Hic Honda hic salta
Die geplanten Reisen waren besprochen und gebucht.
Am Anfang der Sommerferien sollte es mit den 12 und 14jährigen Töchtern nach London gehen, danach mit einer Freundin per Rad ein langes Stück an der Loire entlang, also Frankreich.
Damit wir schon etwas Interessantes bis und nach London erleben, kam ich mit meinen Töchtern auf die Idee, mit dem Zug nach Hamburg zu fahren, dort ein Schiff nach London mit einer Übernachtung an Bord zu buchen und das Gleiche zurück. Direkt anschließend sollte es mit der Freundin und dem Nachtzug nach Paris gehen, dort an einem Sonntagmorgen mit Gepäck und Fahrrädern durch Paris bis an die Peripherie der großen Stadt und von einem Vorortbahnhof mit dem Zug ein kurzes Stück bis Orleans, einer historischen Stadt direkt an der Loire. Es war geplant, mit den Rädern flußaufwärts in Richtung Nantes an der Westküste zu radeln. Da wir nicht wussten, wie weit wir pro Tag schaffen, ließen wir es darauf ankommen und reservierten keine Übernachtungen.
Eine Woche vor der Abreise ereichte mich ein Fax aus Tokio. Zeichnungern meiner drei Kinderbücher „Zusammen“, Zusammen aus der großen Welt“ und „Zusammen Geburtstag feiern“ waren in der Werbeabteilung der Firma Honda- Automobilien und Motorräder- in Japan begutachtet worden und in Konkurrenz zu anderen internationalen Zeichnern ausgewählt worden, um einen Jahreskalender für alle 100 Tausend Mitarbeiter der Firma Honda zu gestalten.
Die Anfrage war mit dem Wunsch verbunden, ich sollte umgehend für zehn Tage nach Tokio kommen und vor Ort zeichnen. Reise und Hotel werden selbstverständlich übernommen und das Honorar großzügig.
Nach kurzer Überlegung schrieb ich zurück, dass ich in ein paar Tagen eine Reise mit meinen Töchtern unternehme und anschließend mit meiner Partnerin per Fahrrad durch Frankreich fahre. Sprich: Vielen Dank, aber zeitlich ist es in diesem Sommer unmöglich. Daraufhin kam ein Fax zurück von Honda, geschrieben ausschließlich in Versalien. ES SEI EINE EHRE FÜR HONDA ZU ARBEITEN. Eine Ablehnung sei nicht üblich, also kommen Sie umgehend.
Ein verlockendes Angebot mit einer Drohung. Das hatte ich bisher noch nicht in meiner Sammlung. Ich musste reagieren. Die beiden geplanten Reisen wollte ich auf keinen Fall canceln. Also kam nur ein Kompromiss mit einer Lücke in Frage. Die Reise mit Töchtern war fixiert. Zugfahrten, Schiffsreise und Hotel in London fest gebucht. Ich sprach mit meiner Freundin. Vielleicht sollten wir die Fahrradtour an der Loire um zehn Tage verschieben. Es war keine Übernachtung gebucht, einzig die Zugfahrten müssten geändert werden, allerdings mit einem Aufpreis.
Ich schrieb Honda, dass es eine Möglichkeit gäbe. Ich fahre mit meinen Töchtern nach London und daran anschließend gleich nach Tokio. Allerdings wäre es sehr freundlich, meine Partnerin ebenfalls nach Tokio einzuladen. Diese Variante hatte ich mir als Kompensation für die Verschiebung der Reise
erbeten, zur Freude meiner Partnerin. Honda sagte umgehend zu.
Im Londoner Hotel fing ich mit dem Auftrag an und zeichnete jede Nacht. Morgens beim Frühstück zeigte ich meinen Kindern die Ergebnisse und dann streiften wir durch London.
Zurück in Berlin stiegen meine Partnerin und ich am nächsten Tag von Tegel in den Flieger nach London und von dort nach Tokio. Vier Personen holten uns vom Flughafen ab.
Eine Mitarbeiterin trug ein Ledermappe, in die die bereits in London gezeichneten Arbeiten sorgfältig gelegt wurden. Dann standen wir vor dem soeben fertiggestellten Firstcalss Hotel. Englisch Stile, wie man mir nicht ohne Stolz versicherte. Die Außenfassade und auch Innen alles in Pink.
Nach einer Nacht versuchte ich meine Gastgeber zu überzeugen, dass ich lieber in einem typisch japanischen Hotel wohnen würde. Doch diese Vorstellung stieß auf Unverständnis. Ich wußte nicht, dass es zum guten japanischen und zeitgenössischen Geschmack gehörte, den europäischen Lebensstil und die entsprechende Kultur, also auch Hotels, zu immitieren. Unsere Gastgeber hatten die Vorstellung, sie bieten uns das Beste an. Ich ließ nicht locker. Englisch Stile in Japan, nein.
Nach drei Tagen durften wir dann in ein typisches japanisches Hotel, in ein Ryokan umziehen. Mit einer Sauna, einem kleinen Teich, Futons und Tatamimatten. Ich wurde rechtzeitig mit der Arbeit fertig.
In der letzten Nacht im Ryokan träumte ich von zwei Motorrädern, die uns die Geschäftsleitung von Honda als Abschiedsgeschenk vermacht, mit der Auflage, von Tokio aus nach Deutschland mit dem Motorrad zu fahren. Ich gab das Geschenk mit der Begründung zurück ich hätte keinen Motorradführerschein.
Im Flug von Tokio nach London gönnte ich mir einen Gintonic.
Zurück in Berlin bestiegen wir noch am gleichen Abend mit Gepäck und Fahrrädern den Nachtzug nach Paris. Wie geplant radelten wir durch den dicken Verkehr der Stadt bis an die Peripherie und stiegen dann in einen Zug, der uns in einer Stunde bis nach Orleans brachte, dem Ausgangspunkt unserer Loiretour.
Nach vierzehn Tagen ging es von Paris nach Berlin zurück. Als wir in Berlin ankamen, überfiel mich eine merkwürdige Unruhe. Ich konnte nicht schlafen, träumte von unterschiedlichen Reisen. Am nächsten Tag traf ich Käthe be.
Er fragte mich, wann wir beide nach Portugal fliegen. Ich sagte heute noch. Lass uns mit dem Auto nach Frankfurt fahren, vielleicht erwischen wir einen Standby Flug nach Lissabon. In Frankfurt ist die Chance größer als an anderen Flughäfen.
In Frankfurt warteten wir einen Tag auf einen Standby. Nichts. Dann fuhren wir nach Hamburg. Dort kamen wir am Flughafen an und es ging eine Maschine in drei Stunden nach Lissabon, für sehr kleines Geld. Zwei Plätze waren noch frei.
Lissabon liegt am äußersten Zipfel Europas. Wir blickten aufs Meer Richtung Amerika und ich sagte: Jetzt ist es gut.
Mein Schlaf wurde besser und wir blieben ein paar Tage.
Es wurde Herbst und Honda schickte mir 50 Kalender, jeden Monat eine Zeichnung aus meiner Feder.