vonWolfgang Koch 20.04.2011

Wolfgang Kochs Wienblog

Vom letzten Glanz der Märchenstadt oder wie es sich an der blauen Donau gerade lebt.

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Blogserie, Teil 8, gewidmet der »Falter«-Redaktion

8- FRANZ SCHANDL

Wie Stephan Grigat (siehe Teil 6) gehört auch dieser ehemalige Protagonist der Grünen Einigung und erste Historiker der österreichischen Ökopartei zur restmarxistischen Fraktion der heimischen Intelligenz. Franz Schandls publizistisches Wirken umfasst heute Bücher, Zeitungsartikel, Vorträge und die Herausgabe des ohne ein praktisches Gegenüber existierenden Theorieorgans Streifzüge.

In den frühen 1980er-Jahren publizierte Schandl im Grün-alternativen Monatsmagazin MOZ, dessen Redaktion ungeniert Gelder vom libyschen Diktator Mummar Gaddafi eingestreift hat – und nicht nur Gelder, sondern auch Illusionen: in der MOZ wurde auf Hochglanzpapier die »Grüne Revolution« in der »Sozialistischen Volksrepublik Libyen« romantisiert und es wurden, damals antizyklisch zum Zeitgeist, die moslemischen Massen zur Speerspitze des Antiamerikanismus ausgerufen.

War man denn nicht »antiimperialistisch« in der Stadt von Karl Kraus? Also bejubelte die MOZ-Redaktion skrupellos eine terroristische Lichtgestalt, die regelmäßig diplomatische Boten mit Geldkoffern aus dem Ölgeschäft in der Wiener Redaktionsstube vorbeischickte, auch wenn es bereits damals genug niederschmetternde Berichte zur Menschenrechtslage im Maghrebstaat Libyen zu lesen gab.

Etwas später, 1986, gelang es dem umweltbewegten Gemeinderat aus Niederösterreich in der heißen Phase der Parteiwerdung der Grünen mitzumischent; Franz Schandl saß im Hainburger Einigungskomitee, das alle möglichen und unmöglichen Strömungen der außerparlamentarischen Opposition unter einen Hut zu bringen versuchte.

Im Zuge der Erstellung von Wahlisten wurden vom Personenkomitee um die Listenführerin Freda Meissner-Blau allerdings nicht nur rechte Exponenten (VGÖ, Gerhard Heiligenbrunner, Günter Nenning) aus der Wahlbewegung hinaus gemobbt, sondern auch der linksradikale Flügel mit Andrea Komlosy, Gerhard Schattauer und eben Schandl selbst. Bis heute spricht der Historiker in eigener Sache von einem Akt der »politischen Säuberung«.

Inzwischen ist ein Vierteljahrhundert ins Land gezogen, viel Wasser die Donau hinabgeflossen. Schandls liefert heute gerne Meinungsbeiträge für allerlei Qualitätszeitungen. Diese publizistische Präsenz ist hart ertrotzt. Denn Schandls in der linkskonservative Berliner Wochenzeitung Der Freitag oder in der sozialdemokratische Wiener Tageszeitung Der Standard publizierten Analysen fehlt die ganze zupackende Polemik seiner Texte im eigenen Blatt. Stilistisch ohne Verve unterliegt der Inhalt nun einer strikten bildungsbürgerlichen Selbstkontrolle.

Im Heften des Kritischen Kreises aber, in den Streifzügen, da beweist dieser Autor immer noch viel Angreiferinstinkt, hier steht er dem bewunderten Quergeist des Günther Anders um wenig nach – ja dieser berühmte Wiener Name, dessen noch berühmtere Warnung vor der »Apokalypseblindheit« sich seit der Atomkatastrophe von Fukushima wieder großer Beliebtheit erfreut, Günter Anders schwebt schon seit vielen Jahren wie ein halb eingelöstes Versprechen über der in den Streifzügen ausgerufenen »gesellschaftlichen Transformationskunde«.

Günther Anders war nämlich zu fortgeschrittener Lebzeit der Hausheilige eines anderen österreichischen Intelligenzblattes – der 1995 endgültig und unwiderruflich eingestellten einzigen Kulturzeitschrift von internationalem Format: dem Forvm. Dieses legendäre Linksblatt war 1954 von Friedrich Torberg ins Leben gerufenen worden, wurde später von Günther Nenning frisch, jung und groß gemachten und schließlich von Gerhard Oberschlick zu Tode geritten.

Das Forvm ist tot, es lebe das Forvm! – Seit 15 Jahren nehmen sich die Streifzüge nun Österreichs historische  Zeitschrift von internationalem Format zum Vorbild. Allein, die Mühe ist vergeblich. »Eigentlich«, sagt Schandl, »können wir uns die Zeitschrift mit unserer materiellen Basis und unseren menschlichen Ressourcen gar nicht leisten«; aber die Lust an der Selbstausbeutung war ja auch schon bei Torberg, Nenning und Oberschlick virulent.

Die Streifzüge erscheinen dreimal im Jahr. Auf 50 eng bedruckten Seiten wird hier und in einer Netzversion ein schreibwütiger »Kampf gegen die Arbeit und für ein bedingungsloses Grundeinkommen« geführt, werden regelmäßig die Werte als »abstrakte Prinzipien des Bürgertums« entlarvt; ebenso verlässlich führt uns die Redaktion Ökologismus und Sozialdemokratie als gefährliche Inklusionsmaschinen der Fabrikgesellschaft vor.

Die wichtigsten Auseinandersetzungen in den Streifzügen drehen sich seit der ersten Stunde verlässlich um das Verhältnis der Kritik zu Auschwitz. Franz Schandls publizistischer Sansculottismus, sein egalitärer Rigorismus, seine herbeigesehnter Volksaufstand bleiben ebenso verlässlich marginalisiert am österreichischen Meinungsmarkt.

Wenn die formale Struktur des Denkens der Ausdruck der seelischen Struktur des Erkennenden ist, dann haben wir es hier vermutlich mit einem halb resignierten Wahrheitssadismus zu tun. Wie alle Marxisten glaubt Schandl nämlich so wenig zu erreichen, weil er so wenig politisch handelt … und dass er so wenig handelt, weil er so viel erkannt hat.

Immerhin haben, zwischen der rabulistischen Essayistik, in den Streifzügen auch literarische Einsprengsel Platz, und die Zahl der Abonnenten war noch sie so hoch wie heute: 289.

© Wolfgang Koch 2011

http://www.streifzuege.org/

 

 

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