Giftige und ungiftige Poller (Weissrussisches Plakat)
„Der Super-Präsident“ so nennt der „stern“ den Altbundespräsidenten Richard von Weizsäcker, weil die Redaktion annimmt: „Er gilt immer noch als der beste Bundespräsident, den Deutschland je hatte“. Der „Spiegel“ kann diesen Eindruck nur verstärken: „Richard von Weizsäcker galt als idealer Bundespräsident“
Zur Erinnerung:
Die taz schrieb am 17.1. 1994:
Am 22. Dezember 1993 wurde Hellmut Becker in Zehlendorf beerdigt, er hatte nach der Befreiung im berühmten Wilhelmstraßenprozeß Staatssekretär Ernst von Weizsäcker verteidigt. Dessen Sohn, Richard, der damals Hellmut Becker bei der PR-Kampagne der Verteidigung geholfen hatte, erschien nun mit seinen bundespräsidialen Bodyguards auf dem Waldfriedhof, wo auch Wolfgang Neuss ruht. Die Rede hielt eine Pastorin. Die quasi offizielle Würdigung Beckers erledigten die Feuilletonisten, die natürlich – feige – kein einziges Wort über seine und Richard von Weizsäckers üble Verteidigung in Nürnberg verloren!
Das holen wir hier deswegen nach: Der Hauptankläger im Nürnberger WilhelmstraßenProzeß war Robert M.W. Kempner, ein preußischer Jurist, der mit den Amerikanern aus der Emigration zurückgekehrt war und den die Zeit dann 1950 im Zusammenhang mit seiner Weizsäcker-Anklage mit Roland Freisler verglich, gar als „Menschenjäger“ beschimpfte. Hellmut Becker und Richard v. Weizsäcker gelang es damit, den angeklagten Schreibtischtäter Ernst von Weizsäcker, der immerhin die Eichmannsche Deportation ausländischer Juden eigenhändig abgesegnet hatte (natürlich nur, um „Schlimmeres zu verhüten“), als Widerstandskämpfer zu verkaufen. Robert M.W. Kempner starb einige Monate vor Hellmut Becker, er wurde am 24. August auf dem Lichterfelder Parkfriedhof beerdigt, wo sich auch das Grab seiner Mutter, Lydia Rabinowitsch-Kempner, die erste preußische Professorin und Feministin, befindet. Die Rede in der Kapelle hielt Ignatz Bubis, und der sprach unter anderem von der „Freundschaft“ zwischen dem Verstorbenen und dem jetzigen Bundespräsidenten seit dem Nürnberger Prozeß.
Hier irrt Bubis! Um es mit Harry Rowohlt zu sagen, der das seinerzeit zu Siegfried Unselds lügenhafter Leichenrede überm Grab seines Bruders, Ledig-Rowohlt, geäußert hatte.
Ignatz Bubis bekam bereits im September einen Brief von Kempner-Fan H.D. Heilmann, in dem dieser ihm unter anderem mitteilte: „Kempner sprach mir gegenüber vom ,Freundeskreis der Kriegsverbrecher‘, dessen Spiritus rector die Verteidigung (H. Becker, R. v. Weizsäcker) gewesen war; und ich darf bemerken, daß Kempner nach Abschluß dieses Verfahrens ein zweitesmal ,emigriert‘ ist.“ In anderen Worten: Die Weizsäcker- Säcke, das waren in Kempners Augen die Schlimmsten! Freundschaft?! „Sie verdienen diese Hatz/like rats!“ so das Motto seiner Erinnerungen „Ankläger einer Epoche“.
Bubis hielt es nicht für nötig, Heilmanns Brief zu beantworten. Dafür reagierte er aber, und das sei hier nun dankbar vermerkt, auf einen anderen Brief – von der Witwe des am 15. 2. 92 verstorbenen Politbüro-Mitglieds Hermann Axen, Sonja Axen. Sie, die ebenso wie ihr Mann eine „Verfolgte des Naziregimes“ war und zuletzt als Chefredakteurin der Kinderzeitschrift Bummi gearbeitet hatte, bekommt heute – wg. Staatsnähe – keine Sonderrente, dazu lebt sie noch bei ihrer Tochter in Karlshorst in einem Haus, aus dem das Bundesvermögensamt sie gerade vertreibt. Bubis versicherte ihr nun: 1. hat der VdN-Status (Sonja Axen saß im Zuchthaus, ihr Mann war in Auschwitz gewesen) nichts mit „Staatsnähe“ zu tun, und 2. bekommt sogar die „Witwe von Roland Freisler“ eine bis heute steigende Rente.
Übrigens: Erich Honecker wurde in Moabit ausgerechnet von Hellmut Beckers Sohn Nicolas verteidigt. Der Staatsratsvorsitzende bekommt eine VdN- Rente. Was für ein Durcheinander.
Auf diesen Artikel folgte ein Leserbrief:
Ob die Nachrufer „feige“ waren, wenn sie Hellmut Beckers Verteidigung des Staatssekretärs Ernst von Weizsäcker nicht erwähnten (die vier Nachrufe, die ich gelesen habe, haben sie erwähnt!), kann man so oder so beurteilen – wie auch die Tätigkeit des Vaters unseres Bundespräsidenten. Daß ein Angeklagter auch in einem Kriegsverbrecherprozeß das Recht auf eine juristische Verteidigung hat und daß man einem solchen Verteidiger seine Tätigkeit nicht vorwerfen darf und schon gar nicht seine Erfolge, gehört zum Einmaleins des Rechtsstaates. Ausgerechnet die taz beschimpft den nun eben verstorbenen Hellmut Becker mit „Weizsäcker- Sack“, nennt, was er tat, „übel“ und unterstellt, sein Sohn habe es genauso schlimm getrieben, indem er die Verteidigung Honeckers übernahm. taz freut sich solcher „Hatz“. „Welch ein Durcheinander!“
Hartmut von Hentig, Enger
Auf diesen Leserbrief folgte ein weiterer Leserbrief:
In der „Normalzeit“ erhebt Helmut Höge Vorwürfe gegen den verstorbenen Hellmut Becker, der im Wilhelmstraßen-Prozeß zusammen mit dem heutigen Bundespräsidenten dessen Vater, den Staatssekretär des Außenministers Ribbentroo, Baron Ernst von Weizsäcker, verteidigt hatte. Am 31.1. erscheint ein Leserbrief Hartmut von Hentigs, der sich gegen die Darstellung Helmut Höges wendet. Seiner Meinung nach darf man aus rechtsstaatlichen Gründen einem Verteidiger seine Tätigkeit nicht vorwerfen und schon gar nicht seine Erfolge.
