vonErnst Volland 21.07.2025

Vollands Blog

Normalerweise zeichnet, schneidet, klebt Ernst Volland, oder macht Bücher. Hier erzählt er Geschichten.

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Für und über und überhaupt Ernst Kahl.

Ernst Kahl wurde 76 Jahre alt. Der Zeichner und Maler hatte einige gute Freunde, war beliebt, witzig, schlagfertig, mit leicht dadaistischen Zügen. Musiker, wenn er wollte. Ernst begleitete seinen besten Freund (so sah es der Freund) Horst Tomayer auf der Gitarre. Wenn ich Gitarre spielen könnte, hätte ich Horst Tomayer auch begleitet, Hotte, wie er sich selbst nannte, der Poet mit den drastischen, radikalen Texten, meist Gedichten und dem scharfen Blick für das Wesentliche.

Kahl und Tomayer traten im Duo unter dem Namen „Sen und Sibel“ auf, jeder Abend verlief anders. Tomayer sah Kahl als seinen besten Freund und Kahl akzeptierte das, zumindest in Hamburg und manchmal widerwillig. Freundschaften haben jeweils unterschiedliche Wahrnehmungen, Tomayer liebte eindeutig heftiger. Der Drang, Kahl zu treffen, der in den 90er Jahren nur 500 Schritte entfernt von Tomayer hinter der Grindelallee wohnte und arbeitete, war so groß, dass er die Außenwand hoch stieg und durch das Wohnungsfenster von Kahl, bis ins Schalfzimmer kletterte und sich zu ihm ins Bett legte. Dieser Vorgang war einmalig, denn die Partnerin von Kahl war not amused, zum Glück kam es nicht zum endgültigen Bruch, sowohl mit der Partnerin als auch mit Tomayer.

Ich selbst kenne Anwandlungen dieser Art von Horst Tomayer, war ich doch sein bester Freund in Berlin, Mitte der 70er Jahre bis Mitte der 80er, als Tomayer noch in Berlin beim linken Blatt „Extradienst“ arbeitete. Egal zu welcher Tageszeit Horst anrief und ein Treffen wünschte, es hatte sich gelohnt, ging aber zu Lasten der Beziehung. Was auch immer, hier handelt es sich um einmalige Begegnungen mit unvorhersagbaren Ereignissen, chaotisch, witzig, unvergesslich.

Kahl hatte die Nähe von Tomayer oft satt und verleugnete sich. So wollte der Berliner Galerist Werner Tammen sich mit Kahl an einem schönen Plätzchen im Kiez treffen, um eine Ausstellung mit Kahl zu organisieren. Das war nicht so einfach, denn Kahl gab dem Galeristen zu verstehen, dass es besser wäre, eine Kneipe aufzusuchen außerhalb des Grindelkiezes und dann noch einmal mindestens 2, 3 Kilometer weiter weg. „Warum“, fragte der Galerist. „Wenn wir uns im Kiez teffen, dauert es keine fünf Minuten und die Tür geht auf. Wer kommt rein, Tomayer. Ich habe zur Zeit Null Bock auf Hotte. Wir treffen uns auf St. Pauli in „Knuts Dorfschänke“. Und kein Wort zu Tomayer, dass du überhaupt in der Stadt bist.“ „Abgemacht“.

Der Galerist und Ernst Kahl wollen das zweite Bier in der Dorfschänke bestellen, da nähert sich der Wirt mit zwei Halben und sagt: „Vom netten Herrn da drüben, am Tisch neben dem Pfeiler.“ Tomayer grinste, hob sein Glas zum Gruß und kam an den Tisch.

Nun soll dieser Text ja eigentlich eine Hommage für den bedeutenden Satiriker und Künstler Ernst Kahl werden. Seine Bedeutung für Humor und Satire haben andere mehrfach gerausgestellt. Kahl ein Alleskönner, Allrounder, genial und mehr. Alles das war Ernst Kahl. Vor ein paar Jahren, noch vor seiner Krankheit, pflegten wir eine lockere Korrespondenz mit kleinen Bild/Text Notizen aus dem Alltag. Den Blick darauf vielleicht ein anderes Mal. Hier eine Auswahl von drei Widmungen aus Büchern, die wir in der 80er und 90er Jahren getauscht haben.

 

Erste Zeile: Für Ruck Zuck V. von Pfriemel K.

Kahl zeichnete bestimmte Themen altmeisterlich, im Stile, oder eher in einer ähnlichen Technik wie Rembrandt.

Ich zeichne kurz und bündig mit einem Strich.

PS. Vor ein paar Tagen traf ich einen jungen Mann, der mich nicht kannte. Ihm wollte ich seinen Namen abkaufen. Er gab ihn mir, ohne Geld.

Er hieß Ernst Strich.

 

Hier handelte es sich um eine etwas kühne Aussage, aber, Ernst Kahl war ehrlich und clever, er wußte was er schrieb.

Ahoi Ernst Kahl.

 

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