von 19.04.2010

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Morgens bei der Redaktionskonferenz pflaumt mich – halb im Spaß, halb im Ernst – gleich jemand an, warum ich es als Redakteur mit 13 Dienstjahren wage in der ersten Reihe Platz zu nehmen. Schließlich sollen heute die Jungredakteure, Volontäre und Praktikanten (in männlicher wie weiblicher Form) die Regie führen und wir Älteren nur assistieren. Die Jungen würden sonst nur auf den billigen Plätzen sitzen, wie U-31-Chefredakteurin Luise Strothmann in ihrem Leitartikel am ersten Tag bobachtete. Doch so gut ich die probeweise Umkehr im Blatt im Prinzip finde und Chefredakteurin Ines Pohl auch gleich demonstrativ in der zweiten Reihe Platz nahm: Praktikant war ich selbst lange genug und kenne das Gefühl. Doch das langfristige Ziel sollte eher die Aufhebung der Hierarchien sein, nicht die Umkehr.

Die jungen KollegInnen haben gleich das Layout verändert (überwiegend zum Besseren) und haben auch sonst viele Ideen, darunter die aus meiner Sicht längst überfällige Zusammenlegung der Ressorts im hinteren Teil taz.zwei, Kultur und Medien. Das mögen die Betroffenen dort anders sehen. Aber die Grundidee ist richtig, endlich wird ein alter Zopf abgeschnitten. Nur das ganzseitige Foto auf der Aufschlagseite finde ich angesichts des knappen Platzes Verschwendung. Ebenso auf der Sportseite das ansonsten ausdrucksstarke Portraitfoto von Torsten Frings mit dem großen Logo einer Bank auf der Brust. Da wird sich der Sponsor sehr über die Werbung in unserem Blatt gefreut haben. Zeiten, in denen Sportler keine Werbefläche waren, haben unter 31-Jährige wahrscheinlich nicht mehr erlebt.

Das Platzproblem: Fehlen für drei Leute mehr im Ressort Computer und Schreibtische und nervt das Platzproblem im Blatt auch oft schon an normalen Tagen, ist jetzt alles noch enger. Die Jungen haben viele Ideen und wollen – und sollen – die auch umsetzen. So ist eine von den zwei Auslandsseiten schon von vornherein verplant, was die ganze Woche so gehen soll. Viel passieren darf dann nicht mehr, die KorrespondentInnen (und auch der altgediente Kollege mir gegenüber) sollten am deshalb endlich mal ihr Schreibtische samt Vorhölle aufräumen!

Die Aschewolke und das von ihr ausgelöste Chaos wird von der Generation Easy Jet bei der morgendlichen Konferenz erstaunlich uninspiriert auf die hinteren Seiten geschoben. Die Geschichte von Gestrandeten sind offenbar zu sehr Mainstream. Aber können wir sie wirklich so klein fahren?

Julia Herrnböck, 28, aus Österreich, leitet diese Woche das Auslandsressort. Sie habe ich hier zuvor im Ressort noch nie gesehen (sie macht ein Praktikum im Ressort taz.zwei), aber sie macht ihre Sache resolut. Natürlich kann sie noch nicht alles wissen, trotzdem weiss, was sie will – und das schon die halbe Miete. Mit ihren beiden KollegInnen Alexandra Friedmann (25) imd Ariane Lemme (28) legt sie souverän die Themen fest. Würden wir uns sonst doch bloß auch so schnell einigen! Stattdessen gehört der Kampf um den geringen Platz oft zu den Tiefpunkten des Tages.

Und die taz-KorrespondentInnen in aller Welt, die zum Teil schon Jahrzehnte für uns arbeiten, nehmen erstaunt zur Kenntnis, dass sie auf einmal bei Anrufen aus Berlin freundlich gesiezt werden. Das sind sind sie so wenig gewohnt wie wir das sitzen in der zweiten Reihe bei rechtzeitigem Erscheinen zur Konferenz.

Sven Hansen, 48, Redakteur im Auslandressort

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