vonFalk Madeja 19.06.2009

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Leute, die immer wieder Läden überfallen – wieviel Privatsphäre haben die eigentlich? Keine theoretische Frage, in den Niederlanden war das jetzt ein Fall für den Nationalen Ombudsman Alex Brenninkmeijer. Grund: das Polizeikorps Ijsselland (u.a. Hansestädte wie Deventer und Zwolle) hatte sich etwas gegen die sogenannten “Drehtürkriminellen” einfallen lassen. “Drehtürkriminelle” – das sind Menschen die klauen, ertappt und eingesperrt werden, dann wieder freigelassen, wieder klauen, wieder eingesperrt werden usw. usf.

Jahrzehntelang wurde probiert, etwas gegen derlei Leute zu unternehmen – aber nicht immer half es. Das kennen wir ja auch aus anderen Ländern. Vielerorten probieren niederländische Polizisten auf originelle Weise was gegen diese Zustände zu unternehmen – wir berichteten ja schon über die Postkartenaktion in Gouda.

Was fiel also den Kollegen des Ijsselland-Korps ein? Das Projekt “Veilig Winkelen” (Sicherer Einkauf). Das bedeutete bsw., dass alle drei Monate an Ladenbesitzer ein Poster mit Fotos der zehn berüchtigsten Wiederholungstäter ausgeteilt wurde. Dieses Poster sollte es dem Personal ermöglichen, notorische Ladendiebe zu erkennen und gegebenenfalls die Polizei zu rufen. Ausserdem veröffentlichte die Polizei auch Fotos von Kriminellen in von ihr selbst herausgegebenen Kalendern. Und dann gab es noch die Aktion “Veelpleger van de Week” (Wiederholgstäter der Woche), bei der ein ausgewählter Berufskrimineller sieben Tage lang von der Polizei auf Schritt und Tritt begleitet und beobachtet wurde (wäre vielleicht eine Idee für eine Dokusoap, RTL oder Sat 1 bitte übernehmen Sie!).

Für sieben Dauer-Kriminelle der Region war das Maß voll. Die einen hatten wohl Verdienstausfallprobleme, die anderen wollten lieber unerkannt zu Werke gehen und die Dritten nahmen es wohl für ihren Berufsstand auf. Kurzum: sie schalteten den Ombudsman ein. Und der machte sich an die Arbeit. Inzwischen kam er zu einem vielbeachteten Ergebnis.

Er ermahnte das Polizeikorps, dass diese bei jedem Fall abwegen müsse “zwischen dem Schutz gegen Ladendiebstal und der Privatsphäre des ‘Ladendiebes'”. (Das Wort Ladendieb setzte der Ombudsman selbst in Anführungszeichen.) Ausserdem dürfe das Verbreitungsgebiet der Poster nicht “unredlich groß” sein. Die populäre Website “Geenstijl” meinte daraufhin sarkastisch, “natürlich muss der Dieb die Chance haben, sein Arbeitsgebiet auszubreiten”. Der Ombudsman war ausserdem der Meinung, dass der Ausdruck “Wiederholungstäter der Woche” unpassend sei und das Abdrucken der Diebes-Fotos auf Kalendern auch nicht ginge. Kurzum: Wiederholungstäter haben in den Niederlanden lt. Ombudsman auch Privatsphäre, auch wenn sie in aller Öffentlichkeit klauen und das immer wieder und wieder tun.

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