Hat Jesus nicht zu seinen Jüngern gesagt: »Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen«? Mit diesem Wort aus Matthäus 28.20 ist die wohl großzügigste Definition eines religiösen Kultes gegeben, die sich denken lässt, – und man möchte alle jene Gläubigen aus vollem Herzen beglückwünschen, die in dieser Zahl gleich auch die Obergrenze für ihre Gemeinschaft erkennen.
Staatliche Instanzen sehen das paradoxerweise anders, da aus der Anerkennung einer Bekenntnisgemeinschaft als Körperschaft des öffentlichen Rechts bestimmte Kosten für den Steuerzahler erwachsen: gesetzlicher Schutz der Lehre, Grundsteuerbefreiung, Erteilung von Religionsunterricht, Militärseelsorge, Beistand in Krankenhäusern, u. a.
Für den Staat rechne sich die Ausbildung von Lehrkräften erst ab zehn Absolventen im Jahr, behaupten Experten des österreichischen Unterichtsministeriums. Nach diesem Schlüssel benötigt man bundesweit mindestens 750 angebotsinteressierte Schülerinnen oder Schüler je Schulstufe: »Bei durchschnittlicher Lebenserwartung ergäben sich rund 30.000 bis 40.000 Anhänger als Erfordernis für einen langfristig gesicherten Religionsunterricht«.
Ein Ausgabenplan auf dieser Grundlage kollidiert hart mit der Aufsplitterung religiöser Bedürfnisse im Missionsland Österreich. Derzeit gibt es, je nach Zählweise, 13 bis 16 anerkannte Religionsgemeinschaften, darunter Charles Taze Russels erst 2009 anerkannte Zeugen Jehovas und ein gar nicht mehr existentes Kirchlein in der reformatorischen Bewegung: die Herrnhuter Brüdergemeinde.
Während in drei Lagern (Katholiken, Evangelische, Buddhisten) jeweils stark zentripetale Kräfte am Werk sind, streben orthodoxe Christen, Muslime und Juden auch untereinander in verschiedene Richtungen; ganze Gruppen sehen sich von den staatlich anerkannten Religionsgemeinschaften nicht vertreten (siehe Aleviten versus IGGIÖ; orthodoxe und liberale Juden versus IKG).
© Wolfgang Koch 2011