Der Erfolg heiligt die Mittel. Er bestand darin, dem Staatssekretär der Nazis mit einer auf Lügen und Ausreden aufgebauten Verteidigung zu einer milden Strafe verholfen zu haben (fünf Jahre) – und damit in der Folge noch einer Reihe weiterer Angeklagter.
Das scheint für von Hentig belanglos zu sein. In der Attitüde des distanzierten Gutachters bemerkt er sogar zur Tätigkeit des Ernst von Weizsäcker, man könne das „so oder so beurteilen“.
Schon für die Nachkriegszeit war es bezeichnend, daß der Wahrnehmung konkreter Verhaltensweisen profilierter Personen der Nazizeit ausgewichen wurde. So kam es auch nicht von ungefähr, daß Leute, die in die Machenschaften der Nazis involviert waren, in der BRD glänzende Karrieren machen konnten.
Später hatte auch Hellmut Becker, den Kempner zum „Freundeskreis der Kriegsverbrecher“ zählte, hervorragende Erfolge als Koryphäe im Bildungssektor. So begibt sich Hartmut von Hentig – zumindest durch Wegsehen – hier in eine Komplizenschaft, die wohl damit zu tun hat, daß er sich im bürgerlichen Wissenschaftsbetrieb, u.a. in wiederholter Zusammenarbeit mit Becker, arrangiert hat. Aber auch das kann man so oder so beurteilen.
Welch eine Beliebigkeit.
Paul Teschke
Die FAZ scheint Weizsäcker und sein Netzwerk ähnlich wie Spiegel/Stern/Welt/SZ etc. für „Geistesaristokraten“ zu halten , sie schreibt im Zusammenhang der Pädophilie-„Vorkommnisse“ an den Elite-Internaten Odenwaldschule, Salem, Birklehof am 16.4.2010 u.a.:
Im Internat Birklehof kreuzten sich die Wege deutscher Geistesaristokraten. Hartmut von Hentig, der Lebensgefährte des früheren Direktors der Odenwaldschule, kam 1953 als Lehrer an die Schule. Sein Vorgänger war wegen Kindesmissbrauchs entlassen worden.
Während seines Philosophiestudiums in Freiburg in den dreißiger Jahren traf der spätere Heidelberger Religionsphilosoph Georg Picht auf den jungen Jurastudenten Hellmut Becker und las mit ihm ein Semester lang täglich Stefan George. Die beiden kannten sich schon aus ihrem Elternhaus: Pichts Vater Werner leitete das Referat Erwachsenenbildung im Preußischen Kultusministerium während der Amtszeit des Kultusministers Carl Heinrich Becker, des Vaters von Hellmut Becker. Hellmut Becker blieb nicht nur Picht zeitlebens verbunden, sondern auch dem Vorstand des Birklehofs, nachdem er den Vorstand des Internats Salem verlassen hatte.
So kam es, dass Hellmut Becker, dessen Tochter in Salem zur Schule ging, seinem Freund 1953 aus einer misslichen Lage half: Picht hatte seinen Griechischlehrer Dr. G. entlassen, weil dieser einem der „interessantesten, hübschesten und labilsten“ Kinder „zum Opfer gefallen“ war, wie Hartmut von Hentig in seinen Memoiren in bekannter Diktion schreibt. Genaueres wird freilich verschwiegen. Die anwaltliche Vertretung der Schule hatte, wie konnte es anders sein, Hellmut Becker übernommen.
Weiter heißt es in der FAZ:
Seine Schüler mochten Hentig, weil er sich Streiche ausdachte, die am Birklehof nach einem ungeschriebenen Gesetz der damaligen Zeit straflos ausgingen, wenn sie wirklich originell waren. Inmitten des ältlichen Kollegiums, eines Panoptikums von Nachkriegsexistenzen, die vieles konnten, aber das Unterrichten nicht gelernt hatten, fiel Hentig auf, allerdings nicht durch guten Unterricht: „Meinen schlechten Unterricht haben sie mir verziehen, ja sie haben ihn zu retten versucht, weil sie mich als Person schätzten – einen Vierundzwanzigstunden-Ratgeber“, schreibt Hentig über seine Schüler. Einer von diesen sagt, Hentig sei ein facettenreicher, verzaubernder Traumtänzer gewesen, der begeistern konnte. Der Hentig-Schüler Karl Heinz Bohrer beschreibt dessen Stil wegen der frühmorgendlichen Waldläufe als Mischung aus Spartanertum und amerikanischer Lässigkeit.
Zum damaligen Lehrerkollegium gehörten zwei Lehrer, die wegen ihrer Nazi-Vergangenheit ihre Lehrstühle eingebüßt hatten, aber auch „Schuschu“, Charlotte Gräfin von der Schulenburg, die Witwe des Widerstandskämpfers Fritz von der Schulenburg, der nach dem gescheiterten Attentat auf Hitler hingerichtet worden war, sowie die verwitwete Adelheid Gräfin Eulenburg (die Eule). Sie war die Schwester Carl Friedrich von Weizsäckers, eines engen Freundes Georg Pichts, über den Weizsäcker später sagte, er habe ihn nicht nur mit Platon, sondern auch mit George vertraut gemacht.
