vonErnst Volland 16.07.2023

Vollands Blog

Normalerweise zeichnet, schneidet, klebt Ernst Volland, oder macht Bücher. Hier erzählt er Geschichten.

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Mein zwei Jahre älterer Bruder Klaus, beruflich Lehrer und Historiker und wohl der wichtigste Begründer der Gedenkstätte Lager Sandbostel, hat schon immer eine für die Familie typische literarische und speziell lyrische Ader gepflegt. In späteren Jahren hat er, der Vielgereiste, Irland und die dort beheimatete Gedichtform des Limericks lieben gelernt. Inzwischen sprudelt seine eigene Produktion der Gebilde aus 5 Versen mit dem Reimschema a-a-b-b-a unaufhörlich, und er kann dabei allen seinen eingefleischten Neigungen zum Wortspiel, zum Doppelsinn, zur Anspielung, zum Schüttelreim, zur Situationskomik und zum überraschenden Sprachspiel nachgehen. Der Limerickdichter besitzt viele gestalterische Freiheiten, aber Rhythmus, Metrum, Aussage und Pointe müssen stimmen. Auf kleinem Raum entstehen so immer wieder ungewöhnliche und als neu empfundene Situationen und Welteinsichten. Klaus nennt seine Texte „Kleine neue Welten“. Hier einige erst kürzlich entstandene Texte:

Klaus Volland, „Kleine neue Welten“, Limericks aus dem Juni/Juli 2023

Wir haben einen alten Kleiderschrank.

Aus diesem drang ein Schrei, der klang,

als hätte die Urgroßmutter gerufen.

Wir haben sofort die Polizei gerufen.

Die Urgroßmutter sagte: „Tausend Dank!“

 

Der neue deutsche Fußball,

das ist ein wahrer Bußfall,

er erinnert weder an Uns Uwe

noch an Gerd Müller,

er ist der reinste Durchfall!

 

„Schwillt Eiger,

Til Schweiger?“

„Nein, die Jungfrau schwillt,

ein schönes Bild.“

Da rief der Mönch: „Mir geht das so was auf den Zeiger!“

 

Die schönste Indigene

war Iphigenie.

Sie blickte auf das Schwarze Meer.

Schwer war ihr der Sinn gar sehr.

Dann sprang sie in die See.

 

Siehst du dieses Gässel?

Wie gerne tränke ich dort ein Gläsel

mit dir. Wir sprächen über unsere Träume,

unserer Möglichkeiten Räume,

und dann machten wir auf ein Fässel!

 

Neulich besuchten uns am Bodensee

unsere dänischen Freunde aus Odense.

Der Däne ist ja reisefroh,

der Deutsche ist es ebenso.

Im Sommer sehen wir uns am Tollensesee.

 

Vor ein paar Jahren,

als wir in Java waren,

sahen wir einen Riesendrachen

mit einem Riesenrachen,

und ich sagte: „Das war’s dann, Karen!“

 

Neulich sagte der Klapperstorch:

„Das geht mir alles viel zu forsch

mit dieser Kinderbringehetze:

Ich mach mal Pause an der Netze.

Die Kinder bringt solange der Klapperschlangenstorch.“

 

Früher war der Winter nett.

Heute gibt es das Internet.

Heute kommunizieren die Brahmanen

ohne weiteres mit den Schamanen.

Und immer weiter tönt es vom Minarett.

 

Neulich dachte sich Gott:

„Was bin ich nur für ein Idiot!

Da habe ich die Welt erschaffen

und dabei auch noch das Geld erschaffen,

und nun stürzt alles durch ein Schott.“

 

Wir flogen noch einmal nach Malta

mit einem dieser schnellen Falter,

nahmen wieder Quartier in La Valetta

und gingen sehnsuchtsvoll umher. Doch es war später.

Unser Blick war nun ein alter.

 

Kein Alkohol, kein Sex,

nicht mal mit dem Ex.

Kein Autofahren,

kein Crosscountryfahren.

Ein Leben ohne Gags.

 

Ja, das ist affenstark:

Stavanger, ein langer Tag.

Wir treffen uns an der Mole

mit Bengt und Björn und Ole

und unser Glück währt tausend Tag’!

 

„Reparier doch endlich den Giebel, Ott!

Sonst fällt er runter, und wir sind tot!“

„Der hält schon hundert Jahre so,

Ich gehe lieber in den Zoo

und mache mir zuvor ein Zwiebelbrot.“

 

„Ich ruf dich an aus Füssen.“

„Ich liege dir zu Füßen.“

„Wie geht es dir im Heim?“

„Ich weiß, ich muss hier sein.

