von 14.03.2011

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Von Hauke Hoffmeister, Teilnehmer am Workshop der taz Panter Stiftung

Bereits am frühen Sonntagmorgen sitzt Chef vom Dienst Klaus Hillenbrand an seinem Arbeitsplatz in der taz und überlegt sich das Layout für die Titelseite am Montag. Das Thema für die Ausgabe steht fest: Die Katastrophen in Japan. Sieben Sonderseiten will die taz bieten. Bis 13.30 Uhr hat Hillenbrand nun Zeit, an einer Idee für die Titelseite zu brüten. Dann nämlich treffen sich die verantwortlichen taz-Redakteure am Arbeitsplatz von Hillenbrand und bereden seine Einfälle.

Die TazlerInnen vermuten: Die Montagsausgabe mit den Sonderseiten wird viel häufiger am Kiosk gekauft werden als üblich. Denn Zeitungsleser kennen die siebtgrößte Tageszeitung in Deutschland zwar, greifen aber häufig nur nach ihr, wenn sich eine kritische Berichterstattung über Umweltpolitik suchen. Und das Interesse an kritischer Berichterstattung am Montag zum Thema Atomkraftwerke ist gewaltig: Beim Zeitungshändler am Bahnhofs-Kiosk meines Vertrauens ist am späten Montagvormittag jede taz vergriffen.

Doch zurück zum Sonntagmittag: Um 13:30 Uhr stehen neun taz-Redakteure der verschiedenen Ressorts wie angekündigt vor Klaus Hillenbrand, dem Seite-Eins-Verantwortlichen. Er hat inzwischen zwei farbige Ausdrucke an eine Glasscheibe gehängt. Demnach soll auf die Montags-Titelseite ein verschwommenes Agentur-Bild. „Eigentlich nehmen wir solch ein Foto nie auf die Eins“, sagt er. „Das Bild wurde aus weiter Entfernung aufgenommen und man erkennt kaum etwas darauf. Aber das Bild hat eine eigene Ästhetik.“ Immerhin: Nicht jeden Tag explodiert ein Reaktor, wird aus einem Kraftwerk radioaktiver Dampf in die Atmosphäre gelassen oder steht eine unberechenbare Kernschmelzung bevor – warum nicht ein verschwommenes Bild auf die Titelseite nehmen?

Hillenbrand fragt in die Runde, ob die Redakteure das Bild über die ganze Seitenbreite befürworten, oder ob die erste linke Spalte der übliche Textkasten gesetzt werden soll. „Das Bild ist geil“, ruft einer der Redakteure in die Runde. Die anderen stimmen zu. Sie wollen dieses Bild ganz groß auf der ersten Seite drucken.

Der Überschriften-Vorschlag, den Hillenbrand seinen Kollegen dazu serviert, heißt „Das Restrisiko“. Es umfasst das Thema Japan und die Befürchtungen in Deutschland, begründet er die Idee zwischen Bild und Text.

Immerhin eine Redakteurin wirft ein, dass das Restrisiko bei den Atomkraftwerke nach dem Tsunami und mehreren Erbeben nun ja kein Restrisiko mehr sei, sondern ein Desaster – ein Reaktoren ist bereits explodiert. Anderen Kollegen finden das Wort Restrisiko aber weiterhin gut. „Es kann jederzeit überall auf der Welt so aussehen – das Restrisikos einen Atomkraftwerkes“, heißt es unisono.

Oder doch: „Das Restrisiko ist explodiert“, fragt Hillenbrand. Oder „7:30 Uhr MEZ: Das Restrisiko“. Ein anderer Redakteur mein: „Wenn um 18.30 ein weiterer Reaktor explodiert, sind wir geleimt“. Dann nämlich laufen längst die Druckerei-Rollen.

Also bleibt es bei „Das Restrisiko“. Und die Überschrift liest sich souverän am nächsten Tag im Blatt: Denn anders als in anderen Blättern wird nicht weiter dramatisiert. Ein Restrisiko bleibt eben ein Risiko. Darüber hat die taz aber schon tausendfach geschrieben.

Siehe auch: Interview mit Klaus Hillenbrand über die besten taz-Titelseiten – und eine Schlagzeile, für die er sich bis heute schämt

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