Einen Großteil der hier versammelten Namen finden wir wieder in der 1230 Seiten dicken Untersuchung der „deutschen Wirtschafts- und Vernichtungspolitik in Weißrussland von 1941 bis 1944“ – des in Berlin lehrenden Historikers Christian Gerlach: „Kalkulierte Morde“, die noch vom Hamburger Reemtsma-Institut veröffentlicht wurde, wo Gerlach zuvor tätig gewesen war:
Neben Jugoslawien gab es die stärkste Partisanenbewegung in Weißrußland – Weißruthenien von den Deutschen genannt. Es ging ihnen hier jedoch nicht nur um die Bekämpfung der Widerstandsbewegung und ihres Sympathisanten-Umfeldes, sondern um die systematische Vernichtung der „unnützen Esser“ – also um Völkermord. Wie Christian Gerlach nachweist, wurden gefangene Partisanen, sofern man sie als noch arbeitsfähig einstufte, sogar mitunter am Leben gelassen. Im Gegensatz zu den Bewohnern ganzer Regionen, die man zu „toten Zonen“ erklärte und „flurbereinigte“. Nur „etwa 10 bis 15 Prozent aller Opfer der deutschen Aktionen waren Partisanen“.
Bei der Verfolgung und Deportation der weißrussischen Arbeitslosen, Juden, Zigeuner und Kinder taten sich merkwürdig viele der späteren Hitler-Attentäter hervor: von Stauffenberg, von Weizsäcker, Yorck Graf von Wartenburg, von Gersdorff, von Tresckow, von Boeselager, Graf von Schulenburg, Arthur Nebe, Otto Bräutigam, Adolf Heusinger etc…
Der Vernichtungsfeldzug unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten in Weißrußland erforderte das Zusammenwirken vieler Dienststellen und Experten. Christian Gerlach hebt außerdem hervor, daß die West-Alliierten nach dem Krieg diese quasi-wissenschaftliche Form der deutschen Widerstandsbekämpfung auswerteten – und hernach in Algerien, Malaysia, Griechenland, Vietnam, auf Zypern und auf den Philipinen erneut praktisch umsetzten. Im Nürnberger Kriegsverbrecher-Prozeß hatte der US-Ankläger Kempner den zu Arthur Nebes Verteidigung bestellten „Sachverständigen der Widerstandsbewegung“ von Schlabrendorff erbost gefragt: „Wieviele Juden darf man denn ermorden, wenn man das Endziel hat, Hitler zu beseitigen – wieviele Millionen?“
Es war vorgesehen, die sowjetische Bevölkerung um etwa dreißig Millionen zu reduzieren (primär durch einen „Hungerplan“). Eine US-Journalistin bezeichnete Weißrußland 1946 als das „am meisten verwüstete Land der Erde“. Seit 1942 entstanden dort aber auch 1108 Partisaneneinheiten und -abteilungen – und es gab riesige „befreite Gebiete“.
Am 3. Juli 1944 wurde die Hauptstadt Minsk durch die Rote Armee befreit. Berühmt wurden jedoch die Bilder von den anschließend durch die Stadt paradierenden Partisanen-Brigaden, bei denen die Kämpferinnen – von den Deutschen stets „Flintenweiber“ genannt – vorneweg marschierten. Und bis heute gibt es in Minsk eine umfangreiche Partisanenforschung. Die den Aufstand vorbereitenden Partisanen wurden in Weißrußland am weitestgehendsten mit der Dorfbevölkerung identisch – während die Städte von den Deutschen hier am weitestgehendsten entvölkert wurden. Dennoch hielt sich auch in der zerbombten Hauptstadt Minsk eine Widerstandsgruppe. Am 22.September 1943 gelang ihr ein Bombenattentat, dem der Generalkommissar für Weißruthenien Wilhelm Kube zum Opfer fiel. Die Attentäterin war sein Zimmermädchen Jelena Masanik, ihr gelang die Flucht zu den Partisanen aus der Stadt heraus. Die Deutschen konnten hier ihre anschließenden Vergeltungsmaßnahmen kaum mehr steigern. Aber auch die Partisanenbewegung umfaßte inzwischen einen großen Teil der Wehrfähigen.
Der Berliner Journalist Paul Kohl hat die Attentäterin Masanik noch 1994 für eine SFB-Rundfunksendung über das Attentat interviewt. Außerdem veröffentlichte er gerade einen Roman, mit dem Titel „Schöne Grüße aus Minsk“, in dem Jelena Masanik den Sprengstoff von einem deutschen Journalisten bekommt, der bei der „Minsker Zeitung“ arbeitete. Dieser fiktive Plot erlaubt dem Autor jede Menge innere Monologe eines Anderen Deutschen. Diese Konstruktion hat sich bereits bei Spielbergs Film „Schindlers Liste“ bewährt und gerade wird sie noch einmal von Costa-Gavras angewandt, der Rolf Hochhuths „Stellvertreter“ verfilmt, in dem es um den frommen SS-Mann Kurt Gerstein geht, der gegen die Judenvernichtung opponierte. Gedreht wird dieser Politthriller – mit Ulrich Tukur in der Hauptrolle – in Ceuausescus Budapester Palast, in den anschließend der Vatikan eingescannt wurde. Ähnlich ist es bei dem Film „Der Pianist“, den Roman Polanski – in der Babelsberger „Sonnenallee“- Großkulisse – drehte. Diesem „Eurofilm“ liegen die Erinnerungen von Wladyslaw Szpilman zugrunde, der von einem deutschen Wehrmachtsoffizier gerettet wurde.
