Knapp zwanzig Jahre später ist das Radfahren immer noch kein Massenphänomen, aber trotzdem hat sich, zumindest in Santiago, eine Menge getan. Zusammen mit den zarten Ansätzen einer zweiradgerechten Infrastruktur ist auch ein neues Bewusstsein für die Vorzüge des Fahrrads gewachsen, das früher, wenn überhaupt, als Arme-Leute-Verkehrsmittel galt. Jetzt bekommt es langsam das Image, das es verdient: billig, sauber, gesund – und im Berufsverkehr dem Auto oft überlegen. Ihr Verdienst daran haben Vereine wie Bicicultura, die für eine fahrradfreundliche Gesetzgebung kämpfen, Radfestivals organisieren und das Leitbild einer ciudad ciclable (also einer fahrradgerechten Stadt) propagieren. Noch kann man hier von Berliner Zuständen nur träumen, aber die Richtung stimmt.
In anderer Hinsicht ist es sogar möglich, auf die „Fahrradstadt Berlin“ mit leichtem Stolz herabzublicken: Seit ein paar Jahren ist das Projekt CicloRecreoVía im Entstehen. Dabei handelt es sich um die allsonntägliche Sperrung von mehreren zentralen Straßenkilometern pro Stadtbezirk, auf denen dann von morgens 9 Uhr bis nachmittags 14 Uhr Menschen Rad fahren, skaten, joggen oder einfach nur spazieren gehen können. Das Angebot wird bereits in zwei Bezirken mit der Unterstüzung Freiwilliger realisiert, weitere drei Bezirke sollen bald folgen. Wenn sich die Hoffnungen der Organisatoren erfüllen, steht am Ende irgendwann ein stadtumspannendes Netz aus „Rad-Erholungs-Wegen“.
Ausgedacht haben sich das allerdings nicht die Chilenen. In der kolumbianischen Hauptstadt Bogotá werden seit Mitte der Neunziger jeden Sonntag rund 120 Kilometer innerstädtische Straße abgesperrt. Hier eine kleine Doku über die Ciclovía von Bogotá:
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Nichts gegen die alljährliche Sternfahrt – aber wann kommt die allwöchentliche Berliner ciclovía?