tür des Schranks und ich sehe, wie im Schrank eine mir unbekannte Person steht. Ich reiße meine Kleidung an mich und laufe im Neglige aus dem Haus auf die Straße. Ich laufe und laufe, bis ich so erschöpft bin, dass ich mich hinter einen Busch lege. Ich blicke in den Himmel und sehe das Sternenbild des Großen Wagens.

Dann schlafe ich ein.

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