vonWolfgang Koch 06.07.2011

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Nach jahrelanger Kritik regelt der Gesetzgeber die Zu- und Aberkennung des Status Religionsgemeinschaft in Österreich neu. Der »Reparaturversuch« des geltenden Gesetzes von 1997 ohne die Betroffenen ist dabei gründlich missglückt.

September 2010 hob der Verfassungsgerichtshof das bisherige Anerkennungskriterium des Bestandes einer Religionsgemeinschaft durch mindestens 20 Jahre (davon mindestens 10 Jahre als Bekenntnisgemeinschaft) als »gleichheitswidrig« auf. Europäische Menschenrechtshüter hatten zwei Jahre davor darauf hingewiesen, dass das nicht ausreichend auf die individuelle Situation der verschiedenen Konfessionen eingehen.

Als eine weitere Hürde hatte sich die Anzahl der Angehörigen in der Höhe von mindestens zwei Promille der Bevölkerung Österreichs nach der letzten Volkszählung erwiesen. Zum Vergleich: in Deutschland zählt eine Mitgliederstärke von ein Promille auf Landesebene (Kultushochheit).

Die Mitgliederstärke ist ein der Sektenhysterie geschuldetes Kriterium; kurios war diese Quote in Österreich schon beim Gesetzesbeschluss 1997, hatten doch gleich sieben der damals zwölf anerkannten Religionsgemeinschaften weniger Mitglieder. Um die hohe Quote zu umgehen, musste 2003 für die orientalischen Kopten wieder Mal ein eigenes Gesetz beschlossen werden. Den juristischen Durchbruch schafften erst die Zeugen Jehovas im Mai 2009.

Unsere Ministerialbeamten scheinen, wenn sie nicht anderweitig beschäftigt sind, Tag und Nacht an Gesetzesentwürfen zu arbeiten. Wenige Wochen vor dem Sommer legten sie einen Entwurf mit einer außergewöhnlich kurzen Begutachtungsfrist vor. Der ging davon aus, dass ein Kult entweder a) seit dem 19. Jahrhundert besteht, c) der Ableger einer international nachweisbaren Lehre ist, oder c) sich eine neue Bewegung in Österreich selbst bildet.

Drei Modelle sollen in Hinkunft die Bestandssicherheit garantieren: 200jährige Existenz oder 100 Jahre Lehre oder 20jähriger Bestand in Österreich (davon zehn organisiert, fünf als Anwärter) plus – das in jedem Fall – mindestens 16.000 AnhängerInnen.

Die Grundthese des BMUKK lautet, dass sich die »immaterielle Wirkungen« einer Gruppe nur entfalten könne, wenn sie eine gewisse Größe aufweise und ihr Handeln nicht nur dem unmittelbaren Anhängerkreis zu Gute kommt. Selbstverständlich müsse auch eine positive Grundeinstellung gegenüber Gesellschaft und Staat erkennbar sein, Stichworte: »Rechtstreue«, »Staatsloyalität«.

Die Kritik an dem Entwurf seitens der Kultvertretungen ist vernichtend. Rechtstheologen der Universität Wien und das Bundeskanzleramt haben ihrerseits wichtige Kritikpunkte angebracht. Aber eine öffentliche Debatte über die Materie findet nicht statt. Im Gegenteil: die Novellierung wird im Parlament von einer satten Mehrheit aus SPÖ, ÖVP und Freiheitlichen durchgewunken.

© Wolfgang Koch 2011

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