vonWolfgang Koch 06.10.2012

Wolfgang Kochs Wienblog

Vom letzten Glanz der Märchenstadt oder wie es sich an der blauen Donau gerade lebt.

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Gedärme jodeln, das Blut spritzt in Fontänen. Der Grünen-Kultursprecher Wolfgang Zinggl möchte sich zu dem Thema nicht äußern, um keine schlafenden Hunde zu wecken – und er tut damit genau das, was die Menschen an der Politik heute so abstößt: taktisch argumentieren. Man sagt A, weil andere B sagen, und umgekehrt, statt das eigene Herz und den eigenen Verstand sprechen zu lassen.

Kann denn Gewaltverstiegenheit eine Errungenschaft sein? / Foto: M. Obermayr

 

Der Protest gegen die Flut von Gewaltdarstellung beschränkt sich in Österreich auf ein paar ablehende Stellungnahmen der Rechtspartei FPÖ, die reflexartig auf jede merkwürdige Subkultur reagiert. Niederösterreichische Elternvereine (LEVNÖ) fordern eine für die Präventionsarbeit zweckgebundene Besteuerung von Gewalt-Computerspielen. Und damit hat sich es sich schon wieder; mehr an Diskussion findet in Österreich nicht statt.

 

Die angepassten Grünen begreifen die 7.000 Besucher des Slashfilm-Festivals als Teil der eigenen Klientel und tragen die Kultursubventionen für den Mitveranstalter Filmcasino in der rot-grünen Wiener Stadtregierung diskussionslos mit.

 

Weitere öffentliche Gelder gelangen über institutionelle Förderer an das Festival: Der Filmfonds Wien, der nach Eigendefinition eigentlich »kulturell bedeutsame Filme ermöglichen« soll, will ausgerechnet mit den Blutlitaneien das »Kino als Ort kulturellen Erlebens in Wien verankern«. In den entsprechenden Richtlinien der steuerfinanzierten Einrichtung heißt es: »Der Filmfonds Wien fördert kinokulturell ambitionierte Lichtspielhäuser, da nur eine lebendige Kinokultur die Präsenz besonderer Kinofilme in Wien sichern kann«.

 

Ing. Kurt Wimmer, SPÖ-Bezirksvorsteher des 5. Wiener Gemeindebezirks, steuert Geld für die Blutorgien gleich direkt aus dem Bezirkskulturbudget von Margareten bei. Die Wirtschaftskammer Wien findet sich in Form der Berufsgruppe Spielfilm, Wirtschaftsfilm, Kurz- und Dokumentarfilm im Fachverband der Film- und Musikindustrie mit finanziellen Zuwendungen ein.

 

Ebenfalls zu den Förderern zählen die VDFS-Verwertungsgesellschaft der Filmschaffenden, eine registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung; sowie die VAM Verwertungsgesellschaft für audiovisuelle Medien GmbH, die ihre zur Verfügung gestellte Mittel in der Jahresbilanz unter einer eigenen Position »Verbindlichkeit aus der Widmung für soziale und kulturelle Zwecke« ausweist.

 

Worin, bitte, besteht denn der herausragende »kulturelle Zweck« von Klappmessern, die schlafende Körper aufschlitzen? Worin besteht die »soziale Widmung« einer Gewaltorgie, deren Anblick jeden Kinobesucher von innen überwältigt?

 

Nein, die Funktionäre dieser Gremien, Kammern und Verwertungsgesellschaften können uns das nicht erklären, und sie rechnen mit einem Stillschweigen der Öffentlichkeit. – Hat man denn nicht eigens fünf Medienpartner mit an Bord des Festivals geholt, und sogenannte »Kooperationspartner« gleich im Dutzend?

 

Die entstellende Verletzung des Körpers zerbricht den Menschen, seine Stellung in der Welt insgesamt wird erschüttert. Sie trifft ihn in seinem Innersten und unterwirft ihn als Ganzen, in seiner Totalität.

 

Man hat von der Wirkung der Gewaltbilder noch nicht das mindeste verstanden, wenn man sie lediglich als einen physischen, äußerlichen Vorgang betrachtet. Die gezeigte Gewalt durchstößt die gesamte Person, entfesselt innere Kräfte, die sie zu Boden werfen. So wenig wie man sich den nächsten Hieben eines realen Feindes widersetzen könnte, so wenig vermag der Zuschauer der Angst und dem Schmerz auf der Leinwand entgegenzutreten.

 

Was das Horroractionkino von heute feiert, sind Gewaltszenen, die stets um die Tat und den Täter kreisen. Doch die Beschreibung der Wunde ist hier nirgends eine Beschreibung des Schmerzes, sondern der Lust zu verletzen; man zeigt keinen Kampf, sondern ein Massaker an Wehrlosen.

 

In Slash und Splatter geht es ausschließlich um eine orgiastische Selbststeigerung, einen Akt der Selbstentgrenzung. Der Bewegungssturm der Bilder zieht den Betrachter in einen anderen Zustand, dessen katharsischer Effekt zwar stets behauptet, aber durch nichts bewiesen ist. 

 

Warum herrscht so ein einmütges Schweigen über diesen cineastischen Irrsinn? Das ist mir vollkommen unerklärlich.

 

Im Gewaltrausch auf der Leinwand und am Bildschirm wird heute eine Generation ganz Leib; behände springt der Geist von Tatort zu Tatort, der Schwung der Gewalt, der Exzess des spritzenden Blutes trägt ihn fort.

 

Man könnte sagen: Die Last des Selbst wird aufgehoben. Ja, aber um welchen Preis, bitteschön?