Der westdeutsche Historiker Bernd Bonwetsch schreibt – in Zusammenfassung einer Aufstandsforschungsarbeit: „Ganz allgemein läßt sich wohl feststellen, daß alle Motive und Formen des Verhaltens gegenüber der Besatzungsmacht wie gegenüber der Sowjetmacht in Gestalt der Partisanen vorgekommen und belegbar sind und daß die Unterstützung der Partisanen dort am schwächsten war, wo die Kollaborationsneigung sich als relativ stark erwies“. Die wissenschaftliche Durchdringung von Attentat und Aufstand nähert sich der völligen Indifferenz von Gut und Böse – Kollaboration und Widerstand. Ein Zwischenschritt dahin war der Täter-Opfer-Dualismus. Zur gleichen Zeit wurden in der Neuen Ökonomie aus Gegnern plötzlich Partner, wie bereits J.F.Lyotard 1984 bitter bemerkte.
Ich bin abgeschweift, zurück zu den „Denkschriftstellern“:
So könnten man den Widerstand des 20.Juli 1944 bezeichnen, denn die daran Beteiligten waren allesamt eher begnadete Denkschriftersteller als Attentäter und Putschisten, eine Mehrzahl war adlig und als Offiziere im Dienst. In der DDR sprach man denn auch abfällig von einem „Widerstand nach Gutsherrenart“. Erst in den Achtzigerjahren genehmigte man dort auf einigen ehemaligen Gütern der Hingerichteten Gedenkstätten. Etwa zur gleichen Zeit, da auch die polnischen Kommunisten sich mit den Veteranen der bürgerlichen Untergrundarmee aus dem Warschauer Aufstand halbwegs versöhnten. Heiner Müller meinte noch 1988 in bezug auf Stauffenberg, es sei doch typisch, dass die deutsche Elite ausgerechnet einen Einarmigen mit der entscheidenden Tat beauftragte.
Spätestens seit der widerlichen Bambi-Verleihung durch Hubert Burda (Bunte) und Frank Schirrmacher (FAZ) an den Stauffenberg-Darsteller und Scientology-Botschafter Tom Cruise – ausdrücklich wegen seines „Mutes“, einen Stauffenberg verherrlichenden Hollywoodfilm zu drehen, reagierten die weniger vom Schicksal begünstigten letzten Redakteure/Beamte der öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten mit einer erneuten Aufklärungskampagne über den letzten deutschen Widerstand und seine Hinter- sowie Abgründe – bis hin zu einer andauernden Knopp-Schau.
Für die Linke sind Stauffenberg und seine Mitverschwörer – in der Heeresverwaltung, in der Abwehr und ihrer Division Brandenburg, im Auswärtigen Amt und im Ost-Ministerium, etwa 500 insgesamt, von denen dann 50 hingerichtet wurden – jedoch weniger wegen ihres außerdienstlichen Willens, Hitler umzubringen und schon gar nicht wegen ihrer vielen Denkschriften, in denen sie ein neues Deutschland en gros et en détail entwarfen, wichtig, sondern weil sie in ihrem Dienst versuchten, und das gilt insbesondere für den Stauffenberg-Kreis im engeren Sinne, aus dem Krieg einen Bürgerkrieg zu machen – aus dem Angriff heraus sozusagen.
Während sie sich für Deutschland nur einen rettenden Putsch durch eine kleine Elite vorstellen konnten, versuchten sie in der Sowjetunion systematisch und meist gegen Hitler einen breiten Widerstand von unten aufzubauen. Dazu rekrutierten sie nach und nach alle Minderheiten, derer sie habhaft werden konnten, zumeist in Kriegsgefangenenlagern. Kalmücken, Kosaken, Krimtataren, Armenier, Georgier, Tschetschenen, Ukrainer, Aserbaidschaner etc.. Diese Söldner sollten ihre „Heimat“ von allen Juden und Kommunisten, was für sie identisch war, befreien. Hitler war lange Zeit dagegen, weil er diese Gebiete Deutschland einverleiben wollte. Aber die Ostfront-Generäle waren nur allzu gerne bereit, mit diesem teilweise hochmotivierten Menschenmaterial ihre immer größer werdenden Frontlücken zu stopfen. Mit der Zeit entstanden aus diesem „Völkergemisch“ ganze abstammungsmäßig homogene Divisionen. Em Ende war jeder siebte deutsche Soldat ein „fremdvölkischer“. Sie wurden wegen ihrer lokalen Kenntnisse zwar gerne bei der Partisanenbekämpfung eingesetzt und dabei verheizt (*), gleichzeitig bemühten sich Stauffenberg et al jedoch, sie den rein deutschen Truppenteilen gleich zu stellen: Gleicher Lohn für alle! Analoge Aufstiegschancen sowie Rentengleichheit und gleiche Uniformteile. Das ging bis zur Ausbildung von Mullahs und dem Druck von islamischen Büchern sowie Zeitungen. Für jede fremdvölkische Division gab es auch einen eigenen Radiosender. Das alles half jedoch nicht, den Sieg über die Sowjetunion zu erringen.
