von 02.11.2010

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Die Teilprivatisierung der Wasserbetriebe war in den Neunzigerjahren heftig umstritten. Der von CDU und SPD gestellte Senat versuchte, mit einer Reihe von Versprechungen und Verheißungen die Öffentlichkeit und die eigenen Abgeordneten von dem Geschäft zu überzeugen. Die taz dokumentiert die Ankündigungen – und überprüft, was davon ein gutes Jahrzehnt später wahr geworden ist:

Von Sebastian Heiser

Das Versprechen: Arbeitsplätze sichern

Am 16. Januar 1997 sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende Klaus Böger im Abgeordnetenhaus, es gehe bei den Privatisierungsüberlegungen zu den Wasserbetrieben „auch immer darum, Arbeitsplätze in dieser Stadt zu sichern. Wir sollten uns alle gemeinsam vornehmen, damit aufzuhören, bei diesen Fragestellungen ständig mit den vorhandenen Ängsten und Sorgen und Nöten von Menschen um Arbeitsplätze zu spielen und dies immer bei solchen Fragen in das Spiel zu bringen. Das ist nämlich unlauter, und darum geht es überhaupt nicht bei diesen Fragen. Das sollten wir alle lassen! (…) In einem Punkt gibt es überhaupt keine Frage – ich wiederhole das noch einmal –, nämlich daß es hier immer darum geht, vorhandene qualifizierte Arbeitsplätze in dieser Stadt zu erhalten.“ (Quelle: Plenarprotokoll 13/21 der Abgeordnetenhaussitzung vom 16. Januar 1997.)

Am 13. Februar 1997 sagte der CDU-Fraktionsvorsitzende Klaus-Rüdiger Landowsky im Abgeordnetenhaus über die Wasserbetriebe: „So werden wir verfahren: nicht gegen, sondern mit den Menschen, damit sie Sicherheit in Bezug auf ihren Arbeitsplatz haben.“ (Quelle: Plenarprotokoll 13/23)

Am 13. November 1997 sagte Elmar Pieroth (CDU), Senator für Wirtschaft und Betriebe, im Abgeordnetenhaus: „Wir aber sollten den Menschen in den Wasserbetrieben nicht unnötig Sorgen machen, denn deren Arbeitsplätze sind mit die sichersten in Berlin. Da haben andere Betriebe ganz andere Sorgen. Und den Menschen in den Ostbezirken sind die Arbeitsplätze in der Industrie nur so weggebrochen. Bei den Wasserbetrieben bestehen diese Sorgen wirklich nicht. (…) Wir brauchen die Wasserbetriebe als wirtschaftlichen Kern Berlins. DieWasserbetriebe und die anderen Anstalten des öffentlichen Rechts müssen manche Aktivität entwickeln, die in einer Stadt wie Stuttgart in den innovativen Bereichen, in den Notwendigkeiten, neue Technologiearbeitsplätze zu schaffen, durch Firmen wie Daimler-Benz, durch Bosch, durch SEL, durch IBM angepackt wird. Ich kann hier immer nur bis Schering und allenfalls noch Siemens zählen, und dann hören die großen Zentralen schon auf. Eine solche Zentrale sind die Wasserbetriebe. Lassen wir sie noch mehr unternehmerisch tätig werden, dann werden die Arbeitnehmer in denWasserbetrieben durch sichere, neuartige und besser bezahlte Arbeitsplätze davon profitieren, aber auch andere, die in Berlin Arbeit suchen. Bei 300 000 Arbeitslosen können wir nicht sagen: Alles muß genauso bleiben, wie es ist. – Dann bleibt auch die Arbeitslosenzahl, wie sie ist!“ (Quelle: Plenarprotokoll 13/35)

Am 30. März 1999 sagte Wolfgang Branoner (CDU), Senator für Wirtschaft und Betriebe, die Teilprivatisierung solle „eine Absicherung von Arbeitsplätzen“ bringen. (Quelle: Inhaltsprotokoll 13/88 der Sitzung des Hauptausschusses)

Am 14. Januar 1999 sagte der CDU-Abgeordnete Norbert Atzler im Abgeordnetenhaus in der Debatte über das Gesetz zur Teilprivatisierung der Wasserbetriebe: „Arbeitsplätze müssen gesichert, besser noch ausgebaut werden.“ (Quelle: Plenarprotokoll 13/57)

