vonClaudia Mussotter 31.03.2010

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Muschelsucherinnen – Mariscadoras –, das dürfte ein Beruf sein, der außer in Galicien nirgendwo sonst in Spanien ausgeübt wird. Tief gebückt stehen die Frauen im Watt und durchpflügen unermüdlich, ohne Pause, mit einem Rechen das Wasser. Denn die Zeit drängt, nur kurze Zeit gibt die Ebbe den Meeresgrund in der Ría frei.
Die Rías gallegas – ehemalige, im Meer versunkene Flusstäler – sind führend in der Muschelzucht, wildlebende Muscheln sind so gut wie nicht mehr zu finden. In der planktonreichen Mischung aus Süß- und Salzwasser der fjordähnlichen Bucht wachsen sie schnell. Mit Hilfe ihres Fußes können sich Muscheln im Sand eingraben und auch bewegen. Die Schalentiere funktionieren quasi als Putztruppe: Muscheln essen und atmen mit den Kiemen, das heißt, sie nehmen sowohl Sauerstoff als auch Wasser auf, das sie auf verdauliche Bestandteile filtern. Was sie nicht „essen“ können, wird wieder ausgeschieden.
Die Kultivierung von Muscheln – besonders Venusmuscheln, von denen die Almeja fina und die Almeja babosa die besten Preise erzielen – begann etwa Mitte des vergangenen Jahrhunderts. Die Arbeit ist mühsam, aber das Geschäft floriert, schließlich muss man die Tiere ja nicht einmal ernähren.
Muscheln sind getrennt geschlechtlich, es gibt sowohl männliche als auch weibliche Muscheln; die Befruchtung und die anschließende Entwicklung der Larven finden außerhalb statt. Das kommt der Zucht, wo auch immer, entgegen…
Hauptsächlich sind vier verschiedene Arten von Venusmuscheln im Handel:
Die Almeja japonesa oder turca zum Beispiel, eine neue, robustere Spezies, die schnell wächst und leichter zu kultivieren ist als die Almeja fina, ist die billigste und deshalb gebräuchlichste auf dem Markt. Es gilt: Die türkische ist billig, die galicische teurer.
Die cremefarbene Almeja fina mit ihrer glatten Schale und hellem Fleisch kommt meist aus Carril, weshalb sie oft auch als „Almeja de Carril“ bezeichnet wird. Zusammen mit der Almeja babosa zählt sie zum Jetset der Venusmuscheln, hat aber dafür ihren Preis.
Die Almeja babosa erkennt man daran, dass ihre Siphos, die Atemröhren der Muscheln, zusammengewachsen sind. Dadurch lässt sie sich gut von anderen unterscheiden. Sie ist empfindlicher als die Almeja fina, weshalb sie eher in der eigenen Region verzehrt oder auch als Luxuskonserve verwertet wird.
Die Almeja rubia wiederum ist von creme-gelblicher Farbe mit roten Tönen. Man findet sie auch im andalusischen Huelva. Sie ist nicht sehr widerstandsfähig, weshalb sie zum schnellen Verzehr verkauft wird.
Almejas sind mehr oder weniger oval, gelb oder grau, fünf bis acht Zentimeter groß, das hängt von der Art ab, die Oberfläche ist in der Regel quer gerillt. Die größten Exemplare isst man am besten roh, mit ein paar Tropfen Zitrone, oder im Dampf gegart. Mit den Almejas und ihrem Sud lassen sich vorzügliche Reisgerichte, Zarzuelas und andere Fischtöpfe herstellen.

