vonGerhard Dilger 14.07.2011

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Zum zweiten Mal reist Guido Westerwelle nach Lateinamerika. In Kolumbien, Mexiko und Haiti geht es um Wirtschaftsbeziehungen und um Humanitäres.

In der Nacht auf Donnerstag landete der Außenminister in Bogotá. Zuvor hatte er in New York zwei Sitzungen des UN-Sicherheitsrates geleitet, in dem Deutschland turnusgemäß den Vorsitz übernommen hat. Wie schon bei seiner ersten Lateinamerikareise 2010 setzt er klare Prioritäten: „Es ist eines meiner Kernanliegen, dass die Türen für deutsche Unternehmen in der Welt geöffnet werden können“, hatte er gestern von New York aus gegenüber dem ZDF erklärt, er wolle auch Partner- und Freundschaften mit den „neuen Kraftzentren der Welt“ begründen.

Nach Kolumbien stehen Mexiko und Haiti auf dem Programm. Im Tross des Ministers reisen 13 Unternehmer, fünf Bundestagsabgeordnete und sein Parteifreund Markus Löning mit, der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung. Während Löning in Bogotá an einem Seminar über Kindersoldaten teilnehmen sollte, wurde Westerwelle von Präsident Juan Manuel Santos empfangen, dessen erstes Amtsjahr gerade zu Ende geht.

Ebenso wie Mexiko oder Chile gilt das seit jeher rechts oder rechtsliberal regierte Kolumbien für die schwarz-gelbe Bundesregierung als Wunschpartner auf dem Subkontinent, in dem nun überwiegend linke oder sozialdemokratische Staatschefs den Ton angeben. Entwicklungsminister Dirk Niebel setzte letztes Jahr sogar eine umstrittene Kooperation deutscher Experten mit den kolumbianischen Behörden in der Kriegsregion Macarena durch, einer Hochburg der „Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens“ (Farc).

Friedhof im Kriegsgebiet Macarena

Doch das Projekt, durch das angeblich die Landvergabe an Kleinbauern mit vorbreitet werden soll, steht bislang nur auf dem Papier. Hingegen werden, ähnlich wie in der Pazifikregion, Kleinbauern durch Ölpalmenplantagen verdrängt – Deutschland gehört zu den größten Abnehmern des Agrosprits.  Hilfswerke, die Niebels Vorstoß damals heftig kritisierten, sehen sich in ihrer Skepsis bestätigt. Menschenrechte würden in der Macarena-Region weiterhin massiv verletzt, soziale Fragen kämen hingegen zu kurz, heißt es in einem neuen Bericht von Misereor, der Diakonie Katastrophenhilfe, der Caritas, der AGEH, von terre des hommes und kolko.

Auch 47 Jahre nach Gründung der Farc-Guerilla ist immer noch kein Ende des Krieges und der humanitären Katastrophe in Sicht. Wie sein Vorgänger Álvaro Uribe will Juan Manuel Santos die Rebellen militärisch niederringen, neulich soll Rebellenchef Alfonso Cano nur der Armee nur knapp entkommen sein. Bei einem Farc-Überfall auf drei Kleinstädte in der südwestlichen Provinz Cauca starben am Wochenende sechs Menschen, die Guerilleros legen über hundert Häuser in Schutt und Asche. Daraufhin erklärte Santos die Häuser von Zivilisten, die von Freischärlern benutzt werden, zum militärischen Ziel  – ein höchst umstrittener Vorschlag.

Wegen des Mehrfrontenkonflikts zwischen Guerillagruppen, Armee und rechtextremen Paramilitärs gilt mittlerweile jeder zehnte der 45 Millionen Kolumbianer als Binnenflüchtling. Jüngsten UN-Angaben zufolge sind das deutlich mehr als selbst in den afrikanischen Krisenländern Somalia, Sudan und Kongo. Politisches Engagement bleibt in vielen Teilen Kolumbiens lebensgefährlich: Seit Santos‘ Amtsantritt im vorigen August sind Dutzende Menschenrechtler und Gewerkschafter ermordet worden, ebenso mindestens 16 SprecherInnen von Kleinbauern, die sich für die Rückgabe ihres Landes stark machen.

Andererseits wurde auf Initiative der Regierung vor kurzem ein „Gesetz für Opfer und Landrückgabe“ verabschiedet, das auch Menschenrechtler prinzipiell begrüßen. Es sieht Entschädigungszahlungen für Menschen vor, die ab 1985 Opfer politischer Gewalt wurden. Verdrängte Kleinbauern sollen innerhalb von zehn Jahren insgesamt über 6 Millionen Hektar Land zurückerhalten.  „Die Pläne der Regierung sind aber reine Makulatur, wenn sich die Vertriebenen nicht für die Landrückgabe einsetzen können“, kritisiert Alexandra Huck von der Berliner Menschenrechtskoordination kolko.

Juan Manuel Santos weiß, wie wichtig Menschenrechtsfragen für die Umsetzung seiner Wirtschaftsziele sind. Ein bereits ausgehandelter Freihandelsvertrag mit den USA liegt wegen der Repression gegen Gewerkschafter seit Jahren auf Eis, in Brüssel wird um die Ratifizierung des 2010 unterzeichneten Freihandelsabkommens zwischen der EU und Kolumbien gestritten.  Grüne und linke Abgeordnete, etwa MdB Heike Hänsel (Die Linke), lehnen es auch ab, weil es die  kleinbäuerliche Produktion in dem Andenland weiter aushöhlen würde.

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