Am 29. April 1999 sagte Frank Steffel, stellvertretender CDU-Fraktionsvorsitzender, im Abgeordntenhaus: „Die Schaffung neuer Arbeitsplätze ist für uns ein ganz zentrales Kriterium, denn wenn Investoren ein Filetstück der Berliner Eigenbetriebe erwerben, haben sie auch die Verpflichtung, weitere Arbeitsplätze in Berlin anzusiedeln“. (Quelle: Plenarprotokoll 13/62)

In einem Beschluss des Abgeordnetenhauses vom 29. April 1999 heißt es, der Senat möge bei der Teilprivatisierung die „Stärkung des Wirtschaftsstandorts Berlin und Schaffung neuer Arbeitsplätze im Land Berlin“ durchsetzen. (Quelle: Plenarprotokoll 13/62)

Die Realität: Abbau von Arbeitsplätzen

Tatsächlich hat sich die Zahl der Mitarbeiter bei den Wasserbetrieben seit dem Geschäft von Jahr zu Jahr verringert. Zwar wurden betriebsbedingte Kündigungen über einen Zeitraum von 15 Jahren ausgeschlossen, doch die Wasserbetriebe nutzen die natürliche Fluktuation, den Verkauf von Tochtergesellschaften, Altersteilzeitregelungen und spezielle Programme zur Abfindung von Mitarbeitern, um die Zahl ihrer Angestellten zu verringern. Hier die Liste mit der Zahl der Mitarbeiter inklusive Tochterunternehmen:

1999: 6.265
2000: 6.262
2001: 6.114
2002: 5.984
2003: 5.811
2004: 5.646
2005: 5.605
2006: 5.498
2007: 5.444
2008: 5.372
2009: 5.338
2010: 5.283

Stichtag: Jeweils 31. Dezember des Jahres, für 2010 ist der Stichtag der 31. September.

Noch deutlicher wird der Personalabbau, wenn man nicht die absolute Zahl der Mitarbeiter betrachtet, sondern die Arbeitszeit. Die Wasserbetriebe haben sich nicht nur von Mitarbeitern getrennt, sondern mit vielen auch Teilzeit vereinbart. Wenn man die Arbeitszeit auf Personenjahre beziehungsweise Vollzeitäquivalente umrechnet, ergeben sich folgende Zahlen:

1999: 6.012
2000: 6.016
2001: 5.851
2002: 5.712
2003: 5.498
2004: 5.204
2005: 5.035
2006: 4.909
2007: 4.743
2008: 4.558
2009: 4.526
2010: 4.475

Stichtag: Jeweils 31. Dezember des Jahres, für 2010 ist der Stichtag der 31. September.

Das Versprechen: Stabile oder sinkende Preise

Am 13. November 1997 sagte Elmar Pieroth (CDU), Senator für Wirtschaft und Betriebe, im Abgeordnetenhaus: „Die Privatisierung kann natürlich nur erfolgen, wenn günstige Verbraucherpreise langfristig abgesichert werden.“ (Quelle: Plenarprotokoll 13/35)

Am 14. Januar 1999 begründete der CDU-Abgeordnete Norbert Atzler die Teilprivatisierung der Wasserbetriebe in der Debatte über den Gesetzesentwurf: „Die Tarife und Gebühren müssen verbraucherfreundlich gestaltbar sein. Lassen Sie mich hier einen Einschub machen: Wenn sie sich derzeit nicht senken lassen, so müssen sie zumindest stabilisiert werden, damit sie – bedingt durch den Anstieg von Lebenshaltungskosten – irgendwann in Relation dazu günstiger werden, als sie es heute sind.“ (Quelle: Plenarprotokoll 13/57)

Am 30. März 1999 sagte Wolfgang Branoner (CDU), Senator für Wirtschaft und Betriebe, die Teilprivatisierung solle „eine Gebührenstabilität beziehungsweise -senkung“ bringen. (Quelle: Inhaltsprotokoll 13/88 des Hauptausschusses)

Mit dem Gesetz über die Teilprivatisierung der Wasserbetriebe beschloss das Abgeordnetenhaus auch eine Gebührenstabilisierung bis Ende 2003. In § 3 Absatz 5 hieß es: „Jedoch darf der Gesamtbetrag für Tarife der Wasserversorgung zuzüglich der Tarife für die Entsorgung pro m3 für den Zeitraum bis einschließlich 31. Dezember 2003 den entsprechenden Gesamtbetrag zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes nicht überschreiten.“ (Drucksache 13/3613)

