Das Chaos der Auffassungen ist für die Dauer unhaltbar. Beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte sind Verfahren anhängig. Die Baptistengemeinden wollen – wie die Methodisten – den Religionsunterricht gemeinsam mit der Evangelischen Kirche veranstalten; die Zeugen Jehovas (ca. 23.000 Anhänger) wiederum wollen nicht von all ihren Rechten Gebrauch machen.
Um das Fass voll zu machen, wird es in Hinkunft in Österreich folgende Klassen nach absteigendem Status geben: 1. Kirchen und Religionsgemeinschaften nach historischen Spezialgesetzen (dzt. 7), 2. Kulte nach dem Anerkennungsgesetz von 1874 (dzt. 8), 3. zusätzlich nach einem Gesetz der Zweiten Republik anerkannte Kulte (dzt. 6), 4. Kulte nach der Novelle 2011, 5. eingetragene religiöse Bekenntnisgemeinschaften (dzt. 11), 6. religiöse Vereine, Verlage, Kultbaugesellschaften, 7. Weltanschauungsvereine nach dem Vereinsgesetz.
Es gibt also weiterhin durch das Anerkennungsgesetz von 1874 sowie durch historische Spezialgesetze (Protestantengesetz 1781, Staatsgrundgesetz 1867, Israelitengesetz 1890, islamisch-hanefitischer Ritus 1912, Konkordat 1934) geschaffene Religionsgemeinschaften, deren Aufkündigung an einen Beschluss des Nationalrates gebunden ist – und im Widerspruch dazu Gemeinschaften, deren An- und Aberkennung das Kultusamt regelt.
Was die Aberkennung betrifft, geben sich die approbierten Kirchen und Religionsgemeinschaften momentan mit einer Erklärung von SPÖ, ÖVP und FPÖ zufrieden. Alle bereits anerkannten Kulte würden mindestens zwei der geforderten Kriterien erfüllt, wenn auch nicht immer das der Mitgliederstärke. Sie seien damit von einer Zurückstufung ausgenommen.
Im Gesetzestext sucht man diese Kulanz vergebens. Den freundlichen Beteuerungen zum Trotz schreibt § 11.a Z. 1 (Aufhebung) weiterhin eines von drei Kriterien plus die Mindestmitgliederzahl vor. Und in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage heißt es Schwarz auf Weiss: »Die Kriterien für die Aufhebung sind jene für die Anerkennung«.
© Wolfgang Koch 2011