Am letzten Wochenende tagte der SPÖ Brigittenau, die das prozentuell beste Stimmergebnis bei den letzen Gemeinderatswahlen eingefahren hat. Zwischen zwei ausgiebigen Mahlzeiten, der Totenehrung und dem »Lied der Arbeit«, lauschten vorwiegend Senioren den Ausführungen des Bundesministers Rudi Hundstorfer und Stadträtin Sonja Wehsely zur Schuldenexplosion im Staats- und Gesundheitshaushalt.
Hundstorfer, der wegen seines legeren Auftretens als Linksaußen des Kabinetts gilt, machte die Invaliditätspensionisten zum Sündenbock der leeren Kassen. Bereits ein Drittel der Neuanträge bei den Pensionen fallen aktuell in diesen Bereich; in 80 Prozent der Fälle wird von den Antragstellern psychische Arbeitsunfähigkeit geltend gemacht.
Die durchschnittliche Bezieherin einer Invaliditätspension, so Hundstorfer, erhalte in Österreich momentan 14 Mal 595,- Euro im Jahr – das sei »programmierte Armut« und somit schlichtweg skandalös. Auf die Idee, dass dieser Hungerleider-Betrag für invalide Pensionsbezieher erhöht werden müsste, kam der Arbeits- und Sozialminister allerdings nicht. Im Gegenteil: Die Regierung verschärft erneut den Zugang zu dieser gesetzlichen geregelten Sozialsicherungsleistung.
Halb bedauernd erklärte Hundstorfer vor den versammelten Genossen, dass der Staat ja leider nicht jeden Österreicher, der Psychopharmaka vom Arzt verschrieben bekomme, einer arbeitstherapeutischen Begleitung unterziehen könne. Vom Thema Grundsicherung ist man in der SPÖ heute weiter weg als unter den sozialliberalen Bundeskanzlern Vranitzky und Klima.
Geführt wird die Bezirkspartei Brigittenau von Gemeinderat Erich Valentin, einem prolligen Klon des amtierenden Bürgermeister Michael Häupl. Er sprach die oppositionellen Freiheitlichen (FPÖ) gleich mehrmals und demonstrativ als »Faschisten« an, weil diese sich für die Erhaltung des einzigen Feuerwehrstützpunktes im Bezirk stark machen
Kontrovers verlief am Bezirksparteitag allein die Debatte über einen Antrag zur »Kennzeichungspflicht für RadfahrerInnen«, die auch den verpflichtenden Abschluss einer Haftpflichtversicherung umfassen soll. Dieses Ansinnen ist die dramatische Folge eines jahrelangen chaotisch betrieben Radwegeausbaus, der fast überall in Wien auf Kosten der Fußgänger geht. Heute will die Sektion 13 der SPÖ die Anonymität der Radfahrer als schlimmste Gefahrenquelle für Verkehrsteilnehmer ausgemacht haben.
Gegen die Beschilderung der Bikes stellte sich ausgerechnet die gerade im Aufbau befindliche Gruppe der sozialdemokratischen »Radfreunde«, die dem Koalitionspartner im Rathaus das Thema Radeln abspenstig machen will. »Keine Stimme für die Grünen!«, erklärte SP-Bezirksrat Armin J. Hanschitz; eine Kennzeichnungspflicht für Biker sei weder administrierbar, noch existiere im Ausland Vergleichbares.
Der Antrag zur Registrierung der Radbesitzer wurde nach einigen Abstimmungs-Kalamitäten von den versammelten Delegierten angenommen und einem Bezirksausschuss zugewiesen; die Wiener Sozialdemokraten im 17. Bezirk arbeiten an einer identischen Initiative zur Disziplinierung der Pedalritter in Wiens Straßenverkehr.
© Wolfgang Koch 2012
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kommentare
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Was für lächerliche Scheinpolitik wird da wieder auf Kosten der Steuerzahler*innen betrieben? Kein Wunder dass die SPÖ Wahl um Wahl baden geht. Natürlich, ist das Thema Radfahrer*innen von den Grünen besetzt! Wie realitätsfremd gehts denn noch? Die SPÖ sollte sich besser um Verteilungsgerechtigkeit, gegen Studiengebühren, gegen eine Verlängerung der Arbeitszeit und für einen Schutz der Arbeitnehmer*innen und sozial Schwächeren einsetzen, als mit absolut unwichtigen sinnfreien und an den Bedürfnissen der Menschen vorbeigehenden Scheinthemen in die Öffentlichkeit zu drängen oder in den Wähler*innenschichten ihrer KOALITIONSPARTNERIN zu wildern! Kümmert euch doch um eure Kernkompetenzen, die seit Vranitzky in der SPÖ vermisst werden. Neoliberaler Haufen mit rotem Anstrich…
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Mit der Initiative „Radfreunde“ wollen wir nachhaltige Mobilitätsformen, aber insbesondere den Radverkehr fördern. Dies mit allen Menschen, so auch mit jenen, die nicht der SPÖ angehören! Das bedeutet – und das habe ich auch am Bezirksparteitag so gesagt: „Dieses Thema ist ein Zukunftsthema, wir haben das auch erkannt und wir sollten uns dabei engagieren und das Thema nicht anderen allein überlassen. Es gibt keine Erbpacht auf RadfahrerInnen von Seiten der Grünen oder sonst wem, es ist auch der Umwelt/Gesundheit/Lebensqualität egal, wer für eine sinnvolle zukunftsweisende Mobilität sorgt.“
Schön ist, dass auch immer mehr SozialdemokratInnen ihr Fahrrad nutzen, und es werden immer mehr!
Mehr unter: http://www.wirsindmehr.at/gruppe/radfreunde
Hallo Armin, Respekt für deine Initiative.
Am abartigen Antrag deiner Partei auf „Kannzeichnungspflicht für RadfahrerInnen“ (sic!) kann man gut sehen wo deine Freunde stehen, nämlich komplett jenseits.
Wer solche Freunde hat braucht keine Feinde mehr. Good luck, you’ll need it.