vonErnst Volland 14.04.2025

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Normalerweise zeichnet, schneidet, klebt Ernst Volland, oder macht Bücher. Hier erzählt er Geschichten.

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Elisa Hoven – Dunkle Momente

 

Der Blick fällt auf einen schneeweißen Umschlag, der sich um ein signalrotes Hardcoverbuch legt. Auf dem Cover sind zwei Zehn Zentimer große farbige Streichhölzer abgebildet. Das linke unbenutzt, das rechte bis auf einen Zentimeter abgebrannt. Daneben steht klein ROMAN. Der Name der Autorin und der Titel sind mit Großbuchstaben schwarz/weiß gesetzt. Die einzelnen Buchstaben stehen weit auseinander. Der Schrifttypus erinnert an eine moderne Antiqua. Die Buchstaben wirken wie gemeißelt oder geschmiedet, jeder einzelne aus bearbeitetem Metall.  Elisa Hoven ist Professorin für Strafrecht und schon weit herum gekommen. Cambridge, Harvard, Berkely, Phnom Penh, Basel, Sydney, der Forschung wegen.

Ich habe das Buch mit Interesse gelesen, kenne die Autorin nicht persönlich, bin jedoch erst kürzlich in einem Arbeitszusammenhang mit ihr zusammen gekommen, der ihr Forschungsgebiet streift. Mein Wunsch war, von ihr einen Text zu einem Frauenthema zu erhalten, mit dem ich mich beschäftige, und sie hat diesen zu meiner Freude in kürzester Zeit geschrieben.

Es sind acht Lebensgeschichten, die Elisa Hoven erzählt und ihre Protagonistin, die Strafverteidigerin Eva Herbergen ist gut gewählt. Frau Herbergen steht am Ende ihrer Karriere und schaut zurück. Alle acht Fälle sind sicherlich alltägliche für die Justiz, sie bekommen jedoch eine besondere Note durch die persönliche Konfliktproblematik der Strafverteidigerin, die auf unterschiedliche Weise in die einzelnen Fälle verstrickt ist. Es kommt zu Entscheidungen, die sie fällen muss und die dann zu unbefriedigenden Ergebnissen führen, an denen Schicksale von Menschen hängen. Einige Geschichten scheinen aus dem Dokumentarischen in die schiere Fiktion zu gleiten (Das Geständnis) andere hat man an anderer Stelle schon ähnlich gelesen (Kindersoldaten), die meisten jedoch sind spannend geschrieben, raffiniert aufgebaut und zeigen eine detailgenaue Verfasserin, die den Blick frei gibt auf dunkle Momente menschlicher Existenz und auf großes Leid.

Ich hatte vor, das Buch ein zweites Mal lesen. Es ist mir nicht gelungen. Warum? Sobald ich eine Geschichte erneut angelesen hatte, präsentierte sich mir der ganze Fall in seiner Komplexität vor meinen Augen und ich wollte mich nicht noch einmal mit dem einzelnen Schicksal beschäftigen. Noch einmal den ganzen Hergang einer Vergewaltigung durch eine Gruppe feiernder junger Männer aufnehmen? Eine abstoßende, ekelhafte Tat und mit einem Opfer, dessen Umfeld keine Gnade kennt. Nein, ein zweites Mal gehe ich nicht durch diesen Text. Ähnlich ist es mir mit fast allen anderen ergangen. Die Texte berühren bei einem einmaligen Lesen und bleiben haften, ganz im Gegensatz zu den inflationären TV Krimis, die ein Klischee nach dem anderen bedienen.

Gute Literatur, vor dem Gebrauch wird gewarnt. Die noch junge Autorin besitzt durch ihren Beruf eine Reife, die nicht von jedem Leser erwartet werden kann.

S. Fischer Verlag 2025

Ernst Volland

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