Und so wichen diese Truppen mit den Deutschen Heeren immer weiter zurück – weg von ihrer Heimat. Stattdessen setzte man sie dann zu Teilen bei der Niederschlagung von Aufständen in Warschau, der Slowakei, in Norditalien und in Jugoslawien ein bzw. warf sie bei der Landung der Alliierten diesen entgegen. Einzig eine georgische Abteilung, auf der Nordsee-Insel Texel stationiert, verweigerte sich ihrem letzten Einsatz – als „Kanonenfutter“. Zusammen mit dem holländischen Widerstand töteten sie die 2000 deutschen Soldaten auf Texel und kämpften mit zuletzt 600 Mann auch noch gegen die auf die Insel geworfenen frischen Truppen – bis die Kanadier diese schließlich überwältigte. Die überlebenden Georgier wurden über Wilhelmshaven – wie zuvor zwischen den Alliierten vereinbart – an die Rote Armee ausgeliefert. Zunächst kamen sie in russische Gefängnisse, nach Prüfung ihrer „Heldentaten“ brachte man sie jedoch nach Tiflis, wo sie als einzige Einheit der fremdvölkischen Divisionen offiziell geehrt wurden. Weil Holland dann der NATO beitrat, verbot der niederländische Geheimdienst den überlebenden Texelanern, ihre georgischen Waffenbrüder in Tiflis zu besuchen, einmal jährlich wurde dies jedoch umgekehrt den Georgiern gestattet. Alle anderen kamen in Arbeitslager, wurden erschossen oder hatten sich in den Wirren der letzten Kriegstage einzeln verdrückt, ein größeres Kontingent der besonders brutalen Ukrainer nahmen die Amis heim in ihr Reich, wo sie im Vietnamkrieg den Grundstock von Kennedys „Green Berets“ bildeten, einige wurden auch als Schutzstaffel bei der „Berlin Brigade“ in Westberlin eingesetzt, die wenigen Intelligenzler unter den „Fremdvölkischen“ nahm schließlich die CIA bei ihren Radiosendern gegen den Osten in Dienst. Wir lernen daraus, d.h. aus Stauffenbergs Widerstandskonzept, dass eine Kollaboration mit den Deutschen sich nur in ganz selten Ausnahmefällen wirklich lohnt.
(*) Bei den deutschen Partisanen-Bekämpfungs-„Aktionen“ in Weißrußland mußten sich die Neuzugänge der Truppe – Russen und Ukrainer aus Kriegsgefangenenlagern z.B. – dergestalt bewähren, daß man die Bevölkerung eines Dorfes nackt an einer zuvor von ihnen ausgehobenen Grube hinknien ließ, und die „Neulinge“ hatten sie einzeln zu erschießen: „Zwei sind vorgeschrieben, weitere wählst du nach deinem Gutdünken. So viele du nimmst, soviel bist du wert in den Augen der Deutschen! Und das wird sofort belohnt – mit Zigaretten. Du übergibst die Pistole dem nächsten ,Fremdländer‘ (so nannten die Deutschen alle Einheimischen), und bekommst zwei Zigaretten“. Das berichtet Ales Adamowitsch in seinem Buch „Henkersknechte“ – in dem es um das Wirken des SS-Sonderkommandos Dr. Dirlewanger in Weißrussland geht. Es erschien 1982 in der DDR und 1988 in der BRD – und basiert auf Verhörprotokollen einiger nach dem Krieg in der Sowjetunion angeklagter Ukrainer aus dem Dirlewanger-Regiment. Insbesondere thematisiert es die Vernichtung des Großdorfes Borki: „Erschossene Einwohner 1112, Vom SD liquidiert 633, Auf der Flucht erschossen 282“ – so die diesbezügliche Erfolgsmeldung von Dirlewanger selbst. Diese Quoten wurden hernach vom Adjudanten des SS-Generals Gottlob Berger – SS-Brigadeführer Graf Pückler – als „sehr beachtliche Erfolge“ bezeichnet. Insgesamt soll das SS-Sonderkommando Dirlewanger allein in den Oblasten Minsk und Mogiljew 150 Dörfer vernichtet und insgesamt 120.000 Menschen getötet haben. Ein ehemaliger Angehöriger der Einheit gab nach dem Krieg in der BRD zu Protokoll: „Bei Einsätzen wurden die Dörfer umzingelt und in Brand gesetzt. Es wurden also auch Frauen und Kinder erschossen oder sonstwie getötet…Hierbei war Dirlewanger zugegen und leitete die Einsätze. Er war nicht feige und stürmte oftmals mit“.
In der ersten Hälfte des Monats Mai 1943 wurden bei den Aktionen „Draufgänger I und II“ fünf partisanenverdächtige Dörfer vernichtet. Im Monat darauf war das Sonderkommando im Rahmen der Aktion „Cottbus“ laut eigenen Angaben an der Tötung von „14.000 Partisanen und Zivilisten“ beteiligt, daneben wurden „5000 männliche und über 1000 weibliche Arbeitskräfte“ für den Transport nach Deutschland erfaßt und weitere „1000 Menschen gefangengenommen“. Zu solchen und ähnlichen „Großunternehmen“ gegen „Partisanen“ und „unnütze Esser“, die komplette „tote Zonen“ und zerstörte Städte hinterließen, wurden nicht nur weitere Mordkommandos, Einsatzgruppen und SS-Divisionen sowie Polizei-Einheiten eingesetzt, sondern auch die spanische „Blaue Division“, das französische Infantrieregiment 638, Teile der 8. Italienischen Armee, die slowakischen Infanterieregimenter 101 und 102, sowie die VIII. Ungarische Armee. Rechte deutsche Historiker bezeichnen deswegen diese konzertierten „Bandenbekämpfungs-Aktionen“ (beim Großunternehmen „Cottbus“ kamen insgesamt 16.662 Mann zum Einsatz) gerne als eine Vorwegnahme der NATO.
