vonWolfgang Koch 22.05.2013

Wolfgang Kochs Wienblog

Vom letzten Glanz der Märchenstadt oder wie es sich an der blauen Donau gerade lebt.

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Wolfgang Walkensteiner: What I didn't see in Ukrainian woods, 2013 (1), 200-100 cm / Foto: Walkensteiner
 
Giraffen sind in der zeitgenössischen Kunst ein No-Go. An diesem Umstand trägt ausgerechnet eines der kleinsten Werke des Spaniers Salvador Dalí die Schuld: 1936 malte der Surrealist mit Ölfarbe auf einer gerade mal 35 x 27 cm großen Holzunterlage das berühmte Gemälde Die brennende Giraffe.

 

Die ikonische Qualität dieser Arbeit ist sehr erstaunlich. Das Tier steht bei Dalí ja gar nicht im Mittelpunkt der Darstellung. Hinter zwei theatralischen weiblichen Figuren ist erst im hinteren Teil des Bildes jenes unvergesslicher Exemplar zu sehen, dessen Rücken in lodernden Flammen steht. Und Dalís Giraffe scheint dieser Brand, im Gegensatz zu den beiden schwer ramponierten Frauenkörpern, absolut nichts anhaben zu können – ein Symbol für die ewige, unvergängliche Natur im Kontrast zur Zerbrechlichkeit des Menschen.

 

Dass der in Wien und Kärnten wirkende Künstler Wolfgang Walkensteiner gerne unsentimentale Reisen an Punkte unternimmt, an denen die Erde sich anders dreht, irgendwie  rückartiger, langsamer oder auch kälter, ist Kunstkennern durchaus bekannt. 2010 zum Beispiel brachte der Mann, irregeführt von der Fremde Kasachstans, das Thema des Kometen mit nach Hause.

 

Als Walkensteiner im vergangenen Winter von einer Reise in der ukrainischen Wälder nach Wien zurückkehrte, musste er sich natürlich die neugierige Frage gefallen lassen, was er denn diesmal von seinem Trip mitgebracht habe, und Walkensteiner antwortete spontan: »Na, Giraffen sicher nicht!«

 

Nun  ist Walkensteiner kein nüchterner Zeitgenosse, der nach solchen Dialogen einfach wieder zur Tagesordnung zurückkehren kann. Wäre er so einfach gestrickt, hätte er ja Mittelschullehrer oder Politiker werden können.

 

In einem von der Muse geküssten Menschen ruft auch die kleinste Selbstauskunft noch ein Echo hervor, lässt ihn nachdenklich werden, und in diesem Fall eben so lange, bis Walkensteiner den harten Kampf mit den Dämonen der Kunstgeschichte aufnahm und trotz Dalí berühmter brennender Giraffe sich erstes eigenes Steppentier auf die Leinwand pinselte.

 

Ich erzähle das hier so ausführlich, weil Nichtkünstler, Laien sich häufig nicht erklären können, wie künstlerische Prozesse ablaufen. Die Logik, nach der Werke entstehen, wird meistens von außen angestoßen; der Künstler nimmt geistige Impulse im Dialog mit dem Leben auf; er übt sich darin, der alltäglichen Wahrnehmung einen zusätzlichen Sinn abzutrotzen.

 

Für diesen kaum steuerbaren Prozess ist Walkensteiners Sujetfindung ein gutes Beispiel. Erst einmal ins Werk gesetzt, entfalten die Giraffen nun im Atelier ihr eigenes, wildes Leben. Ein Giraffenkopf liegt obenauf am Haufen der Tonmodelle, zwei Tierschädel verdoppelten sich und wurden aus den Leinwänden herausgeschnitten, drei weitere, großformatige Tiere fügen sich zu einem Triptychon.

 

Walkensteiners Giraffen brennen natürlich nicht. Ihre großen unregelmäßigen Flecken im Fell gleichen eher Kratern oder Geschwüren. Was noch auffällt: Diese Exemplare trotten nicht im Passgang durch die Steppe oder staksen am fernen Horizont herum, sondern recken ohne Torso ihre Hälse wie überdimensionale Tentakeln in den leeren Raum.

 

Ähnlich wie beim Kometen-Motiv unmittelbar vor der Nuklearkatastrophe von Fukushima wird hier an die positiven Verheißungen einer überzeitlichen Natur nur noch mit Schrecken gedacht. Der Mensch taucht, wenn überhaupt, nur mehr in Form eines Totenschädels im jüngeren ŒOEvre des Künstlers auf. Und genau wie der Menwsch erscheint auch die vom Bewusstsein unabhängige Welt der Giraffe als das große Vergängliche.

 

Die klassische Moderne eines Dalí  konnte die Korrelation des Denkens und des Seins, in der wir uns immer schon befinden, der wir uns nicht entziehen können, noch unbeschwert feiert. Walkensteiner entzieht ihr alles Heroische.

 

Um den »Gast als Fremdkörper« soll die nächste Ausstellung kreisen, erzählt der Künstler. Ein ideales Vorhaben, um mit den Giraffen zu verreisen, um sie an jeden beliebigen Ort zu bringen, von dem er sie nicht mitgebracht hat.

 

(Wird fortgesetzt)

 

© Wolfgang Koch 2013

 

http://www.walkensteiner.at/

 

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https://blogs.taz.de/wienblog/2013/05/22/wie-die-giraffe-in-die-ukraine-kam-%e2%80%93-%d1%8f%d0%ba-came-%d0%b6%d0%b8%d1%80%d0%b0%d1%84%d0%b0-%d1%83-%d1%83%d0%ba%d1%80%d0%b0%d1%97%d0%bd%d1%96-i/

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