vonWolfgang Koch 15.03.2013

Wolfgang Kochs Wienblog

Vom letzten Glanz der Märchenstadt oder wie es sich an der blauen Donau gerade lebt.

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Der Gedanken, Kinderrechte umzusetzen, bleibt Maskerade. / Foto: Kinderfreunde
 

Die Österreichischen Kinderfreunde sind eine tragende Säule der sozialdemokratischen Bewegung, und in Wien überdies der größte private Kindergarten- und Hortbetreiber. Die Funktionäre dieser mächtigen Organisation führen nichts häufiger im Mund als die Kinderrechte und versprechen auf sämtlichen ihrer Kanäle, mit fortschrittlichen Pädagogen, tausenden ehrenamtlichen Mitarbeitern und den Eltern eben diese Kinderrechte in ihrer Arbeit auch umzusetzen.

 

Wiens Kinderfreunde beabsichtigen nach eigener Aussage, »dem Kind auf gleicher Augenhöhe zu begegnen und den Heranwachsenden Respekt entgegen bringen«. In der sogenannten Kinderrechte-Arbeit kommen dabei immer neue Ideen zum Einsatz, zum Beispiel regelmäßige Kinderkonferenzen oder ein Kinderrechte-Set im Kinderfreunde-Hort in der Leipziger Straße, im Kindergarten Kluckygasse erprobt man eine Kinderrechte-Schatzkiste mit putzigen Symbolen.

 

Sind solche Aktivitäten glaubwürdig? Sind sie überhaupt das viele, bedruckte Papier wert, auf dem sie propagiert werden? – Nehmen wir zum Beispiel den Fall der fünfjährigen Monika O., um die Sache zu überprüfen. Monika O. hat im letzten Sommer den ersten ihre mausspitzen Milchzähne verloren.

 

Gleich im September dann, als es nach den Sommerferien mit dem Kindergartenjahr wieder losging, brachten Monikas Eltern Zahnputzzeug in den betreffenden Kinderfreunde-Kindergarten und baten die Betreuerinnen, das Mädchen nach dem Mittagessen zum Zähneputzen zu schicken. Das stieß auf gewohnte Freundlichkeit und allgemeines Wohlwollen, funktionierte auch vier Monate lang prima, bis schließlich eines Tages die Kindergartenleiterin den verdutzten Eltern säuerlich eröffnete, dass Monikas tägliches kleines Mittagsritual leider fortan wieder entfallen müsse.

 

Warum?, werden Sie jetzt fragen. Nun, wir fragen uns das auch.

 

Die Begründung dafür, dass die Essenreste wieder auf Monikas Zähnen picken bleiben müssen, lautet: Die Eltern anderer Kinder hätten ebenfalls ihr Interesse am Zähneputzen bekundet. Das aber sei schwierig umzusetzen. Man müsste ja die Bürsten, Becher und Pasten getrennt aufbewahren. Die Leiterin fragte wegen des zu erwartenden dramatischen Mehraufwands an täglicher Betreuungarbeit in der Albertgasse nach und erhielt von der Landesorganisation prompt die gewünschte Weisung, das Zähneputzen der Kleinen aus administrativen Gründen bleiben zu lassen.

 

Dass die lautstark propagierte UN-Kinderrechtskonvention in den Artikel 14, 17, 24, 32 und 39 auch das »Recht auf Gesundheit und Hygiene« enthält, das lassen die Kinderfreunde kurzerhand unter den Mittagstisch fallen. Weder Franz Prokop, der Vorsitzende der Wiener Kinderfreunde, noch Geschäftsführer Christian Morawek, oder irgendjemand der 70 Mitarbeiter in der Zentrale, wollten sich auch nur dazu herablassen, den Eltern auf ihre Bewerde zu antworten. Wo kämen wir da bitte hin im Roten Wien, wenn nicht mehr die Zentrale bestimmte, welche Bedürfnisse die Betroffenen anmelden dürfen und welche nicht!

 

Die Ignoranz der selbsternannten »Schrittmacher« im Wiener Kinderfreundehaus sucht Ihresgleichen. Eltern werden von dieser einst ehrwürdigen Organisation nicht mehr als Partner oder zahlende Kunden behandelt, sondern in bester kollektivistischer Manier als Bittsteller und lästige Querulanten; Kinder werden nicht als schutzbedürftige Menschen angesehen, sondern als in Anstalten zu verwahrende »Schatzis« und »Mausis«.

 

Unter solchen Vorzeichen klingen Sätze wie folgender aus der aktuellen Zeitschrift der Wiener Kinderfreunde nur mehr zynisch: »Die Kinderrechte-Arbeit im Kindergarten gibt Kindern die Chance zu erfahren, was es bedeutet, wenn Kinderrechte aktiv umgesetzt werden. Sie werden dazu befähigt, diese auf ihrem weiteren Lebensweg einzufordern und in späterer Folge auch ihren eigenen Kindern vorzuleben«.

 

Was zeigt sich am Fall unserer Fünfjährigen in Grossbuchstaben? Es zeigt sich, was es bedeutet, wenn Sozialdemokraten Kinderrechte aktiv umsetzen: nämlich nichts. Und welche Fähigkeiten erwerben die Kinder in solchen Kindergärten? Die Fähigkeit zur deprimierenden Einsicht, dass ihre Rechte Worthülsen sind, auf denen Erwachsene nach Bedarf herumtrampeln wie sie wollen.

 

© Wolfgang Koch 2013

 

http://wien.kinderfreunde.at/Bundeslaender/Wien

http://www.kinderrechte.gv.at/home/

 

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https://blogs.taz.de/wienblog/2013/03/15/wiener-kinderfreunde-auf-der-milchzahlstrasse/

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kommentare

  • Nun ja, soweit ich weiss wird seit einiger Zeit das Zähneputzen auch in Kindergärten wo es davor üblich war wieder abgeschafft. Grund: die Kinder erwischen z.T. dann auch mal ne andere Zahnbürste und dieser Austausch sei schädlicher als das nicht mittägliche putzen. Und ich kann nun mal nicht bei dem üblichen Betreuungsschlüsseln erwarten, dass die KIndergärtnerInnen da immer hundertprozentig dahinter sein können. Und manche Dinge die daheim ohne weiteres funktionieren sind im Kiga aufgrund der zahlreichen Kinder halt nicht möglich. Da jetzt die Kinderfreunde schlecht zu machen ergibt doch keinen Sinn. Da gilt generell der übliche Betreuungsschlüssel zu hinterfragen. Mir ist es jedenfalls lieber das Kind putzt im Kiga nicht als vielleicht mit einer fremden Bürste. Oder putzt dann mit der Bürste zuerst was anderes bevor es damit die Zähne putzt (so wie meiner es gerne manchmal tun würde)

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