vonmaggie 25.06.2024

Widerhaken

Nicht mehr als ein Versuch, meinen Platz zu finden zwischen all den Dingen, die so passieren in unserer wundervollen Welt.

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Ein außerplanmäßiger Abstecher in eine winzige Buchhandlung also.

Und dort fand ich ein eigenes Regal für Bücher über „den Osten“. Wurde verkaufstechnisch offenbar als relevant betrachtet – es fand sich auf bester Augenhöhe eines Erwachsenen. Und ich frage mich: Sind wir mittlerweile so weit, dass wir das Schubladendenken über den Osten aufgegeben haben und stattdessen offene Regalfächer bevorzugen? Und viel wichtiger: Was fand sich eigentlich in dem sagenumwobenen Regal?

Das Erste, was mir ins Auge fiel: „Drei ostdeutsche Frauen betrinken sich und gründen den idealen Staat“

Ein idealer Titel, finde ich. Lang, aber mit Klimax, ein Hauch antithetischer Charakter. Genug beschreibend, als dass man fast keinen Klappentext braucht.

Und auch sonst scheint es inhaltlich wundervoll zu sein, Frauen, besondere Erfahrungen und Lebensumstände, Alkohol und… Philosophie? Das jedenfalls löst bei mir die Formulierung „Idealer Staat“ aus. Platon steht im Türrahmen, man bietet ihm keinen Alkohol an.

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Jedenfalls war ich interessiert, auch wenn ich normalerweise bei Zeitgeschehen möglichst auf Sachliteratur zurückgreife. Die Frage, die sich mir stellt… inwiefern werde ich in diesem Buch finden, was ich suche?

Und dann blickte ich mich um, mein Blick wanderte über die anderen Bücher, „Der Osten – eine westdeutsche Erfindung“, naja, der Klassiker eben und „Ich bin Ostdeutsch – und gegen die AfD”. Die einzige Frage in meinem Kopf: Ja, was zum Himmel suche ich denn eigentlich?

Ich (oder eher mein kategorisierender Kopf) sucht nach einer Möglichkeit, „den Osten“ zu greifen, doch im selben Moment weiß ich, dass er sich mir immer anders darstellen wird. Und zugleich, wo ich doch noch nicht mal definieren kann, wo mein Forschungsobjekt aufhört und endet, will ich eine Lösung für all die Probleme, die ich damit assoziiere.

Menschenrechtsverletzungen, Machtmissbrauch, Rechtsruck. Auf verschiedenen Ebenen jeweils, ist ja klar. Und bei weitem kein rein „östliches“ Problem, ebenfalls klar, aber natürlich trotzdem so schnell wie möglich lösen, vor den Wahlen in Ostdeutschland am besten, vor den Wahlen in Frankreich, vor der nächsten Familienfeier.

Ich sehe das Buch an und denke mir, wenn ich mal wieder einen Schluck Alkohol trinken würde, könnte ich dann auch den idealen Staat gründen? Eine Frau bin ich ja immerhin, und auch aus dem Osten.

Beschäftigen wir uns mit den realistischen Möglichkeiten. Ich fühle mich nicht in der Lage zu urteilen, also beschreiben wir zunächst, informieren wir uns, hören wir zu.

Teilen wir geografisch unseren Osten ein, beschränken wir uns zunächst auf Deutschland und schauen dann, wo es uns hin verschlägt.

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