Zur Zeit finden zwei Strafprozesse wegen der Mitgliedschaft in ausländischen terroristischen Vereinigungen mit jihadistischer Orientierung (§ 129b) an Oberlandesgerichten statt: der Prozess gegen die sogenannte „Sauerland-Gruppe“ in Düsseldorf und in Koblenz der Prozess gegen zwei junge Männer, denen mitgliedschaftliche Unterstützung der Al Qaida vorgeworfen wird. Das Frankfurter Strafverfahren gegen Bekannte von Adem Yilmaz, die der Unterstützung der Islamischen Jihad Union angeklagt waren, ist letzte Woche mit Haftstrafenurteilen beendet worden.
Gegenwärtig sind die Richter allerdings in den Herbstferien. Zeit also für einen kurzen Rückblick auf das, was bisher im Prozess gegen die sogenannte „Sauerland-Gruppe“ in Düsseldorf geschah.Die vier Angeklagten hatten im Sommer umfangreiche Geständnisse abgelegt, die Vernehmungen dazu sind beinahe beendet. Das verlief wie ein Episodenfilm, die Geschichten der vier Beschuldigten wurden detailliert dargelegt, insbesondere, wie sie sich kennenlernten, ihre jeweiligen Aufenthalte in einem Ausbildungslager in Waziristan und die Art und Weise der Zusammenarbeit bei der Beschaffung und dem Bau der vermeintlichen Bombe im Ferienhaus im Sauerland, wo schließlich die Polizei zugriff. Weil sich die Erzählungen in den Schlussteilen ähnelten, war es für Zuhörer oft langweilig.
Die Initiative zu den Geständnissen war von Adem Yilmaz ausgegangen. Der Langener hatte vermutlich in einem Kassiber an Daniel Schneider den Anstoß dazu gegeben, Daniel hatte in einem abgefangenen Rück-Kassiber sein Einverständnis erklärt.
Bei den hohen Haftstrafen, die in Ausicht stehen (10 Jahre) ist das auch nicht verwunderlich. Schließlich sind die Beschuldigten alle noch recht jung, unter 30, Daniel Schneider ist sogar mit 23 Jahren der Jüngste im Bunde. Sie haben noch was anderes im Leben vor, als 10 Jahre hinter Gittern zu schmoren. Eher wunderte es, dass die Initiative ausgerechnet von Adem Yilmaz ausging, dem Querkopf. Yilmaz hatte sich zu Anfang geweigert, vor dem Senat aufzustehen, und sein Käppchen abzunehmen („Ich stehe nur für Allah auf“) und war dafür von Richter Ottmar Breidling mit Ordnungsstrafen eingedeckt worden. Ob er bewußt gegen die Regeln rebelliert hat oder sie ihm einfach nicht klar waren, das ist auch für die Verteidigund oft ein Rätsel geblieben. Er erklärte seine Initiative mit „Mir ist langweilig“ und wollte keine Anwälte bei den Vernehmungen dabei haben, weil die „immer so dumme Fragen stellen“. Gelowicz, der sich selbst als „Emir“, d.h. Anführer der Gruppe bezeichnet, war als einziger in der Lage seine Geschichte frei und zügig vorzutragen. Die anderen zogen es vor, dass der Senat ihre Geständnisse verlas, und beschränkten sich auf weitere mündliche Ausführungen.
Kennenlernen auf Islam-Seminaren
Ich hatte früher vermutet, dass es sich bei der Sauerland-Gruppe um eine frühere Jugendfreundschaft handelte, aber das ist nicht der Fall. Nur Fritz Gelowicz und Atilla Selek sind Jugendfreunde, die beiden anderen stießen später dazu. Gelowicz stammte aus der „Ulmer Szene“, die schon länger vom Verfassungsschutz beobachtet worden war. Er verkehrte im Multikulturhaus (MKH) in Neu-Ulm, das 2005 von der bayerischen Landesregierung geschlossen wurde, und im Islamischen Informationszentrum in Ulm (IIZ), gab dort mit anderen die Zeitung „Denk mal islamisch“ heraus. http://de.wikipedia.org/wiki/Multikulturhaus
Die vier lernten sich auf Islam-Seminaren erstmals kennen, u.a. in Bonn. Und trafen sich bei der Hadsch wieder, weil sie dort zum deutschen Kontingent gehörten. In Syrien bzw Ägypten lernten sie Arabisch. Sie waren nicht gemeinsam in dem Ausbildungslager, sondern jeweils zu zweit. Es hat den Anschein, als hätten erst die Ausbilder im Lager eine Gruppe aus den vieren gemacht.
