vonJakob Hein 28.07.2011

taz Blogs


Willkommen auf der Blogplattform der taz-Community!

Mehr über diesen Blog

Nach dem norwegischen Massaker war zunächst allerorten die Vermutung, dass natürlich wieder islamistische Terroristen zugeschlagen hätten. Als sich herausstellte, dass der Terrorist sich auf Islamfeindlichkeit und den Kampf gegen das Gutmenschentum berief, wurde Kritik gegen die Stimmen laut, auf die sich Breivik offensichtlich zu berufen scheint. Der Antiislamismus von Autoren wie Geert Wilders, Thilo Sarrazin und Blogs wie „Politically Incorrect“ sowie „Achse des Guten“ wird in Beziehung zu der Bluttat von Breivik gesetzt , der diese Beziehung für sich selbst in Anspruch nimmt. Alan Posener führt aus: „Ideen haben Konsequenzen. Worte haben Folgen.“

Verständlicherweise wehren sich die angesprochenen Publizisten gegen diese Vorwürfe. So schreibt der Schriftsteller Richard Wagner :

In unserer permissiven Gesellschaft gibt es nicht wenige junge Männer, die nach der großen Aufgabe suchen. Die einen wollen das Abendland retten, die anderen wollen es zerstören, kommt es aber bei ihrem Tun nicht aufs Gleiche heraus? […] Der Attentäter inspiriert sich nicht beim “Schreibtischtäter”, er sucht nur überall nach der Bestätigung seiner Idee. […] Der postmoderne Attentäter ist schon lange kein Staatsfeind mehr, er ist ein Feind der Bürgergesellschaft. Ihn einem politischen Lager zuzuordnen, wäre falsch. Er hält die gesamte Politik für feige, auch den sogenannten Rechtspopulismus.

David Harnasch stellt seine humanistische Grundgesinnung zunächst dadurch aus, indem er den Attentäter als „das entmenschte Stück Dreck aus Norwegen“ bezeichnet. Er besteht auf einer Distanzierung von der Tat, die unter „Berufung auf meine liberalen Idole verübt wurde.“

Bernd Zeller führt unter der Überschrift “Kein Grund zur Defensive” aus, dass „die Tat kann nicht als extreme Konsequenz islamkritischer Texte angesehen werden kann“, die er im Übrigen als inkonsequent einschätzt, weil der Täter „nicht einmal sein eigenes Manifest umgesetzt“ habe. Allerdings zieht er eine politische Verbindung zwischen dem Blutbad in Oslo und der Blogger-Szene, der er angehört, insofern „beides politisch inkorrekt“ sei. Der Zusammenhang der Tat zur Islamkritik, entstehe nur dadurch „dass sich viele diesen Zusammenhang wünschen und ihn durch die Verweise bestätigt sehen.“ Dies sei aber Unsinn: „Dass man beides in der Vorstellung nebeneinander hat, ist keine Kausalität, das ist magisches Denken.“

Er bietet an: „Ich schreibe und sage nie wieder etwas gegen Islamismus, Islam, islamistische Terroristen und ihre völkischen Kollaborateure, wenn dafür auch die islamischen Hassblogs aufhören, die die Terroristen anfeuern und bejubeln, wenn Bücher und andere Schriften, deren Inhalt als Aufforderung zu islamistischen Morden und antisemitischen Ausfällen und Rechtfertigung von Frauenunterdrückung oder als Verständnis dafür interpretiert werden kann, geächtet werden und wenn sich Kommentatoren von allem distanzieren, was Extremisten als Einladung zur Einführung der Scharia verstehen könnten.“

Henry Broder, Galionsfigur der deutschen Islamkritik, der im Manifest von Breivik ausführlich zitiert ist, weist ohnehin jede Mitverantwortung von sich: „Was aber hat einer, der als Polizist verkleidet Kinder und Jugendliche wie herumfliegende Tonscheiben abknallt? Wie wäre es damit: Spaß am Töten?“  Wer überhaupt über so eine Verbindung nachdenkt, der befindet sich in einer „Verschwörungsfalle“ . Nein, es gibt keinen Grund für ihn, sich Gedanken zu machen. “Ich würde es heute wieder genau so sagen. […] Das einzige, worüber ich mir Sorgen mache, ist, woher ich Ersatzteile für meinen Morris Traveller aus dem Jahre 1971 bekomme. Sogar in England werden die Teile knapp.” So hat eben jeder seine Sorgen, wenn er über den Massenmord von Norwegen nachdenkt. Vielleicht können die Angehörigen der Opfer Herrn Broder bei der Ersatzteilsuche helfen, anständig wäre das schon.

Statt sich mit unnötigen Reflexionen über eigene Verantwortung zu quälen, findet er die wahren Schuldigen hinter der Beschuldigung der Islamkritiker. Es sind (Trommelwirbel): Die islamischen Terroristen: „Breivik wusste, dass er seine Tat „rational“ begründen muss. Und das hat er nicht bei mir und Thilo Sarrazin gelernt, sondern bei Mohammed Atta und Osama Bin Laden, bei den Attentätern von Madrid, London, Mumbai, Bali; bei Carlos, dem Schakal, und den „Märtyrern“, die ein Video aufnehmen, bevor sie ins Paradies aufbrechen.“ Wie hat Broder selbst so schön gesagt (natürlich über andere): „…auf das, was aus dem Milieu kommt, [wird] damit reagiert, dass Verschwörungstheorien erfunden werden, also dass die Amis, oder der Mossad oder die Kapitalisten oder die Israelis [schuld sind], aber nie sie selber.“

Also was ist nun? Darf man die islamkritischen Publizisten für die Tat von Anders Breivik verantwortlich machen? Was sagen denn diese Publizisten über die Verantwortung des Islam für vergleichbare Bluttaten, die sich auf den Islam berufen?

“Sie können das Eine vom Anderen nicht trennen. Sie müssen sich fragen: Wenn der Islam der Normalfall ist, also das Friedliche, zur Zusammenarbeit bereite Nicht-Radikale, woher kommt dann der Islamismus? Wo ist dessen Basis, wenn nicht im Islam?”

„…das Verständnis, dass den Terroristen entgegengebracht wird, ermutigt natürlich diejenigen, die Terroristen sind.“

In einem anderen Interview sagt Broder:

„Natürlich sind nicht alle Moslems Terroristen. Aber leider waren alle Terroristen der letzten Jahre Moslems.“

Nun ist es anders. Welche Schlussfolgerungen ergeben sich daraus? Wir erwarten keine klaren Antworten.

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/wer_ist_schuld_an_anders_breivik/

aktuell auf taz.de

kommentare