von 29.06.2009

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Nele Möhlmann ist eine Teilnehmerin an der zweiten taz-Akademie – und konnte zusammen mit 19 anderen Nachwuchsjournalist_innen ein Wochenende lang in der taz lernen, arbeiten und vier Seiten füllen.

Schon das ganze Wochenende hatte nicht nur ich mich gefragt, welcher Mülleimer in der netten Kaffeeküche der taz eigentlich wofür ist. In der Tonne mit dem gelben Sack tummelten sich Essensreste, in dem schwarzen Behältnis ebenfalls eine bunte Mischung Abfälle. Was lange Zeit nur eine böse Vorahnung war, wurde bald grausige Gewissheit: Die taz trennt keinen Müll. Gerne hätten wir das noch in unseren vier Seiten untergebracht, aber nach dem Kampf um jede Zeile wussten wir auf die Schnelle nicht wie und wohin, und das Editorial wollten wir uns damit dann auch nicht versauen.

Die Enttäuschung war übrigens vor allem deshalb groß, da drei Tage taz-Redaktion doch ein bisschen Hoffnung gemacht hatten in Bezug auf die Vision einer anderen, besseren Arbeitswelt. Ohne die vergötterte starre tägliche Arbeitsschleife von 9 bis 17 Uhr, ohne steife hierarchische Verhältnisse, ohne das Primat der reinen Kapitalakkumulation – das geht, dafür scheint die taz tatsächlich ein Besipiel zu sein. Dazu kommt: Wer möchte nicht gern in einem so schönen Gebäude mit geschmackvoll und persönlich eingerichteten Büros arbeiten, selbst, wenn es nicht wirklich viel Kohle gibt, dafür aber die freie Gestaltung von Themen und Seiten?

Doch es bleiben nicht nur wegen des Mülls einige Restsorgen. „Öko“, „sozial“ und „gleichberechtigt“ sind Adjektive, die Außenstehende wohl nicht zu unrecht mit der taz in Verbindung bringen. Diskussionen um Werbeanzeigen von Atomstromkonzernen, der Einstieg von Kai Diekmann in die taz-Genossenschaft, dominantes Verhalten von Männern auf Redaktionskonferenzen sowie Diskussionen um Quotierungen und geschlechtergerechte (oder -neutrale) Sprache machen den Alltag im Rudi Dutschke Haus wohl nicht einfach. So brachte die vermeintliche neue Schwangerschaft einer angeblichen Freundin eines CSU-Politikers, die am 12. Juni die Titelseite der taz zierte, einige Aufregung in die freitägliche Redaktionskonferenz. Diese ließ erstens durchblicken, wie traditionell die Wertvorstellungen mancher Mitarbeiter_innen sind und machte zweitens deutlich, wie um jedes Thema, dem ein Hauch von Populismus oder Boulevard anhängt, gefeilscht und gestritten wird. Dem angenehmen und offenen Klima der Konferenz kann eigentlich nur eines negativ ausgelegt werden: dass auch hier die Männer mehr und lauter reden als die Frauen und dass eine Quotierung des Redeverhaltens kein Thema zu sein scheint. Ich bezeichne das gerne als das Phänomen der Überheblichkeit derjenigen, die denken, dass sie sowieso schon emanzipatorisch (mindestens) einen Schritt weiter sind als alle Anderen. „Gewisser Punkt erreicht, Prädikat links und emanzipatorisch verdient, fertig!“ Und das Phänomen findet man überall, ganz gleich, ob „linker“ AstA, Antifa, oder sonstwie basisdemokratisch organisierte Organisation.

Da kam der bornierte (so die Selbstbezeichnung) Parteienforscher Franz Walter zur Redaktionskonferenz am 15. Juni vielleicht ganz recht. Völlig unverblümt erzählte der Göttinger Professor, der als externer Blattkritiker eingeladen worden war, von seiner Scham, in der Öffentlichkeit mit einer Ausgabe der taz gesehen zu werden. Das wäre ihm ebenso peinlich, wie wenn ihn auf Parteitagen der Grünen (auf der als Wissenschaftler war) einige Althippies für einen der ihren halten würden. Als er dann auch noch zugab, dass es ja ganz schön wäre, dass auch Spartenthemen in der taz bedient würden, er sich jedoch für das meiste einfach nicht interessieren würde, sah man einigen Mitgliedern der Redaktion die Kinnlade runterklappen – soviel Frechheit und Ignoranz ist vielleicht selbst die taz nicht mehr gewohnt.

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