Noch einmal „Die Weizsäckers“ –
So hieß kürzlich eine Titelgeschichte des „Spiegel“ in der der frühere Bundespräsident Richard „Silberlocke“ von Weizsäcker als „stiller Revolutionär“ tituliert wird. Das Spiegel-Machwerk hört mit folgenden Sätzen auf: „‚Wir lernen aus unserer eigenen Geschichte, wozu der Mensch fähig ist,‘ hat Weizsäcker am 8. Mai 1985 in seiner großen Rede gesagt. Bedauerlich, dass es nicht schon vorher solche Weizsäckers gegeben hat. Vielleicht wäre der Welt dann manches erspart geblieben.“
In der taz wurde dazu bereits am 10.11. 1984 ausgeführt:
„Sie verdienen diese Hatz/like rats“ – ein Haiku des Theaterkritikers Alfred Kerr, der ursprünglich Kempner hieß, über die in Nürnberg angeklagten deutschen Kriegsverbrecher. Seine Frau, Julia Kerr, arbeitete in Nürnberg als Übersetzerin und entzifferte daneben Unterschriften und Aktenzeichen. Ihr Mann ist mit Robert M.W. Kempner verwandt gewesen, der einer der Ankläger in Nürnberg war. Seine 1983 bei Ullstein erschienenen „Lebenserinnerungen“: „Ankläger einer Epoche“ sollen hier kurz vorgestellt werden. Unter dem Titel „Rat Art“, weil Robert M.W. Kempner seinen „Job“ in Nürnberg als eine Art Schädlingsbekämpfer ansah. „In dieser Eigenschaft bin ich nach Nürnberg gekommen und ebenso meine Kollegen. Rache und dergleichen Ausdrücke passen da nicht. Es war genauso wie wenn meine Eltern vor meiner Geburt am Skutari-See in Albanien die Malariafliegen beseitigt haben. Darum bin ich gekommen.“
Als der „letzte Nürnberger“ kritisiert Kempner noch immer die exklusive Haftbarmachung der niedrigen SS- und Lagermannschaften und die Ausklammerung der Bürokratie, die sich die Hände nicht blutig gemacht, jedoch die Pläne und Befehle gezeichnet hatte. So ist zum Beispiel der Staatsrechtler Carl Schmitt für Kempner „moralisch der größte Verbrecher“ -von Schmitt stammt die Theorie des Staates als Souverän. Auf Seite 292 heißt es dazu: „Wenn man die Täter beurteilen will, wenn man sie überhaupt milder oder strenger einstufen will, dann existiert nur ein Urteilsmaßstab: Die, die es besser wußten, die feinen Pinkel sind schwerer zu bestrafen als die Kerle und Rowdies, die bei anderen Behörden waren und handgreiflich mit den Morden zu tun hatten.“ „Was heißt da hassen? Wenn ich an ein Krankenbett komme, hasse ich doch nicht den Patienten, sondern die Krankheit. Ich kann die von diesem Verbrechertumor Befallenen nur bedauern. Sie müssen aber aus der Gesellschau soweit wie möglich ausgeschaltet werden, so daß sie sich nicht wieder in den deutschen Staatskörper einwurmen.“
Beispielhaft dazu der Fall Wagner „Der Vortragende Legationsrat Horst Wagner war angeschuldigt, die mörderischen Vorlagen zur Deportation ausländischer Juden den höheren Stellen vorgelegt zu haben. Das betrachtete die Anklagebehörde als Mord. Sie klagte Horst Wagner an, in über 500.000 Fällen dem Eichmann grünes Licht gegeben zu haben.“ Doch der Angeklagte wurde rechtzeitig krank, bekam dann Krebs und starb. „Medizinisch interessant ist, daß Wagner an Krebs starb. Das Herausziehen solcher Prozesse unter so schweren Belastungen bedeutet einen ungeheuren Streß, und mehrere hervorragende Ärzte haben mir bestätigt, daß dieser Streß auf eine Krebskrankheit Einfluß hat. Mein Bruder, ein Internist, war in früheren Jahren gegenüber dem Streß- Symptom immer sehr zurückhaltend. Er ist mit Besuchern stets in seinen Rattenkeller gezogen. Wenn die eine Ratte auf der Versuchsstation an ihrer Diät gestorben war und die mit einer andern Diät nicht, hat er die Streß-Sympathisanten gefragt: ‚Glauben Sie, daß diese Ratte mehr Streß hatte als die andere?‘ Selbst dieser Walter Kempner (Erfinder der salzlosen Kempnerschcn Reisdiät) fand die Beobachtung auf meiner Versuchsstation nicht ganz abwegig, daß nämlich mehrere dieser Mordangeklagten, die jahrelange Verfahren schweben hatten, zu einem viel höheren Prozentsatz an Krebs gestorben sind als das normalerweise geschieht.“
Kempner hat später dann im Eichmann- Prozeß in Jerusalem mitgewirkt. Dazu schreibt er an einer Stelle: „Das Eichmann- Bild ist weithin vom Buch der Philosophin Hannah Arendt über die „Banalität des Bösen“ geprägt worden. Darin war allerdings etwas zu viel Philosophie. Ich habe diese Nürnberger Typen niemals banal, sondern immer als tödliche Bakerien betrachtet, denen eine füchterliche Ansteckungsgefahr anhaftet.“ (In dem FAZ-Prominenten-Fragebogen füllte Kempner neulich die Rubrik „Was hätten Sie am liebsten getan?“ so aus: Hitler in Nürnberg angeklagt! Als „Rattus Rex“ wahrscheinlich!) Kempner kommt in seinen Memoiren mehrmals auf den in Nürnberg angeklagten von Weizsäcker zu sprechen – den Vater unseres Bundespräsidenten. Ernst v. Weizsäcker war von 38 bis 43 Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, alle Judendeportationen aus dem Ausland mußten von ihm unterzeichnet werden. Bis zu seiner Verhaftung durch die Amerikaner war Weizsäcker Botschafter im Vatikan. (Und dorthin führten nach dem Krieg auch mehrere „Ratten-Linien“-so nannte man die Schleichwege, auf denen die untergetauchten Nazi- und SS-Größen ins sichere Ausland, zumeist nach Lateinamerika gelangten.) Kempner bezeichnet das ganze Auswärtige Amt als eine „Mörderbande“ und Weizsäcker als eine der „tragischsten Figuren des ganzen Wilhelmstraßen- Prozesses“. Die Art und Weise, wie Weizsäcker sich damals verteidigte, hat bis heute – im Flick-Prozeß beispielsweise – ihre Gültigkeit behalten:
