vonClaudia Mussotter 18.04.2008

taz Blogs

110 Autor*innen | 60 Blogs
Willkommen auf der Blogplattform der taz

Mehr über diesen Blog

Profiterole.jpgFrei nach Knigge bezeichnet man ihn gemeinhin als Prahler oder Aufschneider, einen, der sich hervortun muss, im besseren Glanz erscheinen will. Also erdichtet der Windbeutel, was nie existiert hat, vergrößert, was nie so gewesen ist. – Windbeutel, welcher Name könnte besser auf die essbaren luftigen Gebilde zutreffen, die wegen ihres geradezu überbordenden Mangels an Inhalt – nichts als heiße Luft – sich derart herrlich füllen lassen.

Törtchen mit allen möglichen leckeren Cremes, runde Tartes mit Mürbeteigboden, Baiserteilchen und vor allem luftiges, mit Sahne gefülltes Gebäck aus Brandteig, allesamt entstanden sie in der klassischen französischen Patisserie. Dort heißen die länglichen Stückchen aus Pâte à choux oder spanisch Pasta choux (Brandteig) Eclairs, im Spanischen Relámpagos, was beides wegen ihrer Form Blitzgebäck bedeutet, aber wiederum nichts mit dem deutschen Blitzkuchen zu tun hat, einfach einem blitzschnell zubereiteten Rührteig.
Im Deutschen interpretiert man die Form als Liebesknochen, das Spanische kennt auch noch eine zweite Bezeichnung, Palos (Stock oder Stab). Diese Streifen aus Brandteig – etwa acht Zentimeter lang, aufs Backblech gespritzt, mit Ei bestrichen, kross gebacken, mit Fondant glaciert und mit Schlagsahne oder Konditorcreme gefüllt – sollen Bestandteil des letzten Dinners auf der Titanic gewesen sein.
Ebenso populär, wenn nicht noch beliebter ist Brandteig in der runden Form, als so genannter Windbeutel oder Kringel gebacken, die Petit choux. Das Spanische sieht für die mit Sahne oder Creme oder auch pikant gefüllten Leckereien je nach Größe verschiedene Bezeichnungen vor: Lionesas zum Beispiel und Coronas oder Rosquillas. Wenn die Windbeutel ziemlich klein sind, mit Sahne gefüllt oder oft auch mit Sauce übergossen werden und sich etwa als Suppeneinlage eignen, handelt es sich allerdings überall um die bekannten Profiteroles.
Um die Verwirrung komplett zu machen: Das Ganze gibt es noch statt aus dem Ofen im schwimmenden Fett ausgebacken und nennt sich dann auf Deutsch Spritzkuchen, auf Französisch Beignets soufflés oder spanisch Buñuelos de viento – Windbeutelchen.

Zu diesen Spritzkuchen zählen die spanischen Churros. Brandteigstreifen werden in heißem Öl frittiert und mit Zucker bestreut genossen oder – mit Vorliebe – in heiße Schokolade getunkt. Ganze Familien gehen am Sonntagnachmittag in die so genannten Churrerías, kleine Lokale, die das Spritzgebäck in allen Variationen anbieten.  Churros vom Stand findet man auf zentralen Plätzen und – wenn Fiesta ist – auf den Jahrmärkten.
Brauch ist in den Kapitalen nach einem Tapeo, dem Tapas-Essen mit Freunden, das sich unter Umständen die ganze Nacht hinziehen kann, eine der Chocolaterías aufzusuchen, die teils schon sehr früh öffnen, und sich mit Churros oder Porras, Fettgebackenem, und einer Tasse heißer, dickflüssiger Schokolade die nötige Bettschwere zu verschaffen.

Brandteig ist der einzige Teig, der zweimal gegart wird: Zuerst kocht man eine Grundmasse auf dem Herd, die dann im Ofen oder schwimmendem Fett zum gewünschten Gebilde gebacken wird.
So geht’s: Flüssigkeit und Fett bringt man mit Gewürzen zum Kochen und kippt das Mehl auf einmal dazu. Nun muss kräftig gerührt werden, bis sich ein Kloß bildet, der sich gut vom Topf löst. Den Teig ca. zwei Minuten rösten oder „abbrennen“, bis sich am Topfboden eine weiße Schicht bildet. Bleibt man jetzt zu kurz auf dem Feuer, geht das Gebäck später nicht genügend auf.
Damit die Eier nicht am Rand des heißen Gefäßes gerinnen, füllt man einen größeren Teigkloß am besten in eine andere Schüssel um, bevor man nach und nach die Eier in die etwas abgekühlte Masse unterrührt. Stets erst das nächste Ei zufügen, wenn das vorige sich gut mit der Masse verbunden hat.
Gibt man zu viele Eier auf einmal hinein, wird die Masse stückig und bindet nicht mehr. Wichtig ist auch, nur so viele Eier zu verwenden, dass der Teig glänzt – ein Grund dafür, warum in den meisten Rezepten keine genaue Eimenge aufgeführt ist.
Soll Backpulver verwendet werden, ist nun der richtige Zeitpunkt. Auf keinen Fall schon mit dem Mehl mischen, sondern erst ganz zum Schluss gut unter den Brandteig rühren.
Für Windbeutel zum Beispiel die Brandmasse mit der Sterntülle eigroß in genügendem Abstand auf ein schwach gefettetes Blech spritzen und bei mittlerer Hitze (200–220º) rund 35 Minuten backen.
Das Gebäck geht besonders gut auf, wenn gleich nach dem Einschieben in den Ofen eine Tasse Wasser in das Backrohr geschüttet wird. Der Dampf hält seine Außenschicht länger elastisch.
Damit die luftigen Gebilde auch schön aufgehen, bleibt die Backofentür während der ganzen Zeit geschlossen. Sind sie fertig, bei geöffneter Ofentür rund fünf Minuten ruhen lassen.
Der vom Geschmack her neutrale Brandteig ist außerordentlich vielseitig, weil er sowohl salzige Füllungen aus Ragout fin, Käsecremes, Foie-gras oder Kaviar als auch süße Füllungen wie Joghurt- oder Quarkcremes, Pudding, parfümierte Schlagsahne, Früchte etc. verträgt.
Doch auch der Teig selbst lässt sich geschmacklich verändern, sei es etwa durch Gewürze wie beispielsweise Zimt oder Vanille, Paprika, geschroteten schwarzen Pfeffer oder getrocknete schwarze Oliven, geriebenen Käse etc. 

