Dass Du „Ich“ schreibst, sagt die Kollegin, ist gut. Du solltest das vielleicht öfter tun. Über „Wir“ haben wir nicht geredet. Es kommt auch aus der merkwürdigen Situation, nach gut 30 Jahren wieder an den Studien- und Lehrort zu kommen und das noch zu gleichen Thema: Marx.
Aber doch trügt schon dieses „Wir“: ich bin draußen, so offen die Türen stehen und so frei ich mich bewegen kann – und dadurch bin ich freier als „sie“, die ich akademische Linke nennen will oder allgemeiner – Marxianer. „Draußen“ erfahre ich mich auch freier, weil ich im Kongress ohne Geld arbeite, freiwillig, nebenbei, als interessierter Bürger. Ich habe so nur eine Art Selbstbeauftragung und das zudem noch in einer konkreten Assoziation: ein Blog bei der taz. Ich kann das „gebrauchen“ – aber: ist das in der Nähe von Marx?
Andrew Chitty behauptet, dass bei Marx mehr Freiheit nicht weniger Gemeinschaft ist, sondern deren Bedingung. Marx sei in dieser Konstruktion von Individuum und Gesellschaft Hegel gefolgt, aber ihn radikal vereinfacht. Nach Hegel ist die menschliche Natur freier Geist durch radikales Selbstbewusstsein – unabhängig von allen anderen, mit solchen Selbstbefreiten gleich in Denken und Handeln und in gegenseitiger Anerkennung. Wenn nun diese Selbstbefreiten sich auf eine Gemeinschaft mit Regeln, Praktiken und Institutionen in Gehorsam (!) verständigen, bilden sie im Staat einen handfesten äußeren Willen aus, der sie „aufrecht hält“.
Marx bediente sich bei Hegel
Das also ist die Hegelsche Form von Freiheit als Einsicht in die Notwendigkeit eines exklusiven Staates. Ich selbst habe die Staatsabteilungen Universität, Unternehmen und Partei in der freiwilligen Zustimmung zur geforderten Einsicht praktisch lange als Normalität erlebt und kann sie noch ringsum beobachten. Und was mehr bietet nun Chitty bei Marx an, was Hartmut Rosa fordern könnte?
Marx nehme, weil er wohl nicht Anderes habe, Hegels Muster und ersetze den beschriebenen Geist durch Arbeit.
Arbeit in Marxen´s Sinn sei bewusste (!) Lebenstätigkeit zur Bedürfnisbefriedigung, – so als „das Leben erzeugendes Leben“ auch Geschlechtsverkehr. Sie bestimme die Existenz der Gattung Mensch prinzipiell, universell und frei- weil als durch Überlegung geleitete Auswahl aus Alternativen in einer „Assoziation von Individuen, die füreinander produzieren“ und sich dadurch wechselseitig anerkennen.
Kapitalistische Produktion, so Chitty, ist aber „Produktion für sich selbst“ als Privateigentum und vermittelt über Austausch, also asozial. Das verhindert die Freiheit der Wahl und Art und Weise der Teilnahme an den je verschiedenen produktiven Tätigkeiten und die gegenseitige Anerkennung. Kommunismus, so schließt er, hätte Marx durchgängiger so strikt bestimmen können.
Ich arbeite in Assoziationen, die ich mir mühsam ausgesucht habe über die Zeit, kann die Art und Weise des Beitrags in weitem Rahmen selbst bestimmen und erreiche genau dadurch die entscheidende Anerkennung. Ich produziere gern, was gebraucht wird, weil die Gebrauchsbestimmung zu meiner Leistung gehört. Aber ich sitze nicht bei „Netto“ an der Kasse und brauche auch wenig. Also bei Marx – aber auf der Insel??