vonHildegard Willer 07.04.2011

taz Blogs


Willkommen auf der Blogplattform der taz-Community!

Mehr über diesen Blog
Eine junge Leserin stellte mir die Frage, warum die Peruaner eine so grosse Abneigung gegenueber Hugo Chávez haben, wenn er doch sonst als Held präsentiert wird ?

Eine gute Frage. Nun ist mit Hugo Chávez heute kein grosser Staat mehr zu machen. Sein Status als Revolutionsheld a la Che Guevara verfällt immer mehr. Seit George W. Bush als hemdsärmliger Gegenspieler von der politischen Weltbühne abgetreten ist, steht Chávez heute ziemlich isoliert da als Haudegen mit diktatorischen Allüren in der politischen Landschaft Südamerikas. Seine Verbündeten sind zunehmend Diktatoren oder demokratisch gewählte Autokraten: Fidel Castro, Daniel Ortega, Gaddafi. Vor allem aber: Seinem Land, Venezuela, geht es trotz seines Ölreichtums, wirtschaftlich immer schlechter – nicht gerade ein Leistungsausweis für den bolivarianischen Sozialismus.

Dennoch ist die Frage der Leserin berechtigt, denn in Peru mochte man Hugo Chávez noch nie. Auch nicht zu den Zeiten, als der Bolivarianismus a la Chávez noch als hoffnungsvoller Gegenentwurf zum neoliberalen Washington-Consensus galt. Auch in Zeiten, in denen Chávez eine demokratische Wahl nach der anderen gewann – erwiesenermassen ohne Trickserei – sprach man in Peru schon vom „Diktator Chávez“. Ich erinnere mich an die Schlagzeile der linken Tageszeitung „La República“ im April 2002,nachdem Hugo Chávez für kurze Zeit von der Ultrarechten Venezuelas in einem Staatstreich abgesetzt wurde: „Cayó otro dictador“, „Wieder ein Diktator gefallen“.
Hugo Chávez war damals alles andere als ein Diktator, sondern Opfer eines Staatsstreiches. In Peru jedoch, noch berauscht vom eigenen Erfolg, den Fast-Diktator Alberto Fujimori durch friedliche Massenproteste abgesetzt zu haben, setzte man Hugo Chávez – willkürlich, unbewusst ? – mit Alberto Fujimori gleich. Die Anti-Chavisten aus Venezuela waren damals gern gesehene Gäste in peruanischen TV-Talkshows und die Putschisten gegen Chávez wurden  als Helden der Demokratie gefeiert. Die Zivilgesellschaft , das waren in Peru damals die demokratisch und links Gesinnten , die gegen Alberto Fujimori auf die Strasse gingen. In Venezuela bezeichneten sich dagegen die dem rechten Langer angehörenden Anti-Chavisten auf der Strasse als Zivilgesellschaft. Die irreführende Gleichung, dass Zivilgesellschaft gleich Zivilgesellschaft sei, dass die Bürgerbewegung gegen Alberto Fujimori verwandt sei mit der Bürgerbewegung gegen Hugo Chávez, wurde noch verstärkt, als der flüchtige peruanische Geheimdienstchef Vladimiro Montesinos nach Monaten in Venezuela aufgespürt wurde. Bis heute nicht ganz klar ist, ob Montesinos Deckung von Hugo Chávez hatte.

Beides führte dazu, dass es in Peru seit Jahren nicht möglich ist, positiv von Hugo Chávez zu reden, ohne politischen Selbstmord zu begehen. Die Rechte mochte Hugo Chávez sowieso noch nie, aber auch die Linke vermochte nie, einigermassen objektiv oder gelassen über Chávez zu reden.

Einige Peruaner würden vielleicht sagen, dass sie es damals schon spürten, dass der Hoffnungsträger Chávez zum Diktator mutieren würde. In meinen Augen zutreffender ist die Hypothese, dass die Zeitgleichheit vom Kampf gegen das autoritäre Regime des Alberto Fujimori und die Selbstinszenierung der protestierenden Anti-Chavistas als Zivilgesellschaft gegen ihr Regime zu einem Trugschluss führte.

Ollanta Humala hat das begriffen. Ein Bild wie vor 5 Jahren von Hugo Chávez und Ollanta Humala in freundlichem Einvernehmen wird es in diesem Wahlkamp nicht geben.

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/warum_hugo_chvez_in_peru_kein_bein_auf_den_boden_bekommt/

aktuell auf taz.de

kommentare