Windbeutel
Grundrezept I: 1/4 l Wasser oder Milch, 125 g Fett, 200 g Mehl, 3 bis 5 Eier, Salz
Grundrezept II: 1/4 l Wasser, 100 g Butter, ca. 4 Eier, 125 g Mehl, 8 g Salz, 8 g Zucker
Den Brandteig wie zuvor beschrieben zubereiten und backen. Die Backzeit richtet sich übrigens auch nach der Größe des Gebäcks. Um ganz sicher zu gehen, kann man kurz vor Ende der Garzeit die Hitze reduzieren und die Windbeutel noch ein paar Minuten länger backen.
Nach dem Abkühlen werden sie aufgeschnitten – das geht auch ganz gut mit einer Schere – und beliebig gefüllt.

Leichte Quarkcreme

Kleine Menge: 350 g Früchte wie Pfirsiche oder Aprikosen, 100 g Magerquark, 50 g Crème fraîche, 1 EL Pfirsich- oder anderer Likör, 2 EL Puderzucker
Früchte überbrühen, abziehen, entsteinen und in kleine Stücke schneiden. Quark mit Crème fraîche, Likör und 1 EL Puderzucker verrühren. Früchte locker untermischen. Creme auf die unteren Hälften der Windbeutel verteilen, Deckel auflegen und mit dem restlichen Puderzucker bestäuben.

Spritzkuchen
Grundrezept: 1/2 l Wasser oder Milch, 150 g Fett, 250 g Mehl, 4 bis 6 Eier, Salz
Mit der Spritzkuchenmasse z.B. zwei Ringe übereinander auf gefettetes Pergamentpapier spritzen. Papier mit der Masse nach unten in das 170º heiße Fettbad geben. Abdecken, damit sich Dampf bildet und das Gebäck besser aufgeht. Auf beiden Seiten zweimal backen, noch warm mit etwas aufgelöster Konfitüre bestreichen.
Für kleine Beignets Brandmasse mit dem Löffel abstechen und im Fettbad ausbacken. Auf Küchenrolle abtropfen lassen, mit Zucker bestreuen und zum Beispiel mit Vanillesauce servieren.

Eclairs mit Schoko-Erdbeer-Füllung
Brandteig für 12 Stück: 1/8 l Wasser, 25 g Butter, 75 g Mehl, 15 g Speisestärke, 2 bis 3 Eier (Größe M), 1 Msp. Backpulver, Salz;
Füllung: 250 g Erdbeeren, 150 g (1 Tafel) Vollmilchschokolade, 1 Päckchen Schlagsahne (200 ml)
Am Vortag Schokolade grob zerkleinern. Sahne zum Kochen bringen. Topf von der Kochstelle nehmen, Schokolade zufügen und rühren, bis sie geschmolzen ist. Das Ganze über Nacht in den Kühlschrank stellen.
Für den Brandteig Wasser mit Butter und einer Prise Salz aufkochen. Topf von der Kochstelle nehmen. Mehl mit Speisestärke mischen, sieben und auf einmal in die heiße Flüssigkeit geben. Alles zu einem glatten Teigkloß verrühren, dann etwa eine Minute unter ständigem Rühren erhitzen und in eine Rührschüssel geben.
Zwei Eier nacheinander mit einem Handrührgerät (Knethaken) auf höchster Stufe unter den Teig arbeiten. Das letzte Ei verquirlen und nur so viel davon unter den Teig arbeiten, bis er stark glänzt und in langen Spitzen an einem Löffel hängen bleibt. Backpulver erst unter den erkalteten Teig rühren.
Den Teig portionsweise in einen Spritzbeutel mit großer Sterntülle füllen, zwölf etwa acht Zentimeter lange Streifen auf ein mit Backpapier belegtes Blech spritzen (anfeuchten, dann liegt das Papier glatt auf). Im vorgeheizten Backofen etwa 20 Minuten backen (200° C, Heißluft 180°C, Gas Stufe 3-4).
Während der Backzeit die Backofentür nicht öffnen, da das Gebäck sonst zusammenfällt. Sofort nach dem Backen von jedem Eclair einen Deckel abschneiden und die Teile auf einem Kuchengitter erkalten lassen.
Erdbeeren waschen, abtropfen lassen, putzen, in dünne Scheiben schneiden.
Schokoladensahne mit dem Handrührgerät aufschlagen, bis sie schön cremig ist. Creme portionsweise in einen Spritzbeutel füllen, in die unteren Eclairhälften spritzen und mit den Erdbeeren belegen. Deckel auflegen. Mit Puderzucker bestäuben.

Bon profit!

 

 

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/von-churros-windbeuteln-und-liebesknochen/

aktuell auf taz.de

kommentare