vonWolfgang Koch 27.09.2013

Wolfgang Kochs Wienblog

Vom letzten Glanz der Märchenstadt oder wie es sich an der blauen Donau gerade lebt.

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In der Alpenrepublik stehen sich zwei große Lager von Intellektuellen gegenüber. [Den Begriff Intellektueller fassen wir hier in christlicher Milde beuschelweich; er umschließt alle Knowledge worker, vom Wissenschafter über Künstler bis hin zum Journalisten, und versandet irgendwo im Unterhaltungsfach].

 

Wenige Tage vor der Nationalratswahl 2013 stehen in Österreich die beiden Lager der Wirrköpfe und der Linkswähler unversöhnlich einander gegenüber.

 

Im prachtvoll herausgeputzen Lager der Wirrköpfe versammeln sich Politikverächter, Bartleys aller Richtungen und die Anhänger von nicht weniger als fünf Rechtsparteien (ÖVP, FPÖ, BZÖ, Team Stronach, Neons).

 

Angeführt werden die Wirrköpfe ausgerechnet von der Ehrenvorsitzenden der Grünen-Partei, Freda Meissner-Blau, die aus Protest gegen eine regionale Schwarz-Grün-Gelb-Koalition in Salzburg ungültig wählen will.

 

Zu den erklärten Rechtswählern zählt weiters der Zirkuspoet André Heller, der in einem Seelenwirbel der Weltphantasie für die nicht im Parlament vertreten Neons votiert, weil diese noch keine Gelegenheit gehabt haben, einen politischen Fehler zu machen.

 

Der Streetlife-Fotograf Paul Albert Leitner, ein weiteres Originalgenie, plädiert wenigstens aus einer praktischen Erfahrung für die Neons. Die sexy, jungen Liberalen haben ihm im Wahlkampf eine pinkfarbene Tragtasche geschenkt.

 

Unter die Wirrköpfe des Jahres 2013 drängt sich auch Christian Rainer, Herausgeber des ehemaligen Nachrichtenmagazins profil. In einem Leitkommentar wirft er der FPÖ an den Kopf, »ausländerfeindlich ohne Maß und Ziel« zu sein.

 

Na, hallo! Hat Rainer in seinem Überdeutsch nicht doch etwas anders sagen wollen? Schwer zu glauben, dass sich der Familienmagazineur nach einer »Ausländerfeindlichkeit mit Maß & Ziel« sehnt.

 

Ein verzeihlicher Lapsus, sagen Sie. – Nein, denn diese Sprachentgleisung hat System. Oder denken Sie auch, eine »von der Spitze abwärts mit rechtsradikalem Gedankengut verseuchte Partei« sei moralisch irgendwie weniger schlimm als eine nur an der Basis verseuchte Partei?

 

Ja, aber so sind sie eben, die erfolgreichen Austro-Intellektuellen! Großmäulig, trinkfest, immer ein Kilogramm Gips in der Tasche, um glatte Fassaden zu verschönern.

 

Worin, fragt man sich, liegt der kognitive Gewinn eines solchen Wahlkampfes? In dem tiefen Einblick, den er in die »Dämonie der Gemütlichkeit« (Hilde Spiel) gewährt?

 

Wenigstens haben die Vertreter eines neuen Radical chic in Österreich kaum einen Ort, ihren Missmut zu äußern. Pseudoprogressive Politikverweigerung á la Slavoj Žižek, Harald Welzer oder Botho Strauß wird man hierzulande vergeblich suchen. Sämtliche Verlags- und Medienhäuser sind von staatlichen Zuwendungen abhängig, Herausgeber und Verleger verscherzen sich nur ungern mit den Fördergebern.

 

Dass das demokratische Begehren heute folgenlos an der kybernetischen Welt abperlt – das kann Österreich kaum wo laut gesagt werden. Kritik an der repräsentativen Demokratie äußert sich allenfalls in der Forderung nach Abschaffung der Zweiten Kammer, des Bundesrates.