„Herr von Weizsäcker“, sage ich, „was ist denn das hier für ein Papier? Da steht an einen gewissen Herrn Eichmann geschrieben, soundsoviel Juden können nach dem Osten deportiert werden.“ ‚Zeigen Sie mir das bitte, was habe ich damit zu tun?‘ ‚Herr von Weizsäcker, wenn Sie genau lesen, ich gebe Ihnen meine Lupe, schauen Sie doch mal, was ist denn da oben rechts in der Ecke? (Ich hatte vorher, weil ich meinen eigenen Augen nicht traute, das Papier dem Herrn Gaus gezeigt. Er hatte mir gesagt; ‚Selbstverständlich ist das die Paraphe von Weizsäcker‘.) ‚Hier, Sie haben zugestimmt‘. ‚Das kann mir so durch die Hände gegangen sein. Ich weiß gar nicht…‘ ‚Das ist nicht nur durch Ihre Hände gegangen‘, sage ich. ‚Sie haben doch einige Anderungsvorschläge gemacht. Sie haben dazu in gewisser Weise Stellung genommen. Sie haben eingefügt ’näher polizeilich gekennzeichnete Juden‘. Die Nazipolizei in Paris sollte erstmal nur an gewisse Gruppen rangehen‘. ‚…Ich war nicht in Paris. Ich weiß das gar nicht‘. ‚Aber ich weiß, daß man erst an die staatenlosen Und deutschen Juden rangehen wollte und dann an die französischen Juden, um die Leute in Vichy nicht zu sehr aufzuregen‘. ‚Tja, wenn ich so langsam nachdenke…‘ ‚Herr von Weizsäcker‘, sage ich, ’seien Sie ganz ruhig. Erinnern Sie sich jetzt vielleicht, nachdem ich Ihnen das gezeigt habe?‘ ‚Ja, ich erinnere mich. Ich habe mich darüber sehr aufgeregt. Ich habe das abends zu Hause erzählt – diese furchtbare Sache‘. ‚Ist das nun das einzige, das Sie mit abgezeichnet haben oder ist das mehrfach vorgekommen?‘
‚Ich erinnere mich nur an das‘. ‚Herr von Weizsäcker – aber hier und hier, mit den Holländern und Belgiern…‘ ‚Ich bin erschüttert!'“
Nicht ein Deut hat sich seitdem an diesem Stil der „Rechtfertigung“ bzw. „Verteidigung“ geändert. Sohn Richard half später der Verteidigung seines Vaters. (Die übrigens von Boehringer finanziert wurde, just jenem Konzern, dem Sohn Richard später als Vorstandsmitglied beitrat. An die Dioxinunfälle während seiner Amtszeit kann er sich heute nicht mehr erinnern.)
Die Nürnberger Ankläger fuhren nach Kressbronn, um kurz Frau von Weizsäcker zu sprechen und die ganze Atmosphäre kennenzulernen. Sie sagte: ‚Sehen Sie die Hände meines Mannes an. Es ist ausgeschlossen, daß diese Finger so etwas unterzeichnet haben‘.
Auf einmal tauchte die Version auf: „Ich habe das gemacht, um Schlimmeres zu verhüten“. „Worauf wir ihn gefragt haben, was denn das Schlimmere war, das noch verhütet werden konnte. Also zuerst: ‚Das war ich garnicht, dafür war ich nicht zuständig‘, danach: ‚das war mit innerem Widerstand‘, anschließend: ‚eigentlich wollte ich Schlimmeres verhüten‘.“ Immer dasselbe.
Als Weizsäcker dann angeklagt worden war, wurde versucht, öffentlich Druck auf das Gericht auszuüben: „Wenn ihr Weizsäcker und solche Leute verfolgt, dann arbeitet Ihr den Kommunisten in die Hände!“ Große Schlagzeilen: „Das sind die Kempners in Nürnberg, die verhindern, daß Deutschland und Amerika gerettet werden können.“ Ähnlich wird auch heute noch argumentiert. Beispielsweise wird der OMGUS-Bericht der Alliierten über die Schandtaten der Nazis im Ausland, in dem beispielsweise sehr genau die Rolle von Abs in Polen geschildert wird, bis heute in der BRD nicht veröffentlich- mit dem Argument: Das waren doch Juden, die den damals zusammengestellt haben, die wollten uns nur Übel, das stimmt alles nicht; wenn Sie das veröffentlichen, dann Überziehen wir Sie juristisch mit allem was möglich ist“, so der Rechtsanwalt Filbingers – Löffler – ein Freund von Dregger.
Zurück zu Weizsäcker in Kempners „Erinnerungen“: „Die Verteidigung lud als Entlastungszeugen seinen Sohn Carl Friedrich, den Philosophen, und der erklärte im Kreuzverhör, sein Vater sei über die damaligen Geschehnisse furchtbar unglücklich gewesen. Wenn er abends nach Hause gekommen sei, habe er darüber mehrfach geklagt. Krasser Gegensatz zu der Unwissens-Theorie! Die Ladung dieses Entlastungszeugen war ein Bumerang.“ Weizsäcker wurde zu sieben Jahren Haft verurteilt, die später auf fünf Jahre reduziert wurden.