Hauptsache „Jihad machen“
Besonders interessant waren die Erzählungen aus dem Lager. Es ging den vieren vor allem um eines: Hauptsache „Jihad machen“, wie Gelowicz sagte. Wo, bei welcher Gruppe oder Organisation war nebensächlich, das waren sowieso alles „Brüder“. Eigentlich wollten sie nach Tschetschenien, das in den Jahren 2001 bis 2005 „in“ war, oder in den Irak. Sie wurden aber von Schleusern in der Türkei „umgelenkt“ und landeten in den Bergen Waziristans. Die Gruppe, bei der sie waren, hieß unter den deutschen Freiwilligen nur die „usbekische Gruppe. Sie hätte keinen besonderen Namen gehabt. Es ist ihnen wohl nicht aufgefallen, dass man auf Transparenten in Propagandavideos aber schon die Bezeichnung „Islamic Jihad“ sehen konnte. Erst in Deutschland hätten sie erfahren, dass die Gruppe „Islamische Jihad Union“ genannt würde, und mit dem Kürzel „IJU“ hätten sie nichts anfangen können, da Kürzel im Arabischen kaum Verwendung fänden.
„Weicheier aus Europa“
Außer Daniel, der schon bei der Bundeswehr „gedient“ hatte und seinen Wehrdienst noch mal verlängert hatte, der mit 16 Jahren ein „Naturfreak“ gewesen war, der ein Leben außerhalb der Zivilisation wie der Survivalspezialist Rüdiger Nehberg leben wollte, dabei aber in einem Strandhotel in Brasilien strandete, machten sie in dem Lager keine allzu gute Figur. Die Umstände waren ärmlich, die Ernährung ebenso, medizinische Versorgung kein Thema, also inexistent, das Reisen in dem rauhen Bergland war körperlich ziemlich anstrengend gewesen.
Jeder, der in seiner Jugend mal als Backpacker in Südasien unterwegs war, wird das bestätigen können. Aber mich wunderte die Blauäugigkeit und das Gottvertrauen, mit dem die vier Helden sich in eine solche Region begeben haben. Ich glaube nicht, dass sie auch nur den geringsten Gedanken an Medizin verschwendet hatten.
Das Ergebnis: Alle vier wurden krank. Malaria, Hepatitis, die üblichen Krankheiten halt, gegen die man ja auch Vorbeugemaßnahmen treffen könnte.Fritz Gelowicz wurde sogar vom Brot krank, er vertrug es nicht. Ich vermute Zöliakie oder eine Allergie. Es gab aber kaum was anderes.Atilla Selek bekam Malaria und Hepatitis.Genauso erging es übrigens Ömer Ö, der in Koblenz vor Gericht steht. Er erkrankte lebensgefährlich an Malaria. Daniel Schneider vertrug die Strapazen wohl besser, er blieb mehrere Monate in Waziristan, und nahm wohl auch, wie Adem Yilmaz, an einer Patrouille teil, die ins Kampfgebiet nach Afghanistan führte. Ihm gefiel es dort wohl ganz gut. Er verglich die Ausbildung im Feld mit dem Biwak bei der Bundeswehr: „ein bißchen „Bundeswehr auf islamisch“ sei das gewesen. Ein Pashtune soll ihm sogar seine Tochter zur Heirat angeboten haben.Er könne sich vorstellen, später in einem islamischen Land Soldat zu sein, meinte er.
Die Anführer im Camp müssen sich gesagt haben, dass man weder im rauen pakistanisch/afghanischen Grenzgebiet noch im Irak blutige Anfänger, die so wenig belastbar waren, gebrauchen konnte. Adem Yilmaz sagte es ganz treffend: „Die brauchen keine Weicheier aus Europa, wenn sie Leute haben, die 30 Kilometer am Stück laufen können.“ Daher kamen die Ausbilder schließlich auf die Idee, diese Freiwilligen dahin zu schicken, wo sie sich auskannten und von größerem Nutzen wären als im Kampfgebiet: zurück nach Europa. Dort sollten sie Anschläge durchführen. Vor allem gegen amerikanische Einrichtungen, Kasernen und Pubs. Zunächst wollten die wohl nicht, sie wollten richtig doch kämpfen! Aber dann hätten sie eingesehen, dass sie in Europa dem Jihad nützlicher wären.