 

Das Ich, die Not der Individuation, verlöscht zugunsten eines Gefühls absoluter Macht. Der Exzeß befreit den Zuschauer nicht nur vom Tötungsverbot in einem abgeschirmten Raum, die Gelüste des Quälens befreien ihn von allen Beschwernissen der Existenz, die mit dem eigenen Verhalten zu tun haben. Die ewigen Perversionen des Libertins gedeihen jetzt mit höheren kulturellen Weihen und auf Steuerzahlerkosten in einem Saal der visuellen Ausschweifungen.

 

Ich meine, dass wir es bei Slash-Filmen mit einem Phänomen der kollektiven Transgression zu tun haben, das nicht allein die Barrieren des guten Geschmacks niederreißt – dagegen wäre nichts zu sagen –, sondern die Öffentlichkeit des kuturellen Ereignisses selbst in ein Terrain des Exzesses verwandelt.

 

Die Sprache der Slashmovies ist gellend und schrill; die Schreie der Verwundeten, das Gebrüll des Mobs, der Hall der Schüsse. Slashmovies sind nur scheinbar Aufführungen für stumme ZuschauerInnen, die in sicherer Entfernung ein Verbrechen beobachten. Die Bewegung der Gewalt erfasst alle jene, die sich wach vor der Leinwand aufhalten. Sie duldet keine neutralen Zeugen, sie kennt nur Identifikation mit dem Tätern, macht mich zum Mittäter – und mir gegenüber Feinde. Sie will nichts zeigen, nichts darstellen, sie ist selbst pure Aktion, Amoklauf, Gemetzel.

 

War das nicht immer so, dass die Lynchmeute sich empören will, vernichten, was ihre Wut erregt?

 

Schon möglich,  aber für die Welt draußen haben wir Gesetze. Jetzt durchkämmen die Kinogeher drinnen als Mordkommando die Szenerie und schlachten alles ab, dessen sie habhaft werden können.

 

Und zeilenschmierend heisst das dann: »Kinokultur«.

 

© Wolfgang Koch 2012

 

http://www.youtube.com/watch?v=MmLh4NUu6E4

http://slashfilmfestival.com/partner/

 

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https://blogs.taz.de/wienblog/2012/10/06/warum-die-rechtspartei-fpo-doch-eine-berechtigung-hat-b/

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kommentare

  • Schon mal mit der NPD versucht, die zeigen auch sicher tolle Filme. Hach wie gerne würde ich doch die FPÖ zu Ihnen exportieren Herr Koch, dorthin wo sie wirklich eine Berechtigung hat.

    Worin, bitte, besteht denn der herausragende »kulturelle Zweck« von Klappmessern, die schlafende Körper aufschlitzen? Worin besteht die »soziale Widmung« einer Gewaltorgie, deren Anblick jeden Kinobesucher von innen überwältigt? …

    Wird wahrscheinlich entartete Kunst sein. Alles viel zu postmodern und zu „plural“ (IGITT)

    Ich respektiere natürlich Ihren journalistischen Freigeist mit dem Sie uns natürlich nur aus dieser Blutorgie wachrütteln wollten.

  • Sie haben nicht sonderlich viel Ahnung von Popkultur, oder?
    Einen Horror oder Flash-Film als reine Aneinanderreihung von Gewalt zu beschreiben…ja, da hat einer aber gut aufgepasst im Kino…NOT!
    Gewalt ist Teil der menschlichen Kultur und die Darstellung/Beschreibung davon reicht zurück bis zu den Dramen der Antike. Das es aber in solchen Filmen um viel mehr geht, um den Kampf gut gegen böse, um nur eines der stereotypischten Beispiele zu nennen.

    Machen sie nächsten mal jedenfalls besser ihre Hausaufgaben, schreiben sie über etwas bei dem sie sich auszukennen, und den verkopften Quatsch am Ende können sie sich für einen Tratsch mit Herrn Haneke aufheben, ich bin mir sicher, der findet sowas UR interessant und super!

  • Gähn. Eine ziemlich alte Diskussion, die seit den griechischen Tragöden und Shakespeares blutigen Königsdramen kaum an Argumenten gewonnen hat, sich nur immer wieder am Neuesten aufregt und abwetzt.

  • Ihren Kreuzzug gegen das Genre bitte nicht auf von Liebhabern organisierte, auf Förderungen angewiesene und liebevoll programmierte Festivals abladen. Und das nächste mal vielleicht auch mehr als einen Film des Festivals recherchieren.

    Gratulation zu dem Beitragstitel. Schon dadurch wird die unsinnigkeit des Inhalts ersichtlich, zumal Ihre Hetze gegen die Subventionierung von Subkultur die Sie nicht verstehen zu scheinen wundervoll zu dem Parteiprogramm passt, das ja seine Berechtigung dadurch bekommt.

  • Dass Genrefilme durchaus einen größeren Fankreis haben als ein paar tausend morbide Ösis beweisen andere, viel größere Festivals wie das Fantasy Filmfest in Deutschland oder das Sitges in Spanien. Der Beitrag ist genauso lächerlich, ignorant und rückständig, wie die ausgelassenen Hasstiraden vergangener Tage zu diversen anderen Werken und Kunstformen, seis Picassos Guernica oder Desades 120 Tage von Sodom.

  • Endlich mal ein Feuilletionist, der in unserer ach so postmodernen, pluralen Gesellschaft Stellung bezieht und sich nicht seiner „Normativität“ scheut! Bravo!

    Und ich bin kein sicherlich kein Biedermeier, der Kunst nur mit seichter Unterhaltung, Pseudokritik o. ä. gleichsetzt.

    Ich frage mich als Nichtösterreicher, ob dieses Festival als moderne Entwicklung der bekannten Wiener Morbidität einzuordnen ist? Oder wie sonst wäre diese Art von subventionierter „Kinokultur“ zu erklären?

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