Am 29. April 1999 sagte der CDU-Abgeordnte Norbert Atzler, die Koalition habe mit dieser befristeten Tarifstabilisierung „eine wesentliche Komponente für die Verbraucher hinzugefügt, indem die Preise bis Ende 2003 gesetzlich festgeschrieben werden. Diese Plafonierung bedeutet für 4 1⁄2 Jahre stabile Preise, mit denen auch die Wirtschaft planen kann. Hierdurch entsteht eine reale Preissenkung in Höhe der jeweiligen Inflationsrate. Bei angenommen nur 1 % Inflationsrate jährlich verringern sich dadurch die Wasserpreise um 4 %. Die Botschaft lautet also: die Preise für Wasser werden billiger.“ (Quelle: Plenarprotokoll 16/62)

Am 29. April 1999 sagte Frank Steffel, stellvertretender CDU-Fraktionsvorsitzender, im Abgeordntenhaus: „Eine Privatisierung derWasserbetriebe kann es nur geben, wenn auch Verbraucher und mittelständische Wirtschaft durch stabile – besser sinkende – Gebühren und Preise positiv betroffen und entlastet werden.“ (Quelle: Plenarprotokoll 13/62)

In einem Beschluss des Abgeordnetenhauses vom 29. April 1999 heißt es, der Senat möge bei der Teilprivatisierung „wirksame Maßnahmen zur Konstanthaltung der Wasserpreise und – soweit unternehmenspolitisch darstellbar – eine Senkung der Wasserpreise“ durchsetzen. (Quelle: Plenarprotokoll 13/62)

Am 30. März bezog sich auch Klaus Wowereit, der damalige Haushaltspolitiker der SPD, auf diese Regelung. Er sagte im Hauptausschuss laut Inhaltsprotokoll: „Das Gesetz schreibe für den Zeitraum bis zum 31. 12. 2003 die Begrenzung der Tarife nach oben fest. Der Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen verweise zudem auf Bemühungen, durch die Unternehmenspolitik eine Senkung des Wasserpreises zu erreichen; dies sei dann aber entsprechend der Wirtschaftslage der BWB zu entscheiden.“ (Quelle: Inhaltsprotokoll 13/88 des Hauptausschusses)

Die Realität: Steigende Preise

Nachdem die befristete Tarifstabilisierung im Jahr 2003 auslief, stiegen die Wasserpreise stark an. Der Preis für ein Kubikmeter Trinkwasser inklusive Mehrwertsteuer in Euro:

1999: 1,88
2000: 1,88
2001: 1,88
2002: 1,88
2003: 1,88
2004: 2,11
2005: 2,21
2006: 2,31
2007: 2,29
2008: 2,22
2009: 2,18
2010: 2,32

Der Preis für ein Kubikmeter Abwasser in Euro:

1999: 1,97
2000: 1,97
2001: 1,97
2002: 1,97
2003: 1,97
2004: 2,33
2005: 2,45
2006: 2,47
2007: 2,55
2008: 2,57
2009: 2,54
2010: 2,47

Der Abwasserpreis ist nicht direkt vergleichbar, weil der Tarif zwischendurch in Preise für Schmutzwasser und Niederschlagswasser aufgesplittet wurde. Außerdem führten die Wasserbetriebe im Jahr 2008 zusätzlich zu den Verbrauchspreisen einen monatlichen Grundpreis ein. Bei einem Wasserverbrauch von 150 Kubikmeter pro Jahr betrug dieser 1,22 Euro pro Monat im Jahr 2008, 2,43 Euro pro Monat im Jahr 2009 und 3,65 Euro pro Monat im Jahr 2010.

Das Versprechen: Der Gewinn wird Halbe-Halbe aufgeteilt

Am 30. März 1999 sagte der SPD-Abgeordnete Thomas Gaudszun im Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses laut dem Inhaltsprotokoll, das die Wortbeiträge in indirekter Rede wiedergibt: „In Bezug auf den Verdacht, dass das Unternehmen unter den vorliegenden Voraussetzungen zu hohe Gewinne erzielen könnte, sei darauf hinzuweisen, dass es sich um eine Teilprivatisierung handele, bei der die Mehrheit und damit auch die entsprechende Mehrheit der Gewinnentnahme beim Land Berlin verbleibe. Jede besondere Effizienzsteigerung und Gewinnerhöhung komme in jedem Fall zu 51 % dem Land Berlin zugute.“ (Quelle: Inhaltsprotokoll 13/88)

Die Realität: Der größere Teil der Gewinne geht an die privaten Anteilseigner

Die privaten Anteilseigner erhielten in jedem einzelnen Jahr einen höheren Gewinn als das Land Berlin. Hier die Übersicht in Millionen Euro:

1999: 8 zu 0
2000: 135 zu 38
2001: 77 zu 0
2002: 78 zu 0
2003: 121 zu 98
2004: 134 zu 36
2005: 127 zu 58
2006: 135 zu 74
2007: 190 zu 149
2008: 128 zu 110
2009: 137 zu 133

Insgesamt steht es damit 1.270 Millionen zu 696 Millionen Euro für die privaten Anteilseigner. Das Land Berlin erhielt nicht 51 Prozent des Gewinns, sondern 35 Prozent.

