vonWolfgang Koch 30.12.2010

Wolfgang Kochs Wienblog

Vom letzten Glanz der Märchenstadt oder wie es sich an der blauen Donau gerade lebt.

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Schon sind die Totentafeln für das Jahr 2010 geschrieben, da erreicht uns in letzter Minute die Nachricht, dass einer der ganz großen Köpfe des Internets von dieser Welt gegangen ist: der aus Kalifornien stammende und in Neuseeland lebende Philosophieprofessor Denis Dutton, im angloamerikanischen Raum bekannt und geschätzt als Intellektueller, der Bücherwissen, Zeitungslektüre und Netzkompetenz vorbildlich unter einem Hut vereinte.

Eigentlich müsste Denis Dutton in Ulrich Holbeins Narratorium, diesem exzellenten Kompendium von Einsiedlern, Querulanten und Wortführern, ganz obenauf zu finden sein. Denn der Mann war mit seiner Internetplattform »Arts & Letters Daily« (www.aldaily.com) zutiefst der Überzeugung, dass eine literarisch ausgerichtete Hochkultur heute in globalen Maßstäben wirken muss.

Das ist, zumal im deutschsprachigen Raum, noch immer keine Selbstverständlichkeit. Denis Dutton wertete seit 1998 sechs Tage die Woche lang die Spitzenprodukte von Printmedien aus, um unseren Geist auf die richtige Fährte zu schicken. Er sammelte und kommentierte Kritiken, Essays, Rezensionen – nicht mehr und nicht weniger. Als Motto hatte sich Dutton den Vers 850 von Senecas Version des Oedipus gewählt: »Veritas odit moras«, was soviel meint wie: »Wahrheit hasst Verspätung«

Dass ALD in europäischen Denkburgen vergleichweise wenig Beachtung findet, dürfte an der durchaus originellen Auswahl von beobachteten Medien und Kolumnisten liegen: Die Liste wird von The Australian angeführt, es folgen: Beirut Daily Star, Boston Globe, CS Monitor, Chicago Tribune, Financial Times, Globe & Mail, Guardian/Observer, Ha’aretz, The Hindu, The Independent, Jerusalem Post, London Telegraph, Los Angeles Times, Moscow Times, National Post, New York Times, New Zealand Herald, SMH USA Today, Washington Post. Unter den deutschsprachigen Qualitätsmedien blättern die ALD-Redakteure überhaupt nur eines regelmäßig auf: das ehemalige Nachrichtenmagazin Der Spiegel.

Die Leser der Intelligenz-Site folgten Denis Dutton auch, als er seinen klugen Service an den Washingtoner Chronicle of Higher Education anschloss. Doch während dieses Universiätsblatt sich mit 70.000 Druckexemplaren und 350.000 Lesern zufrieden geben muss, klicken weiterhin monatlich drei Millionen Leser ALD an.

Die beiden verbleibenden Redakteure, Evan Goldstein und der an der Wright State University lehrende Ökonom Tran Huu Dung, führen »Arts & Letters Daily« weiter.

© Wolfgang Koch 2010

 

 

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