vonMartin Kaul 15.08.2011

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Persönlichkeitsrechte sind ein hohes Gut. Das betont die taz in ihrer Berichterstattung konsequent – zuletzt etwa im Zusammenhang mit der Handydatenaffäre von Dresden. Geht es um die Verwendung sensibler Informationen, müssen Journalisten abwägen, ob und inwiefern ein öffentliches Interesse Eingriffe in diese Rechte rechtfertigt. Ein Burschenschaftler will der taz nun verbieten lassen, aus Mails zu zitieren, die er geschrieben hat. Am Mittwoch wird dies vor dem Landgericht Braunschweig verhandelt. Der Fall ist relevant, weil es um die Frage geht: Wo hört Pressefreiheit auf, wo fängt Persönlichkeitsschutz an?

Im Juli berichtete die taz, dass rechte und erzkonservative Burschenschaften per Mail einen Putsch in der “Deutschen Burschenschaft” (DB) planten. Hintergrund war ein teils völkisch und rassistisch geprägter Streit darüber, ob ein Mann nicht-deutscher Herkunft Mitglied der DB sein könne. Die DB ist mit 120 Mitgliedsburschenschaften, rund 1.300 Aktiven und 10.000 sogenannten “Alten Herren” der größte deutsche Dachverband von Burschenschaften. Ein mächtiger “Alter Herr”, der in der DB die Strategiekommission leitet, will diese Berichterstattung unterbinden.

Im konkreten Fall hatte die taz aus einer Mailkommunikation unter erzkonserativen Mitgliedern zitiert, in der der jetzige Kläger sein Bestreben dokumentierte, mit einer “klaren Strategie” und einer “monatsgenauen Roadmap” die Macht im Verband zu “übernehmen”. Die “Liberalinskis” im Verband sollten davon nicht erfahren, schrieb er darin. Die Echtheit der Mails bestreitet der Kläger nicht.

Der Mann, der der “Karlsruher Burschenschaft Tuiskonia” angehört und in der taz nur anonymisiert genannt wurde, will, dass aus seinen Mails nicht zitiert werden darf, weil das seine Persönlichkeitsrechte verletze. Er argumentiert: In den Mails sei betont worden, dass die Gedanken nicht für Außenstehende bestimmt seien. Die taz sagt: Gerade der exklusive Verschwörungsgehalt, mit dem bewusst eine Übernahme des Verbands durch rechte Gruppen geplant werden sollte, unterstreicht die Relevanz. In der vordemokratischen, Jahrhunderte alten Burschenschaftskultur, die in vielen Studentenstädten zum Alltag gehört, wird bis heute häufig völkisches Denken gepflegt. Viele Burschenschaftler bekleiden relevante gesellschaftliche Positionen.

Die Frage, wie weit Medien aus Emails zitieren dürfen, hat auch in der Vergangenheit Gerichte beschäftigt: Das Landgericht Hamburg hatte im Jahre 2008 dem Spiegel erlaubt, aus Emails des NPD-Vorsitzenden Udo Voigt zu zitieren. In Berlin ist dagegen kürzlich der Bild-Zeitung untersagt worden, aus Emails von einem geklauten Laptop des früheren brandenburgischen Innenministers Rainer Speer zu zitiere. Die Mails betrafen dessen Privatsphäre. Im Fall des Burschenschaftlers hat dieser die Mails, die ausschließlich den DB betreffen, allerdings an eine Vielzahl von Empfängern versendet. Die taz verteidigt daher ihr Recht, aus solchen Vorgängen die die Sozialsphäre betreffen, zitieren zu dürfen.

Der Kläger kam bei uns anonymisiert, aber direkt zu Wort, obwohl er es nicht wollte. Wir meinen: Das muss – in jedem Einzelfall gut begründet – möglich bleiben, wenn Medien auch künftig bedenkliche Entwicklungen beleuchten sollen, die im Verborgenen spielen.

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https://blogs.taz.de/warum_wir_auch_weiterhin_zitieren_duerfen_muessen/

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