Das Versprechen: Zehn Prozent des Erlöses fließen in Zukunftsfonds

Am 14. Januar 1999 sagte der CDU-Abgeordnete Norbert Atzler im Abgeordnetenhaus über den Verkaufserlös: „Zehn Prozent davon können für Zukunftsprojekte bereitgestellt werden, das heißt, wir können den Zukunftsfonds endlich einrichten.“ (Quelle: Plenarprotokoll 13/57)

Am 14. Januar 1999 sagte der SPD-Abgeordnete Hermann Borghorst im Abgeordnetenhaus: „Auch die Frage des Zukunftsfonds werden wir im Rahmen der Privatisierung so lösen, wie wir es beschlossen haben, nämlich dass zehn Prozent der Verkaufserlöse für diesen Berliner Innovations-, Zukunfts- und Forschungsfonds eingesetzt werden. Über die Details werden wir Sie sicher rechtzeitig informieren. Wir werden das gemeinsam in der Koalition beschließen.“ (Quelle: Plenarprotokoll 13/57)

Am 29. April 1999 sagte Frank Steffel, stellvertretender CDU-Fraktionsvorsitzender, im Abgeordntenhaus, „dass für uns 10 Prozent der Erlöse selbstverständlich in einen Zukunftsfonds fließen müssen, damit die hoffentlich hohen Erlöse des Landes Berlin beim Zustandekommen des Vermögensgeschäfts nicht ausschließlich zur Schuldenminimierung und zur Sanierung des Haushalts benutzt werden.“ (Quelle: Plenarprotokoll 13/62)

In einem Beschluss des Abgeordnetenhauses vom 29. April 1999 heißt es: „Das Abgeordnetenhaus fordert den Senat auf, aus dem Erlös der Teilprivatisierung 10 % in einen Zukunftsfonds einzubringen.“ (Plenarprotokoll 13/62)

Die Realität: Weniger als vier Prozent flossen in Zukunftsfonds

Bei einem Erlös von 3,3 Milliarden DM hätten 330 Millionen DM in den Zukunftsfonds fließen müssen (168,72 Millionen Euro). Nach Angaben der Technologiestiftung, bei der der Zukunftsfonds angesiedelt ist, flossen bisher erst 36 Millionen Euro in den Fonds – also erst 2,1 Prozent des Erlöses aus dem Verkauf der Wasserbetriebe. Weitere Weitere 60 Millionen DM (30,68 Millionen Euro) wurden der Technologiestiftung zugestiftet, mit den Erlösen wird etwa die Verwaltung der Stiftung mitfinanziert. Bei einer großzügigen Auslegung des Abgeordnetenhaus-Beschlusses kann man diesen Betrag noch mitberücksichtigen, so dass die bislang gezahlte Summe 66,68 Millionen Euro beträgt – also 3,9 Prozent des Verkaufserlöses statt der versprochenen 10 Prozent.

Das Versprechen: Aktien für Mitarbeiter und Kunden

Am 14. Januar 1999 sagte der SPD-Abgeordnete Hermann Borghorst im Abgeordnetenhaus in der Debatte über das Gesetz zur Teilprivatisierung der Wasserbetriebe: „Ich erinnere daran, dass wir in dem Gesamtpaket auch beschlossen haben, dass es Aktien für die Kunden und die Beschäftigten geben soll. Das ist ein ganz wichtiger Punkt, den wir festhalten sollten.“ (Quelle: Plenarprotokoll 13/57)

Das Abgeordntenhaus beschloss am 29. April 1999 mit den Stimmen von CDU und SPD, der Senat möge bei der Teilprivatisierung die “Beteiligung der Kunden und der Beschäftigten der Berliner Wasserbetriebe durch Ausgabe von Aktien“ durchsetzen. (Quelle: Plenarprotokoll 13/62)

Die Realität: Keine Aktien für Mitarbeiter und Kunden

Die Wasserbetriebe haben bisher keine Aktien herausgegeben. Die einzigen, die Anteile an den Wasserbetrieben halten und damit von den Gewinnen profitieren, sind das Land Berlin sowie die privaten Anteilseigner RWE und Veolia.