 

Viele der 6,4 Millionen zur Wahl aufgerufenen Österreicherinnen und Österreicher erinnern sich mit Entsetzen daran, wie die FPÖ nach ihrer fulminanten Wahlschlappe in Kärnten ausgerechnet den für diese Niederlage verantwortlichen Bundesrats-Kritiker Gerald Dörfer auf einem Bundesratsmandat frühpensioniert hat.

 

Zuletzt wetterte der Kärntner Schriftsteller Josef Winkler wieder einmal gegen diese Doppelmoral der selbsternannten FPÖ-Saubermänner. »Dörfler«, schrieb Winkler unlektoriert, »schlüpfte in den Notnagel des Bundesrates«. Das ist eh richtig; aber wie man in einen Nagel schlüpft, soll uns der hochdekorierte Suhrkamp-Autor doch bitte mal vormachen.

 

Kommen wir zum wenig zuversichtlichen Lager der Linkswähler. Auch hier lassen sich Stamm- und Wechselwähler unterscheiden.

 

In Boulevardblättern melden sich SPÖ-Wähler zu Wort, denen man lieber nicht leibhaftig begegnen möchte: der Thaiboxer Fadi Merza, der Ex-Boxer und Pastor Biko Botowamungo, der Literat Stephan Eibel Erzberg, die Operngröße Birgit Sarata und die am wenigsten komischste aller Kabarettkisten, Dolores Schmidinger.

 

Die Kinderbuchautorin Christine Nöstlinger, die in einem Interview mit der Süddeutschen gerade davon abgerückt ist, »dass man Kinder dazu aufrufen soll, gegen üble Zustände aufzutreten«, diese Urwienerin wählt ebenfalls wieder Victor Adlers Erben. Elfriede Jelinek täte es bekanntlich sogar, wenn die SPÖ von einem Affen präsidiert würde.

 

Auch Franz Schuh, der blinde Seher vom Schottenring, wählt rot und begründet seinen Nibelungentreue zur SPÖ gleich dreifach: a] mit den drei verbliebenen Intellektuellen in der Arbeiterkammer, b] mit der Reminiszenz an die Gewerkschaft, und c] mit den alten Genossinnen und Genossen, die in Floridsdorf das Bezirksmuseum führen.

 

Die Floridsdorfer Regimenter in Ehren! Ich möchte dem Grammophon-Intellektuellen Schuh aber mal empfehlen, an Pensionistenfahren von SPÖ und der Grünen teilzunehmen und die jeweiligen sozialen Beobachtungen miteinander zu vergleichen. Bei der SPÖ: lauter braungebrannte Gesichter, Frühpensionisten und Korridorsenioren, die sich über Kreuzfahrten im Mittelmeer austauschen. Bei den Grünen: Schlurf & Schlapf, Lumpenakademiker, wirklich Arme & Bedürftige.

 

Alle Jahre wieder schenkt die Trachtenunternehmerin Gexi Tostmann der Ökopartei ihr Vertrauen. Auch der Medientheoretiker Peter Weibel tut das, und zwar ausdrücklich wegen der Aktivitäten des Grünen Kultursprechers Wolfgang Zinggl, der allerdings vor einem Jahr vollkommen ungerechtfertigt den Leiter der Kunsthalle Wien, Gerald Matt, aus seinem Luxusjob gemobbt hat.

 

Die Philosophin Isolde Charim, die gewiss das Richtige wählt, mag ihre Linkspräferenz in der Öffentlichkeit nicht sagen. Dafür verirrt sie sich, die schönen Theorien des Franzosen Claude Lefort bedenkend und wendend, wieder einmal in der weitläufigen Lounge der Kreisky-Villa. »Als Wähler«, raunt Charim, »sind wir nichts anderes als eine Zahl und darin alle gleich«.

 

Genau das Gegenteil ist wahr: Als Wähler haben wir jeder eine Stimme und gebrauchen sie auch diesmal durchaus verschieden.

 

© Wolfgang Koch 2013

 

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