vonErnst Volland 14.06.2023

Vollands Blog

Normalerweise zeichnet, schneidet, klebt Ernst Volland, oder macht Bücher. Hier erzählt er Geschichten.

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Der Verlust eines wertvollen Paketes ist eine ärgerliche Sache. Vor allem, wenn das Paket ins Ausland versendet wurde. Die Sendungsverfolgung, eine gute Idee, hört in meinem aktuellen Fall an der deutschen Grenze auf, zumindest bei einer der großen Lieferfirmen, nämlich meiner. Doch die Firma bietet online ein Formular an, mit dem Angebot, die Sendung innerhalb der Lieferfirma zu verfolgen. „Bitte nicht anrufen und keine weitere Email schicken“, Formular reicht. Vierzehn Tage vergehen. Keine Antwort. Ich wiederhole die Aktion, suche auf der Website des Anbieters eine Telefonnummer, vergebens. Weitere Vierzehn Tage vergehen, wieder keine Antwort, kein Ansprechpartner. Ein guter Moment, schlechte Laune zu bekommen. In meinem versendeten Paket befinden sich diverse seltene Bücher und das Foto eines bekannten Fotografen, signiert. Bücher und Foto sind bestellt von Kunden, die meine noch laufende Ausstellung in Lissabon besucht haben. Pakete sind bis zu 500 Euro versichert. Mein Inhalt hat mehr als den doppelten Wert. In einem weiteren Formular kann man versuchen, die 500 Euro durch Belege erstattet zu bekommen. Aber wie will man einzelne Bücher, die vor 20 Jahren gekauft wurden belegen. Noch schwieriger wird es bei einem signierten Foto, das vor 30 Jahren direkt beim Fotografen in Moskau erworben wurde. Ich wechsele auf Empfehlung den Anbieter und schicke eine ähnliche Sendung in zwei Paketen. Das bedeutet doppelte Gebühr. Eines der beiden Pakete wird sicherlich Lissabon erreichen.

Für die kiloschweren Pakete benötige ich eine entsprechende Waage, die ich nicht habe. Ich gehe ein Stockwerk tiefer und klingel bei meiner freundlichen Nachbarin, Frau Wald. Sie verfügt über die exklusive Schlüsselgewalt für meine Wohnung, wenn ich verreist bin und das bin ich oft. Ich war noch nie in ihrer Wohnung. Wir erledigen unsere Konservation immer vor ihrer Tür. Frau Wald holt eine Waage, Modell 70er Jahre, aus dem Inneren ihrer Wohnung und drückt sie mir in die Hand. Ich bedanke mich und stelle in meiner Wohnung beide Pakete nacheinander auf die Waage. Sie funktioniert, zeigt aber das Gewicht nicht richtig an. Der Betrag ist viel zu niedrig. Nach mehrmaligen prüfen des Gerätes bringe ich die Waage zurück. Frau Wald geht in das Innere ihrer Wohnung und bringt mir eine weitere Waage, Modell 60er Jahre. „Probieren Sie diese mal“. Dann stellt sie die Waage auf den Boden, testet sie. Sie funktioniert. Ich stelle meine Pakete in meiner Wohnung auf die Waage. Bei mir funktioniert sie nicht. Ich drehe und wende das Gerät, probiere erneut. Sie funktioniert nicht. „Wahrscheinlich ist die Batterie zu schwach“, meint Frau Wald, als ich ihr die Waage wieder zurück gebe. Sie geht in das Innere und ich denke, sie holt für diese Waage neue Batterien. Nach kurzer Zeit kommt sie mit einer dritten Waage zurück, Modell 50er Jahre. Wir testen sie vor ihrer Tür. Sie funktioniert. „Die können Sie behalten,“ Ich biete 10 Euro. Sie lehnt ab. Was macht man mit drei Waagen oder vielleicht fünf in seiner Wohnung denke ich und bin erfreut, die Waage funktioniert in meiner Wohnung.

Beide Pakete sind jetzt auf dem Weg nach Lissabon. Ich verfolge die Sendung. Beide Pakete kommen nach fünf Tagen an.

Das erste nach Lissabon verschickte und verloren gegangene Paket taucht nach sieben Wochen von einem Tag auf den anderen in der Galerie in Lissabon auf. Man freut sich gern über etwas, was verloren schien und wiedergefunden wurde. Frau Wald strahlt über den Blumenstrauss, überreicht vor ihrer Tür.

Acht Wochen später klingelt der Postbote und übergibt mir eines der beiden später von mir geschickten Pakete. Es waren doch nicht beide angekommen, nur eins von beiden. Der Weg quer durch das halbe Europa hat sich nicht gelohnt. Obendrauf kommt ein Strafporto von 10 Euro. Die Ausstellung ist lange zu Ende. Europa scheint noch nicht perfekt.

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