Das Versprechen: Kalkulatorische Zinsen senken die Tarife

Am 30. März 1999 stellte sich Wolfgang Branoner (CDU), Senator für Wirtschaft und Betriebe, den Fragen der Abgeordneten im Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses. Bei diesen Sitzungen gibt es kein Wortprotokoll, das Gesagte wird stattdessen auf Band mitgeschnitten und dann in indirekter Rede wiedergegeben. Branoner sagte demzufolge: „Beim kalkulatorischen Ansatz und dem, was am Ende bei den kalkulatorischen Zinsen herauskomme, die für die Preisgestaltung einmündeten, werde der Aufwand im Unternehmen jeweils höher sein und deshalb niemals die entsprechende Höhe im Gewinn ausweisen; insofern sei die These von Herrn Prof. Laule an dieser Stelle richtig. Wäre das so, käme es automatisch auch zu entsprechenden Reduzierungen der Tarife, denn diese würden nach den Regelungen im Gesetz natürlich auch an die Nutzer weitergegeben.“ Die Grünen-Abgeordnete Michaele Schreyer fragte mehrmals nach: „Die Frage, woraus der Investor seine Kapitalrendite entnehme, wenn die Preise nicht steigen und die wesentlichen Kostenfaktoren nicht gesenkt werden sollten, sei nicht beantwortet worden.“ Branoner „erklärt in Bezug auf die letzte Frage, er sei nicht der Investor und könne an dieser Stelle auch nichts über die kalkulatorischen Grundlagen der Investoren sagen“. (Quelle: Inhaltsprotokoll 13/88)

Die Realität: Kalkulatorische Zinsen erhöhen die Tarife

Der reale Zinsaufwand der Wasserbetriebe lag im Jahr 2009 bei 121 Millionen Euro. Die fiktiven kalkulatorischen Zinsen, die die Wasserbetriebe über die Tarife den Kunden in Rechnung gestellt haben, lagen im gleichen Jahr bei 278 Millionen Euro. Die kalkulatorischen Zinsen lagen damit deulich höher als die realen Zinsen; sie sind das zentrale Instrument zur Erhöhung der Wassertarife und der Gewinne.

Das Versprechen: Steigende Investitionen

Am 25. Februar 1999 wurde Wolfgang Branoner (CDU), Senator für Wirtschaft und Betriebe, in einer parlamentarischen Anfrage gefragt, ob er die Befürchtung teile, dass die Investitionstätigkeit der Wasserbetriebe deutlich sinken könne. Er antwortete: „Für den Senat ist vollkommen klar, dass wir die Investitionen und die Instandsetzung fortsetzen. Sie wissen, dass nahezu kaum ein Tag vergeht, wo nicht irgendwo ein Rohr platzt oder ein Ventil defekt ist. Das zeigt, dass insbesondere im Ostteil der Stadt über viele Jahre und Jahrzehnte auf Kosten der Substanz gelebt wurde und keine Neuinvestitionen und Sanierungsinvestitionen vorgenommen wurden. Wir haben heute den Vorstand (der Wasserbetriebe, S. Heiser) gebeten, dieses noch einmal darzustellen. Ich teile Ihre Auffassung, dass es nicht dazu kommen darf, dass durch eine überhöhte Abführung Berlins und durch überhöhte Zinsen der Investitionshaushalt gemindert wird, sondern der Investitionshaushalt für die marode Substanz im Boden muss vielleicht sogar in Teilen aufgestockt werden.“

Am 29. April 1999 sagte Frank Steffel, stellvertretender CDU-Fraktionsvorsitzender, im Abgeordntenhaus: „Die Fortsetzung der Investitionstätigkeit – die Berliner Wasserbetriebe sind einer der größten Investoren in der Region – ist für uns zentrales Kriterium für eine Zustimmung zum Unternehmensvertrag und somit zum Vermögensgeschäft.“ (Quelle: Plenarprotokoll 13/62)

Die Realität: Sinkende Investitionen

Tatsächlich ist die Höhe der Investitionen seit der Teilprivatisierung gesunken. Sie betrug in Millionen Euro:

1999: 367
2000: 286
2001: 320
2002: 362
2003: 275
2004: 298
2005: 295
2006: 274
2007: 271
2008: 269
2009: 273

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