„General Taylor hat in seiner kurzen Denkschrift über Nürnberg betont, daß er das Urteil für zu milde hielt. Warum Franz Schlegelberger zu lebenslänglicher und Weizsäcker zu fünf Jahren Haft verurteilt wurde, ist schwer zu verstehen. Staatssekretäre waren sie beide, Nationalsozialist war keiner. Sie waren Bürgerliche, beide wußten es besser, Schlegelberger allerdings war ein ganz anderer Typus; er war auch nicht Gesandter in Norwegen und in der Schweiz gewesen, mit einer Schweizer Schwiegertochter und einem Sohn, der im Krieg gefallen war. Der hätte auch nicht gewagt, die gesamte Presse mobil zu machen und behaupten zu lassen, wir nützten Sowjetrußland, wenn wir gegen einen solchen Mann vorgehen.“ Später sagte Ernst Wilhelm Bohle, ebenfalls Staatssekretär im Auswärigen Amt, aus: „Herr Kempner, Sie wissen sehr viel aus den Dokumenten, die Sachen waren aber hundertmal schlimmer“. Der Justitiar des Auswärtigen Amtes, Gaus, war der einzige, der aufgrund der erdrückenden Beweislage beschloß: „Das letzte, was ich tun kann, ist die Wahrheit zu sagen.“ Sein handgeschriebener Brief dazu wurde dann in der Münchner ‚Neuen Zeitung‘ auf der ersten Seite veröffentlicht. Wenig später traf Gaus einmal zufällig auf Weizsäcker – „Guten Tag, Herr Weizsäcker“, hat Gaus gesagt: „Herr Gaus, Sie werden verstehen, unsere Wege haben sich jetzt getrennt…“ Das war das einzige, was Weizsäcker zu ihm sagte. Man könnte jetzt die Affäre dieses Ober- Ekels zu den Akten legen, Ernst von Weizsäcker ist mittlerweile tot, aber leider ist seine Ekel-Familie noch höchst lebendig und aktiv. Außerdem beschränkten sie sich auch schon damals nicht darauf, den Vater aus den Fängen dieser jüdischen Ratten zu befreien. Albert Einstein schrieb 1939 in einem Brief an Präsident Roosevelt: „Wie ich höre, hat Deutschland tatsächlich den Verkauf von Uranerzen aus den von ihm übernommenen Bergwerken der Tschechoslowakei eingestellt. Daß Deutschland so frühzeitig eine solche Handlung vornimmt, läßt sich vielleicht dadurch erklären, daß der Sohn des deutschen Staatssekretärs von Weizsäcker dem Kaiser-Wilhelm- Institut in Berlin angehört, wo ein Teil der amerikanischen Forschungsarbeit über das Uran zur Zeit wiederholt wird.“ Tatsächlich leitete Carl Friedrich von Weizsäcker die Berliner Projektgruppe, welche die erste deutsche Atombombe bauen sollte, dies sollte parallel zum Bau der deutschen Raketen in Peenemünde und im Harz geschehen. Mit der Eroberung der Tschechoslowakei hatte man das für den Bau der Atombombe notwendige Uran zur Verfügung. Wenig später besaßen die Nazis durch die Eroberung Norwegens auch die größte Anlage zur Herstellung schweren Wassers (und der alte Weizsäcker war Gesandter in Norwegen gewesen! ). Vielleicht kann man sich jetzt vorstellen, über was diese saubere Familie abends zu Hause redete – bestimmt nicht über die unglücklichen, zur Deportation anstehenden Juden in den von den Deutschen besetzten Gebieten.
Für solche Leute bedeutete nicht einmal der Zusammenbruch des 3. Reiches einen Karriereknick. Der mittlerweile zum Buddhist herangereifte Sohn Carl Friedrich hat sich nebenbeibemerkt neulich gerade einen Atomschutzbunker in den Garten seiner Villa stellen lassen, damit er auch nach dem nächsten Krieg wieder helfend in die Geschicke der Reste des deutschen Volkes eingreifen kann. Sohn Richard ist – wie man weiß -vor einiger Zeit zum Bundespräsidenten ernannt worden: Krönung einer Familienpolitik, einer Familie, die sich immer für was Besseres hielt und für die Moral und Ethik nur etwas für die Erziehung der Plebs ist – bestenfalls. In einem ‚Zeit‘-Interview sagte Sohn Richard kürzlich in rührender Einfalt: „Es ist wahr, daß Vorstandsmitglieder großer Firmen mehr Termine bei führenden Politikern in Fraktionen und Regierung haben, als sie Stimmen auf die Waagschale bringen, aber zu glauben, daß ihnen deshalb ein überproportionaler Einfluß zukäme, halte ich für wirklichkeitsfremd… Im großen und ganzen funktioniert unser System der Checks and Balances wie beabsichtigt. Dies hat sich gerade in den letzten Wochen gezeigt“ (Der „Zeit“-Interviewer Theo Sommer begann übrigens sein Inteview mit folgendem Satz: „Herr Bundespräsident, Sie sind in den wenigen Monaten Ihrer Amtszeit im Lande zu einer moralischen Instanz geworden.“)
Die Tochter Ernst v. Weizsäckers heiratete nach dem Krieg den linken Publizisten Erich Kuby. Dafür mußte sie sich den Rest ihres Lebens von ihren beiden Brüdern sagen lassen, daß sie unter ihrem Stand geheiratet habe, und dann auch noch so einen verantwortungslosen linken Bohemien. Selbst ihre drei Kinder aus der Ehe mit Kuby haben unter diesem Druck noch zu leiden. Einerseits sind sie durch die Studentenbewegung Linke geworden, andererseits sind sie so elitär, wie nur ein Weizsäcker sein kann. Die Rache der Chromosomen nennt man so etwas wohl. Zum Schluß noch eine kleine Pointe: Die Satirezeitschrift „Titanic“ schrieb neulich der Frau des Bundespräsidenten Weizsäcker einen fiktiven Brief eines fiktiven Rosenzüchter-Vereins, in dem sie ihr von einer Neuzüchtung berichtete – eine Rose voller Anmut, Schönheit und seltener Kostbarkeit, genauso wie die Frau Bundespräsidentin -, ob sie diese Rose deswegen nach ihr benennen dürften… Postwendend kam die Antwort von Frau von Weizsäcker. Sie durften.
Robert M.W. Kempner: Ankläger einer Epoche, Ullstein-Verlag, 42 DM
OSO-Schüler beim alljährlichen Pilonen-Umreiten, einem Geschicklichkeits-Wettbewerb
(Photos: Peter Grosse)