vonWolfgang Koch 19.07.2007

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Was tut die oppositionelle österreichische Linke im Sommer? Sie streitet über die richtige Haltung zu einem Milliardendeal der OMV mit dem Mullah-Regime in Teheran – einem fetten Geschäft, das zwar nichts mit dem Nuklearprogramm des Iran zu tun hat, sehr wohl aber mit den Menschenrechten in diesem Land.

Am 9. Mai erschien in der Berliner Wochenzeitung Jungle World ein Artikel des in Wien lebenden Politikwissenschafters Stephan GRIGAT zur offiziellen US-Kritik am österreichischen Ölmulti OMV. Darin bilanzierte Grigat detailliert die haarsträubenden Reaktionen der österreichischen Politik auf die Kritik aus Übersee wegen der geplanten Geschäfte mit der nationalen iranischen Ölgesellschaft.

Die Vorgeschichte

Ende April 2007 war bekannt gegeben worden, dass sich die OMV mit der nationalen iranischen Ölgesellschaft NIOC auf einen Vorvertrag für ein Gasprojekt im Gesamtvolumen von 22 Milliarden Euro verständigt hat. Die USA haben sich besorgt über die geplante Zusammenarbeit geäussert.

»Die OMV, 1956 als Österreichische Mineralölverwaltung als eines der Herzstücke der verstaatlichten Industrie aus der Taufe gehoben, ist eines der führenden Erdöl- und Erdgasunternehmen Mitteleuropas«, so Grigat. »Der Konzern ist in 13 Ländern Zentral- und Osteuropas tätig. Im Iran ist die OMV bisher in einem Onshore-Erdölprojekt tätig. Der jetzt anvisierte Vertragsabschluss würde die iranische Theokratie nicht nur zu einem der Haupthandelspartner Österreichs, sondern zu einem wichtigen strategischen Partner Europas befördern. Jeder weiss, dass der Abschluss eines Geschäfts von diesem Ausmass sowohl einen propagandistischen als auch einen politischen und ökonomischen Erfolg für die Apokalyptiker im Iran darstellen würde.«

Tatsächlich wehrten sich Politik und Meinungsmacher in Österreich beinahe geschlossen gegen die Vorhalte aus Washington. Vom der liberalen Tageszeitung Der Standard über die SPÖ, die ÖVP und ihre konservative Aussenministerin Ursula PLASSIK, bis hin zu Wirtschaftskammer und BZÖ – in Krähwinkel formierte sich wieder mal eine »breite Front gegen die US-Einmischung«, erschallte ein medialer Aufschrei gegen »kaum mehr zu übertreffende Arroganz« aus Washington und den »aktuellen rechtlichen Chauvinismus der USA«.

Grigat erblickte dabei in den Grünen einen besonderen Dorn im Auge. »Eine Meisterleistung an kritischem Opportunismus boten die Grünen. Die Aussenpolitikerin Ulrike Lunacek sieht ein Problem des Timings: ›Es ist kein günstiger Zeitpunkt für das Iran-Geschäft der OMV‹. Anstatt eine konsequente Isolierung der iranischen Klerikalfaschisten zu fordern (was man von einer Politikerin, die nicht nur die aussen- und entwicklungspolitische Sprecherin ihrer Partei, sondern auch Sprecherin für die Gleichstellung von Lesben, Schwulen und Transgenders ist, angesichts der Verfolgung von Homosexuellen im Iran hätte erwarten können) war es Lunacek ein Anliegen klarzustellen, dass US-Gesetze wie der Iran Sanctions Act in Österreich keine Geltung haben. Im Übrigen solle die OMV die Chance wahrnehmen, auch einen›zivilgesellschaftlichen Beitrag‹zu leisten: ›Eine Möglichkeit wäre, etwa Inserate in Oppositionszeitungen zu schalten‹«.

Zynischer Nachsatz des Grünen-Kritikers: »Vielleicht gibt es demnächst ja mal wieder einen Radikalisierungsschub bei den Ökopaxen und die Grünen fordern dann auch noch, dass im Schriftverkehr zwischen der OMV und den iranischen Misogynikern immer schön geschlechtsneutral formuliert werden muss.«

Slalom der Verteidigung

Bei diesem verbalen Angriff in der Berliner Wochenzeitung blieb es nicht. Stephan Grigat gehört seit Jahren zu den engagiertesten antideutschen Autoren zwischen Wien und Tel Aviv. Seine aus der linken Autonomenszene entstandene politische Gruppierung Café Critique bewies diesmal, dass sie nicht nur ein widerständiger marxistischer Theoriezirkel ist. Café Critique verteilte ein Flugblatt desselben Inhalts auf der diesjährigen Regenbogenparade – dem MardiGrass der österreichischen Lesben- und Schwulenszene.

Am 6. Juli reagierte die Nationalratsabgeordnete Ulrike LUNACEK persönlich auf die Angriffe. Die Politikerin ist stellvertretende Vorsitzende des Aussenpolitischen Ausschusses, Sprecherin der Grünen für Aussen- und Entwicklungspolitik sowie für Gleichstellung von Lesben, Schwulen und TransGenders. Lunacek wies die Kritik der Irangegner als »unsachlich« in weitem Bogen von sich.

