Schon mal einen interkulturellen Garten gesehen? Allein in Berlin gibt es mittlerweile 20 davon, 10 weitere sind hier im Aufbau. Deutschlandweit wird das Netzwerk interkultureller Gärten demnächst sein 100. Mitglied begrüssen. In einem Satz gesagt bewirtschaften hier Mitglieder unterschiedlicher Kulturen gemeinsam einen Garten und kommen sich so praktisch und vielfältig näher, mehren ihren materiellen wie kulturellen Wohlstand und ihre Genüsse, erweitern den gärtnerischen wie geistigen Horizont und sind darauf dann gemeinsam stolz. Die Stiftung Interkultur fördert deren Aufbau und Vernetzung, sorgt auch dafür, dass solches Treiben jenseits der Gärten schon mal “kosmopolitan und transkulturell” genannt wird und hat für alle, die sich dem erdigen Subjekt erst mal virtuell nähern wollen, eine tolle Webseite gebaut.
(die Bilder stammen von der empfohlenen Webseite)
Dem Namen einer der dahinterstehenden Stiftungen, “anstiftung“, macht die Webseite alle Ehre – schauen Sie einfach mal nach und versuchen Sie dann noch, dem Impuls, zum interkulturellen Spaten zu greifen, zu wiederstehen. Interkulturelle Gärten sind bisher größtenteils städtische Veranstaltungen und Teil einer vielfältigen neuen und weltweiten Bewegung urbanen Gärtnerns, über die wir uns auch an dieser Stelle vielleicht öfter mal unterhalten sollten. Sie reichen von der Selbstversorgung in den Slums und Vororten lateinamerikanischer und asiatischer Megastädte über US-amerikanische Bewegungen zur Urbarmachung des sterilen Vorstadtrasens und Guerilla-Gardening bis hin zu Stadtteilgärten, “vertikaler Landwirtschaft” und Dachbewirtschaftung. Von dem eher reaktionären Impuls der Schrebergarten-Bewegung des letzten und vorletzten Jahrhunderts unterscheiden sie sich mit der gemeinschaftlichen Wiedereroberung öffentlicher Räume, Selbstbestimmung und zuweilen auch handfesten Konflikten mit Spekulanten und Behörden.
Auf der Webseite finden Sie eine Übersicht der deutschen Initiativen und interkulturellen Gärten, praktische Hinweise vom Budget über die Organisation und Landbeschaffung bis hin zur Lobbyarbeit und Bienenzucht, nebst einer Prise Theorie und Bildung und jede Menge praktische Beispiele.
Dahinter steckt übrigens ein höchst lebendiger Beweis dafür, dass Reiche keineswegs nur Steuern hinterziehen können. Jens Mittelsten Scheid ist einer der Erben des Familienunternehmens Vorwerk aus Wuppertal (dessen Geschäftsbericht übrigens ein ganz eigenes online-Lesevergnügen ist), dessen Kobold-Staubsauger langjährigen taz-Lesern vielleicht noch wegen einer skurrilen Staubsauer-Missbauchsgeschichte und deren (längst abgeschalteten) entmannenden Folgen in Erinnerung sein könnte. Während das Unternehmen mit seinem Direktvertrieb knapp 2 Milliarden Euro umsetzt, gut 20.000 Angestellte und ein halbe Million freischaffender VertriebshelferInnen in aller Welt beschäftigt, hat der studierte Philosoph es sich zur Aufgabe gemacht, “subsistenzförmige Handlungsräume zu erhalten, sichtbar zu machen und weiter auszubauen, so dass Menschen nicht allein auf Konsum verwiesen sind, sondern ihre Angelegenheiten in die eigene Hand nehmen können”. Selber machen! lautet die Devise und seine Projekte “regen zu Eigenarbeit und Eigeninitiative an und stärken Autonomie und Eigenmacht”. Schön gesagt und trefflich umgesetzt.
Am 7. Mai bekommt Jens Mittelsten Scheid dafür sogar den Deutschen Stifterpreis von Angela Merkel überreicht. Zum Ausgleich wird Heribert Prantl von der SZ die Laudatio halten. Wir gratulieren jetzt schon mal herzlichst und wünschen weiterhin einen allseits grünen Daumen.