Ich liege dir zu Füßen.“

 

Dieses Lebenslang,

dieses Wang’ an Wang’

hat uns viel gegeben,

nicht nur Brot und Reben.

Immer wieder auch einen neuen Anfang.

 

„Neulich waren wir in Dirschau

und sahen dort eine Tierschau.“

„Das war nicht neulich,

das war neunzehnhundertvierzig,

und es war keine Tierschau, sondern eine Heerschau.“

 

Die Schutzgemeinschaft Deutscher Wal

residiert noch immer in Transvaal.

Ihr Interessengebiet ist der Südatlantik.

Manchmal wird sie sehr pampig.

Ihre Parole: Teutsch ist der Wal!

 

Wieder so eine durchwachte Nacht,

in der so viel mich um den Schlaf gebracht.

Wie konnte ich da schlafen!

Man möchte auf ewig schlafen

und träumt doch von des Lebens Pracht.

 

„Was für eine Lästerpein!“,

jammerte das Estherlein.

„Durch dieses Schreckensfeuer

bin ich nun ein Ungeheuer.

Man lacht mich aus. Tot ist das Schwesterlein!“

 

Der Basilisk,

der ist Faschist.

Der Waldbovist

ist Kommunist.

Der Fliegenpilz ist Anarchrist.

 

Ich träume immer wieder:

Ich bin Ida.

Doch Ida ist nicht ich,

sie ist so ganz bei sich.

Wie gerne wär’ ich Ida!

 

„Diese Band nennt sich ‚Stethoskop‘“.

„Nein, sie heißt natürlich ‚Status Quo.‘

Sie sind so ähnlich wie die ‚Ärzte‘,

sie beaten stets aufs Schärfste.“

„Dann nennen wir uns ‚Stethoskop‘.“

 

„Mensch, mit diesem Gasfuß

kommst du doch niemals nach Damaskus!

Schon nach kurzer Strecke

kratzt man dich aus der Hecke!“

„Ein Syrer ist kein Hasenfuß!“

 

Erst schlug er sich mit dem Pförtner,

danach mit dem Gärtner.

Dann erschien die Polizei

und verhaftete alle drei.

Nun sitzen sie gemeinsam in einer Zelle in Erkner.

 

Mit diesen Fettballen

wird sie mir immer wieder aus dem Bett fallen.

Ich löffele fast nur noch Spinat,

sie frisst nur noch Braten aus dem Markt.

Wie schön sie war, damals in St. Gallen!“

 

„Mutter Natur,

reden wir Fraktur!

Dir geht es schlecht im Anthropozän,

das kann nicht mehr so weiter gehen!“

„Wie lange dauert so eine Diktatur?“

 

Zur Biografie von Klaus Volland

Geboren am 17. August 1944 in Bad Flinsberg/Schlesien als erstes Kind des Altphilologen und Pädagogen Friedrich Volland und seiner Ehefrau Felizitas, geb. Manowski. Im Januar 1945 Flucht mit der Mutter aus Breslau nach Bürgstadt bei Miltenberg. 1951 Umzug nach Wilhelmshaven. Fünf Geschwister: Rosemarie (Halbschwester), Ernst, Christine, Veronika und Susanne. 1963 Abitur in Wilhelmshaven. 1963 bis 1969 Studium der Germanistik und Geschichte an den Universitäten Marburg und Hamburg. Nach dem Staatsexamen 1969 Brginn von Untersuchungen für eine Dissertation mit dem Titel „Das Dritte Reich und Mexiko“. 1972 längerer Forschungsaufenthalt in Mexiko. 1976 Abschluss des Referendariats und der Promotion und Wechsel in den niedersächsischen Schuldienst. Bis 2008 Lehrer am Gymnasium Bremervörde. 1991 Veröffentlichung der Monographie „Stalag X B Sandbostel“, zusammen mit Werner Borgsen. Seit 1993 Nebentätigkeit zum Aufbau einer Gedenkstätte im ehemaligen Kriegsgefangenen- und KZ-Auffanglager Sandbostel. 1997/98 Organisator eines Schüleraustauschs zwischen Bremervörde und St. Petersburg. 2016 Verleihung des Bundesverdienstkreuzes am Bande für den Einsatz in Sandbostel.

Seit 1971 verheiratet mit der der Lehrerin Johanna, geb. Proske. Zwei Kinder, Stefan und Viola. Seit dem Eintritt in den Ruhestand 2008/2009 zahlreiche Radreisen mit der Ehefrau durch große Teile Europas, viel beachtete Berichte. Seit 1998 zu Hause in der Frans-Hals-Straße 1 in Bremervörde.

Titel Buch “Limericks von Klaus Volland” Privatdruck

Johanna und Klaus Volland 2023

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