Zu dieser Muschelfamilie zählen auch die Chirlas, die eigentlich Echten Venusmuscheln, die wie Almejas zubereitet werden. Bekannt sind Gerichte wie Spaghetti vongole aus Italien oder die amerikanische Muschelsuppe Clam Chowder.
Von besonderer Qualität sind Berberechos; die sogenannten Herzmuscheln gehören zur selben Gruppe wie Almejas und Chirlas. Ihre Schale ist dick, stark gewölbt und im Gegensatz zur Almeja längs gerillt. Sie werden bis zu sechs Zentimeter groß, besitzen aber wenig Fleisch, das mit einem für die Berberechos typisch gelben Mantel umgeben ist. Die Herzmuscheln Galiciens sind berühmt. Auch als Konserve sind sie – je nach Größe und Preis – von vorzüglicher Qualität. Sie gelingen gut auf der Plancha, dampfgegart, gebraten oder im Reis. In Galicien werden köstliche Empanadas mit den Berberechos hergestellt.

Einkauf von Muscheln
Muscheln in den Monaten mit „r“, von September bis April, lautet traditionell die Regel, und der Brauch hat mehrere Quellen. Zum einen schmecken Muscheln im Winter frischer, weil sie sich weniger mit Plankton ernähren. Zum anderen rührt die Regel wohl auch daher, dass die Schalentiere einst im Sommer nicht weit transportiert werden konnten, da entsprechende Kühlmöglichkeiten fehlten. Ein dritter Grund dürfte sein, dass man den Meeresfrüchten ein wenig Zeit gönnen muss, um sich zu reproduzieren.
Gekauft werden frische, lebende Muscheln, die ein angenehmes Seearoma verströmen. Ihre Schalen müssen fest geschlossen sein – eine Schutzreaktion vor Gefahr und Wassermangel. Sind einzelne Exemplare offen, sollte man vorsichtig sein und mal mit dem Messerknauf anklopfen. Schließen sie ihr Haus nicht aus eigener Kraft, sind sie tot und nicht mehr genießbar. Im übrigen macht eine Muschel nicht sofort die Schotten dicht, wenn sie schon eine Weile ohne Nahrung ist. Dann fehlt die Kraft, um ihre Schalen gut zusammenzuhalten. Auch Muscheln mit beschädigter Schale – und besonders Muscheln, die nach dem Garen noch geschlossen sind – werden aussortiert!
In Spanien mit seinen vielen Muschelgärten und -bänken kommen die Schalentiere das ganze Jahr über auf den Tisch. Und sei es aus der Dose, deren Inhalt einfach auf einen Teller gekippt und mit Zahnstochern als Tapa gereicht wird.

Almejas in Paprikasauce
Für 4 Pers.: 1 kg Venusmuscheln, 1 rote Paprikaschote, 1 geriebene Tomate, 4 Knoblauchzehen, 2 Scheiben Brot, 12 geschälte Mandeln, 2 EL Pinienkerne, 1 EL Stärke oder Mehl, 80 ml trockener Weißwein, 200 ml Fischbrühe, 1 Lorbeerblatt, Petersilie, Olivenöl, Sherryessig, Safran, Pfeffer und Salz
Muscheln gut waschen und abtropfen lassen. Paprikaschote waschen und in Würfelchen schneiden. Die Brotscheiben in gleichmäßige Würfel schneiden.
In einer Pfanne 1 EL Olivenöl erhitzen. Mandeln, Pinienkerne und ein paar Safranfäden ohne umzurühren ein paar Sekunden anschwitzen, bis sie geröstet sind.
Paprika in 2 EL Öl etwa vier Minuten braten. Herausnehmen und im selben Fett ganze Knoblauchzehen und Brotwürfel frittieren, bis sie Farbe nehmen.
Paprika, Brot, gebratener Knoblauch mit Tomate, Mandeln und gerösteten Pinienkernen sowie Safran, Wein, Essig, Mehl oder Stärke und der Fischbrühe vermischen und alles zusammen im Mixer pürieren.
Das Ganze in einem schweren Topf zusammen mit den Muscheln und dem Lorbeerblatt zugedeckt etwa drei bis fünf Minuten garen, bis alle Almejas sich geöffnet haben. Nicht geöffnete entfernen. Lorbeerblatt herausnehmen. Das Gericht mit gehackter Petersilie bestreut sofort servieren.

Bon profit!

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