»Sollten sich österreichische oder andere europäische Unternehmen an den vom US-Kongress beschlossenen Iran Sanctions Act halten, so widerspräche dies EU-Recht. Differenzierte Kritik an einzelnen Positionen der US-Regierung bzw. an vom Kongress verabschiedeten Gesetzen muss es wohl geben dürfen, ohne dass dies gleich pauschal als Anti-Amerikanismus verurteilt wird«.

Lunacek weiter: »Die Unternehmensführung der OMV hat im Zuge ihres anfänglich mehr als blauäugigen Engagements im Sudan dazugelernt und ist derzeit bereit, sich einem Stakeholder-Prozess zu stellen, was soziale und umweltpolitische Massnahmen betrifft. Die OMV unterstützt Reporter ohne Grenzen bei der Vergabe von Preisen für mutige JournalistInnen – 2007 zwei serbische RadiojournalistInnen und einen kosovarischen Zeitungsjournalisten. Dieses Engagement sollte der Ölkonzern auch im Iran – etwa durch tat- und finanzkräftige Unterstützung der iranischen Zivilgesellschaft, z.B. über Inserate in regimekritischen Zeitungen und Zeitschriften – unter Beweis stellen.

Entscheidend ist ausserdem, dass die OMV von Anfang an sicher stellt, dass ihr Engagement zu keinen Menschenrechtsverletzungen führt und auch dahin gehend geplant und evaluiert wird. Dies bedeutet sowohl Beschäftigung von IranerInnen (sowohl im skilled- als auch im non-skilled-Bereich) als auch finanzielle Unterstützung der iranischen Bevölkerung durch Sozialprogramme. Wenn die OMV all dies tut (Menschenrechts-Aktivitäten sowie Beschäftigung von IranerInnen und Sozialprogramme) besteht zumindest die Chance, dass ein Teil der verarmten iranischen Bevölkerung (die Präsident Ahmadinejad auf Grund seiner Versprechungen, mehr gegen die Armut zu tun, gewählt hat) im Widerstand gegen das Regime sowie der Forderung nach demokratischen Reformen im Land und mehr sozialen wie demokratischen Rechten für die Bevölkerung gestärkt wird«.

Vorwurf Antiamerikanismus

Am 9. Juli antwortete die Kritiker der Grünen darauf mit einem Offenen Brief an die »sehr geehrte Frau Lunacek«. Darin heisst es: »Ob man nun ein Regime wie das iranische zu diesem oder jenem Zeitpunkt, mit oder ohne ein paar Anzeigen in einer oppositionellen Zeitung mit einem 22-Milliardendeal belohnt, ändert nichts an der Sache. Auch Sie wissen: die wahrhaft oppositionellen Zeitungen können im Iran gar nicht erscheinen, und dementsprechend kann die OMV auch nicht in ihnen inserieren.

Wäre die Diskussion über das geplante OMV-Geschäft nicht ein sehr guter Zeitpunkt und eine passende Gelegenheit gewesen, auf die Situation von Schwulen und Lesben im Iran hinzuweisen, anstatt darauf, dass US-amerikanische Gesetze in Österreich keine Gültigkeit haben?

Von SPÖ- und anderen Politikern und Politikerinnen erwarten wir uns diesbezüglich nichts. Sie hingegen verstehen sich als eine der Emanzipation verpflichtete Politikerin. An eine solche richtet sich unsere Kritik, die nicht auf eine Diskreditierung Ihrer Person abzielt, sondern auf ihre Einsicht hofft.«

Die Angriffe von Café Critique richten sich ausdrücklich gegen »ein politisches Milieu, das permanent von Menschen- und noch lieber Völkerrechten redet, aber die USA treffen möchte«; die neue Linksopposition richten sich gegen »ein politisches Milieu, das mehrere zehntausend Menschen auf die Strasse bringt, wenn es gegen die Beseitigung der Hussein-Diktatur im Irak geht, aber sich gar nicht dafür interessiert, wenn die Auslöschung Israels angekündigt wird; das sich angeblich für Frauen- und Homosexuellenrechte engagiert, aber Kritik am politischen Islam gerne als Rassismus abqualifiziert«.

Nach Ansicht von Grigat & Co gehört der Antiamerikanismus klar zur ideologischen Grundausstattung der postnazistischen Republik Österreich. »Wenn einem angesichts eines nationalen Schulterschlusses gegen die arroganten Amis als Reaktion auf die Kritik der USA an dem geplanten OMV-Geschäft im Iran nichts Besseres einfällt als die Klarstellung, dass US-Gesetze in Österreich keine Gültigkeit haben, dann bedient man damit natürlich den Antiamerikanismus. Wir jedenfalls freuen uns, dass wenigstens die USA diese Kritik formulieren – wenn’s die Grünen schon nicht hinbekommen.

Opportunismus gut und schön – doch unsachliche Lobgesänge auf das Menschenrechtsengagement der OMV gehen ins Leere. Den Schwulen und Lesben im Iran werden sie zumindest ebenso wenig helfen wie den Israelis, für die das Atomprogramm des Iran eine existentielle Bedrohung darstellt.«

© Wolfgang Koch 2007
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