vonErnst Volland 13.02.2025

Vollands Blog

Normalerweise zeichnet, schneidet, klebt Ernst Volland, oder macht Bücher. Hier erzählt er Geschichten.

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Teil 4

Ernst: Es gab ja einige beliebte Westkünstler, aber Udo scheint einen besonderen Status in der DDR gehabt zu haben.

Michel: Natürlich, und er war der einzige, der sich auch intensiv für die DDR interessierte. „Rock’n Roll Arena in Jena“ das sind Songs aus den 70er Jahren oder „Mädchen aus Ostberlin“ die berühmte Geschichte von ’73. Er hat sich ja fortwährend mit dieser Geschichte beschäftigt. Vorausgegangen war ja der Sonderzug nach Pankow, wo alle glaubten, nun geht gar nichts mehr. Ich meine immer, wenn sich Dinge zuspitzen und da sind wir in der gegenwärtigen Situation, kann man sehr viel erreichen. Das war exakt dieser Moment nach dem Sonderzug nach Pankow und von daher kannten ihn die Leute, die Jugendlichen in der DDR. Er war dort eine Kultfigur. Jetzt kommt noch etwas sehr schönes. Die etwas peinliche Szene mit der Leiterin des Gästehauses war ja gerade so einigermassen überstanden. Daraufhin schlug Hartmut König vor: Sag mal Udo, musst du nicht auch mal zur Toilette, ich auch. Udo ging dann mit. Auf der Toilette sagte Hartmut König, nun unter vier Augen, er möchte doch bitte nicht den Sonderzug nach Pankow bei seinem Auftritt singen. Worauf Udo antwortete: Muss ich auch nicht, ich bin bereits hier angekommen. Ich habe damals gedacht, das ist wie das Westentaschenformat des berühmten Waldspaziergang bei den Genfer Abrüstungsverhandlungen zwischen der UdSSR den Amerikanern, zwischen Juli Kwizinski ??, der auch mal Botschafter in der Bundesrepublik gewesen war und Paul Nitze ?? dem Amerikaner. Als die Abrüstungsverhandlungen festgefahren waren, gingen die beiden in den Wald, um ein Gespräch out of records zu führen, ein historischer Spaziergang. Sie finden sozusagen ihre Nachahmer mit diesem Toilettengang von Hartmut König. Es waren eben beschissene Zeiten.

Ernst: Das war also das Vorspiel. Wie ist die ganze Sache dann umgesetzt worden? Es entwickelte sich doch zu einem riesen Projekt. War der Tourneeveranstalter Fritz Rau involviert?

Michel: Nein, nein, das habe alles ich gemacht. Fritz Rau hatte überhaupt nichts damit zu tun. Rau hat über die Jahre Tourneen mit Popstars in der DDR veranstaltet, das ist über die Künstleragenturen gelaufen. Für die Udo Tournee hatte er sich nie eingesetzt, weil das für ihn geschäftsschädigend gewesen wäre. Rau kam am letzten Tag dazu. Er hat sich noch rasch über die Künstleragentur ein Visum besorgt, damit er mitreisen konnte. In der Pistoriusstraße war das erste Treffen mit Hartmut König als verantwortlichem Sekretär, Egon Krenz war seinerzeit der FDJ Vorsitzende und der Kultursekretär war Dr, Phillip Dück (?), mit dem ich heute noch befreundet bin. Danach wurde ich eingeladen zum Zentralrat der FDJ und dort empfing mich dann Egon Krenz. Das spielte sich alles vor dem Konzert ab, um abzusprechen, wie das über die Bühne gehen soll. Krenz und ich hatten uns kennengelernt auf den Weltjugendfestspielen 1978 in Kuba, bzw in der Bucht von Simonee ?? und ich kann mich noch erinnern, ich war dort ua mit Hans-Christoph Buch ??, wie Christoph sagte, als er Krenz und seinen sowjetischen Kollegen Aktionow ?? dort in der Bucht von Simonee schwimmen sah: Mein Gott, wenn diese beiden jetzt untergehen, was für eine Katastrophe für den größten Jugendverband der Welt. Das war natürlich ironisch gemeint.

Die erste Bemerkung von Krenz mir gegenüber war: Gut, dass du das bist, mit dem wir das besprechen können. Ich antwortete: Egon, da wäre ich mir nicht so sicher. Dann haben wir verhandelt, wie das ablaufen sollte. Ich muss noch etwas einblenden. Ich hatte ihnen bereits versprochen, dass ich mich dafür einsetze, dass Harry Belafonte sich an diesem Konzert beteiligt. Ich bin zu Harry Belafonte gefahren, den ich durch Erwin Pescator ?? kannte, und der gerade auf einer Tournee in Frankfurt war und konnte ihn überzeugen, sich zu beteiligen. Das berichtete ich Egon Kren. Krenz war sehr stolz und sagte, er hat dafür gesorgt, dass die berühmte Sängerin Tschernabaichewskaia (???) aus der Sowjetunion auch an diesem Konzert teilnehmen wird, also beide Großmächte. Ich dachte, naja das ist doch einfach für Krenz, seinen Kollegen Aktionow ?? anzurufen oder im Politbüro, um Tschernabaischewskaia zu bekommen. Aber das war garnicht so leicht, weil die Sowjets damals nicht in Geschichten verwickelt werden wollten, die die DDR seinerzeit veranstaltete. Gut, wie sollte das jetzt ablaufen. Harry Belafonte war am Konzerttag in Wien, ich glaube, es war der 25. Oktober 1983 und reiste dann von Wien über Schönefeld in die DDR. Der Plan war, von der Invalidenstrasse aus nach Schönefeld zu fahren, um Harry Belafonte willkommen zu heißen. Dabei war ein Team des WDR mit Volker Beckmann ??. An der Invalidenstraße mussten Udo und ich erst einmal eine halbe Stunde warten, was dazu führte, dass wir nicht rechtzeitig bei der Landung von Harry Belafonte sein konnen. Egon Krenz wollte natürlich zuerst allein Harry Belafonte begrüssen und dann Lindenberg. In der Gesellschaft von Harry Belafonte fotografiert zu werden war für ihn natürlich 100 mal wertvoller als mit Udo Lindenberg. Wir haben dann da gestanden und es kamen schon Fans heran, irgendein Mädchen, das Udo umarmte. Ich hatte mit Krenz das Programm abgesprochen. Krenz fragte, was macht ihr denn danach? Ich: Wir gehen unter den Linden spazieren. Das wollte Krenz auf keinen Fall. Ich sagte, nach dem Spaziergang gehen wir in die Akademie der Künste, Belafonte wird dort korrespondierendes Mitglied der Akademie. Manfred Wekwerth ??, der damalige Nachfolger von Konrad Wolf, schenkte ihm Brecht Autografen, Briefe von Brecht, die er an Wekwerth geschrieben hatte. Belafonte sammelte Autografen. Du hattest vorher den Namen Heiner Müller erwähnt. Heiner Müller wurde ’83 Mitglied der Akademie der Künste und lernte an diesem Tag Udo Lindenberg kennen. Dann sind wir von der Akademie zum Pressegespräch in die Mohrenstraße, zum Pressezentrum der DDR gefahren. Die Pressekonferenz stand ganz im Zeichen von Harry Belafonte. Auch weil an diesem Tag Reagan in Granada? einmarschierte, um Bishop ?? zu stürzen. Bishop war ein Freund von Belafonte. Das Engagement hatte Belafonte ungeheuer geschadet und ihm viel Publikum während der laufenden Tournee entzogen.

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